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Liebe - nur was für Sesshafte?

Liebe - nur was für Sesshafte?
Es gibt noch die kleinen Läden bescheidener Einzelhändler. Dort wo die Schaufenster schlecht beleuchtet sind. Wo noch etwas auf dem Weg von der Arbeit nach Hause mitgenommen wird. Wo Frauen aus den umliegenden Häusern kurz etwas einkaufen, ohne sich umzuziehen. Wo Kindern ein Bonbon zugesteckt wird. Wo alle einkaufen: Mütter, Väter, Alte, Mädchen, Schüler. Wo sie mit Brot, Wurst, Heften, Tintenpatronen uneingepackt rauskommen.
Alles in allem bescheiden umtriebig - zumeist abends - wie sollte es unsereinen kalt lassen? Nie lässt es uns gleichgültig. Aus einem einfachen Grund: Solches Leben wird uns nie zugänglich sein.
Es hat mit bleiben können, sich verkriechen können, mit zuhause sein zu tun. Mit Sesshaftigkeit auch, mehr noch: mit Heimat. Mit Ankommen. An Orten, die nicht ausradiert werden.

Aber lässt sich in solchem Zustand, an solchen Orten die Zeit anhalten? Eitel scheint es mir, was sie aus unserer Liebe machen will. Diesem blitzartigen Aufleuchten, dem alles mitreißenden Glanz, diesen nicht bestimmbaren Augenblicken, denen sie so schnell wie möglich die Trägheiten und Stumpfheiten einer festen - und gefestigten, verfestigten - Beziehung entgegenstellen will. Mit allen Konsequenzen des Gewohnten, des Andauernden ... der Langeweile ... von Nachmittagen auf dem Sofa ...

Sie hat nie die Erfahrung gemacht, fortgejagt zu werden. In wenigen verbleibenden Minuten ein paar Habseligkeiten zusammenzukramen - nicht mehr als was in einen kleinen Koffer passt. Und dann nicht zu wissen, wo es hingeht.
Ein Zustand ohne Sicherheit. Ohne Plan. Ohne Zukunft. Ohne Dauer - "Das ist doch kein Leben", sagt sie.
Wir haben aber genau das in den Genen. Gelernt. Verinnerlicht.

Deshalb werden wir gehasst und verfolgt. Immer schon. Weil wir die Illusion von Bestand, den Traum von Dauerhaftigkeit verneinen mit unserem Dasein - einem Sein des Vertrieben-Seins. Nirgends dazu zu gehören. Nirgendwo gelitten zu sein. So verkörpern wir, was nicht sein darf: Das hoffnungslos Vergehende von allem, das es auf der Erde gibt. Auch der Liebe. Vor allem der Liebe.
Wanderschaft heißt unsere beständige Losung, die Flucht bevor es zu Übergriffen kommt.

Was dann tatsächlich bleibt, sind Zuckungen von Leben in etwas, das nicht mehr da ist. Wenn alle Versuche es festzuhalten, doch nur dazu geführt haben, dass es noch schneller vergeht. Ein armseliger Stumpf von Liebe, den wir durch unsere Erinnerung tragen. Die grausame Erkenntnis, dass der Bogen Leben heißt, nur um Pfeile des Todes zu verschießen ... viele ... ohne Unterlass ...
***75 Mann
496 Beiträge
Ein sehr packender, impulsiver Text, der die triviale, düstere Seite des Lebens umschreibt, empfinde ich. Solche Texte sind für mich immer etwas Besonderes, weil sie der gelegentlichen vorgegaukelten Schönheit brachial entfliehen. Mehr davon.
Danke, @***75 - was du "trivial" und "düster" nennst, ist für alle Liebenden ohne festen Wohnsitz, denen dieser Text gewidmet ist, Normalität und Alltag.
***75 Mann
496 Beiträge
Deine Persönlichkeit wirkt auf mich sehr spannend.
Ich gewinne den Eindruck, dass Du sehr genau weißt, über was Du berichtest. Du hast es erlebt?
Es lautet ja auch:"Schätze deine Feinde, denn nur sie sagen dir die Wahrheit" ,ergo, einzig spiegelt dein Bericht das mitunter bittere reale Leben wider, welches durch widerborstige Paradigmen, den liebevollen Menschen, nicht immer gut, quirlig durch die Zeit bringt!
Wer denkt schon an die ihm zugedachte Zeit? @San75
Apokryph

