Eine andere Art der Hinterfragung
möchte ich an dieser späten Stelle dieses Threads wagen, auch wenn ich dabei zögere. Denn ungern möchte ich mich in die Reihe der "Kritiker" einreihen, schon garnicht der holden Frauflos-Projiziererinnen und der leidigen Selbstdarstellern sogenannter fester Prinzipien. "Creamer" hat bloß eine Empfindung und einen Wunsch geäußert, und ich vermag nicht zu erkennen, mit welchen (auch gewerkschaftlichen) Paragraphen dieser Wunsch in Widerstreit steht. Ich finde es höchst armselig, Gefühlen und Empfindungen gleich mit der Moral kommen zu wollen - was ja nicht auf eine bloße Projektion beruht.
Allerdings lassen sich Empfindungen und Wünsche durchaus auf ihre Natur und auf die Art ihrer Wirklichkeit hinterfragen. Und das möchte ich schon deswegen tun, weil schon bei Lesen der Thread-Eröffnung sich bei mir schon zwei Fragen aufdrängten, und zwar bei der Beschreibung der Begehrten.
Bekanntlich weiß man natürlich nicht immer, welche der Eigenschaften das Gefühl des Begehrens und der Liebe hervorruft, doch in diesem Fall weiß der Liebende die Eigenschaften der betreffenden Peson durchaus zu benennen:
und hilft mir seither unvorstellbar gut. Sie ist sehr ruhig, fast verschlossen, bescheiden, nie zickig und liest mir meine Wünsche bei der Arbeit "von den Augen ab", läßt mich nie im Stich, sie dient mir hingebungsvoll. Da sie nur wenig spricht kann ich sie schlecht einschätzen.
Dazu nun die Fragen, die sich mir stellten. Zunächst: verdanken sich diese Eigenschaften nun der Persönlichkeit der geliebten Person, die diese auch ihrem Geliebten zukommen lassen würde, oder aber ihrem sozialem Verhältnis zu ihrem Chef? Könnte es also sein, dass im Fall einer privaten Beziehung diese Eigenschaften sich auf einmal in Luft auflösen würden? Das wäre zumindest die Frage, die ich mir stellen würde.
Die weitere wäre aber: selbst im Fall, diese Eigenschaften entsprechen ihrer Person, stellt sich die Frage: Sind diese umschwärmten Eigenschaften: das Dienende, das Wunschablesende, der Mangel jeglicher Zickigkeit, die jeden "Chef" erfreuen, auch tatsächlich welche, die mich, den Partner, auf Dauer auch erfreuen würden? Wünscht sich nicht jeder an seinem Partner, dass er sich auch in einem anderen als nur sexuellem Sinn an ihm "reiben" kann, weil nur dies ihm ermöglicht, weiter an sich reifen zu können, statt sein eigenes Ego nur in dem anderen zu spiegeln? Allzu willfährige Partner, die also keine sind, fangen den anderen bald an zu "nerven", und dieses Gefühl des Nervens weist auf ein zentrales Bedürfnis hin, das in dieser Willfährigkeit unerfüllt bleibt.
Zusammengefasst könnte ich meine Bedenken in folgenden Rat münzen: Bevor Du Dir überlegst, wie realistisch die Möglichkeit der Transformierung Eurer sozialen in eine private Beziehung ist (und wie dies "technisch" zu bewerkstelligen ist), würde sich mir die Frage stellen, wie realitätstauglich die Wunschvorstellung (denn das ist sie ja zunächst einmal) selber ist! Ich weiß zwar, dass solche Fragen und Antworten die Intensität des Begehrens nicht mindern, aber man könnte der Phantasie dieses Begehren einem vielleicht erstmal anderen Raum geben als gleich die große Leinwand einer bis zum Tod anhaltenden Beziehung?
Eben vielleicht tatsächlich erstmal dem Raum des kleineren Genres eines Flirts oder einer Affäre, um seine eigene Wünsche mit der Realität der anderen Person - und die Realität des Wunsches selbst - überprüfen zu können - was ja durchaus mit entsprechendem Takt bei den ersten Schritten mit der Möglichkeit des Rückzugs von beiden Seiten durchaus möglich sein sollte.
Andere moralische Überlegungen, oder die sich als solche tarnen, lenken hiervon nur ab.