Ausgelassen
Als gäbe es keine Welt um uns her
Hält uns die Liebe eine Weile aufrecht
Treibt uns, drängt uns
Wirkt wie ein Narkotikum für unsere Schmerzen
Täuscht dabei Lebendigkeit vor
Als Erinnerung an Tiefes, an Hohes, das uns längst amputiert worden ist
Und wenn sich das grausame Brennen der Wunden wieder meldet
Bleibt uns doch nur noch ein Stumpf von Verbundenheit
Den wir selbst beweihräuchernd durch unsere Leben tragen
So dass durch die Lügen jeder Abschied zu einem Verlust wird
Denn auch bei aller Unbekümmertheit der Tage und vor allem Nächte
Haben wir nie aufgehört
An die uns zwischen den Fingern hindurch rinnende Zeit zu denken
Und die Stunde der Trennung war insgeheim immer spürbar
Voller Bangigkeit ist sie unaufhaltsam jeden verschwendeten Augenblick näher gerückt
Was soll jetzt das künstliche Aufbauen und Organisieren von Leben?!
In einem Anflug apokalyptischen Humors sich zu sagen
"Es ist doch noch gar nicht so spät!"
Wenn unsere Zeit längst vorüber ist ...

(von mir)
***75 Mann
496 Beiträge
Sei nicht so selbstzynisch, seelisch abgeklärt und abgewandt. Gleichwohl würde ich mit mir nicht so manifest in das Gefecht gehen. Gerade die Liebe ist etwas sehr Subtiles, wo man zugegebenermaßen auch von viel Glück sprechen kann, einen ehrlichen Menschen zu finden, lieben und halten zu können.
Es mag viele geben, welche sich selbst betrügen, ohne den Mut zu haben zu gehen und so lebenslänglich im Dunst von eigentlichen Veränderlichkeiten leben.

Zeit - muss ich sagen, dass sie für mich nur eine Illusion ist. Darum bin ich mir auch nicht sicher, ob es zu einer Verallgemeinerung der Zeitwahrnehmung kommen kann.
Die Liebe eines kleinen Kindes geniest eine längere Wahrnehmung, als die eines Erwachsenen. Das Hinderliche bei der Beurteilung von Zeit, ist die Angst bei Erwachsenen. Je höher sie ist um so länger hält sie an und je schöner Momente sind, desto kürzer werden sie empfunden.
Betrachte ich Zeit als Illusion, muss ich mir auch keine Gedanken um dessen Ausgang machen.
Mach´ dir Gedanken um den Ausgang deines Lebens;):)
***75 Mann
496 Beiträge
Ich bin so dekadent und gestört *panik* , dass kann nur in die Hose gehen. *haumichwech*

Michel de´Montaigne´s Aphorismus lautete eben:
Zwischen Wahnsinn und Verstand, ist oft nur eine
dünne Wand.

***75 Mann
496 Beiträge
Ab dem Zeitpunkt der Flucht vor sich selbst, laufe ich Gefahr in völlige Amnesie zu verfallen. Hier ist alles Illusion und das Leben in einer Zeitschleife. Das Leben hat keinen Ausgang, ein Ende ist den nächsten Tag zu "verschlafen".


Sieh doch Mensch, ich fliehe - kenne keine Grenzen,
nie werde ich ergänzen,
deinen Traum vom Leben - über den Wolken zu schweben.

Im Weiss von Leichtigkeit umhüllt,
nur innerliches Beben deine Lieblichkeit noch quält.

Lass mich trotzdem deine Illusion sein - jeden Tag und jede neue Nacht,
nicht zu entfliehen, sondern für immer zu lieben.

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