Angst spüren Loslassen lernen Vertrauen leben
In meinem Liebesleben geht es schon seit Längerem drunter und drüber. Ich bin diesen Retortensex, der immer nur auf den Orgasmus abzielt einfach leid und suche nach mehr Tiefe. Leider geriet ich dabei bisher immer noch an die gleichen Vollidioten, wie zuvor. Das Leben wollte mir wohl etwas aufzeigen. Ich ging das letzte katastrophale Treffen durch und nahm mir fest vor, in Zukunft meine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und sie auch mitzuteilen.
Ich habe immer noch Fantasien, die mich nicht loslassen: Gefesselt und ausgeliefert im Bett, der dominante Herr, wie er mich benutzt, mich an meine Grenzen bringt. Doch etwas Neues war dazugekommen: Ich möchte auch aufgefangen werden. Mich nicht mehr nur zum bloßen Lustobjekt degradieren lassen. Ich wünsche mir ein Zusammenspiel aus BDSM und tantrischen Elementen. Und da bin ich nicht die Einzige... In den Foren bei Joyclub wird sich rege darüber ausgetauscht. Ich las die Beiträge interessiert, aber ich wusste nicht so richtig, wie ich den passenden Part für solch ein Experiment finden kann.
Eines Tages sah ich dann einen Forenbeitrag, der mich sehr interessierte. Er war von einem Mann geschrieben, dem es wohl ähnlich erging wie mir. Ich fing an, Mails mit ihm auszutauschen und der Kontakt war sehr schnell sehr intensiv. Von Anfang an war der Umgang sehr ehrlich. Er berichtete mir, dass er durch BDSM lernen wolle, Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für sein Gegenüber, auch und vor Allem für sich. Er wollte wachsen und sich seiner mehr bewusst werden, genau wie ich.
Ich zögerte dennoch... Meine Mauer war hoch. Ich hatte Angst, dass mir wieder das Gleiche passiert wie mit den Männern zuvor. Nach einem weiteren langen Telefonat mit ihm ging ich sehr müde ins Bett. Ich konnte trotzdem nicht gut einschlafen, weil mein Kopf das Problem herum wälzte, ob ich ihn nun treffen sollte oder nicht... Er hatte angeboten, mich besuchen zu kommen.
Schließlich schlief ich dann doch ein und träumte eine interessante Szene: Ich war zu Hause, es klingelte an der Haustür. Ich öffnete sie und sah, wie eine sexy gekleidete Dame mit einem Koffer in der Hand die steinernen Treppenstufen heraufkam. Verwundert begrüßte ich sie, doch sie sagte kein Wort. Sie drückte mir den Koffer in die Hand und ihr Blick sagte einfach nur: Versuche es.
Verstanden. Ich wachte auf und eine vorher selten dagewesene Klarheit zog sich durch meinen Kopf. Die Mauer und die Angst waren noch da, aber ich nahm nun beides an. Ich wollte mich der Aufgabe stellen.
Gesagt, getan. Ich schrieb ihm, dass ich dazu bereit wäre, ihn kennen zu lernen. Er bestimmte das Datum. Noch einen Monat Zeit. Mein Kopf rebellierte. Doch mein Herz ist sehr geduldig, und so beruhigte ich mich schnell wieder. Fantasien zeigten sich. Ich stellte mir vor, wie er mich verwöhnt und gleichzeitig zappeln lässt. Dies ließ mich eine Frage stellen: Was erhoffte ich mir von diesem Treffen? Klarheit, Vertrauen? Eins wusste ich, ich hatte wieder Lust auf Sex. Noch wichtiger aber: Ich wollte wieder Nähe zulassen können. Den ganzen Monat lang rang ich mit mir selbst. Der Mann bekam das mit, durch unsere Offenheit. Seine Erwartungsfreiheit und sein Vertrauen halfen mir, die Angst immer wieder zu besiegen. Und schließlich war es soweit, unser erstes Treffen fand statt.
Ich holte ihn ab und wir fuhren zu mir. Was für eine Dynamik. Ich spürte, dass er die Zügel in der Hand halten wollte. Sicher wirken wollte. Seine Fassade. Ich fand einen Weg ihm mitzuteilen, dass ich ihn gern so erleben würde, wie er wirklich ist, ohne den ganzen gesellschaftlichen Kram, den er sich beigebracht hatte. Zuerst vor den Kopf gestoßen, fing er sich schnell wieder. Er verstand mich und begann, sich selbst zu beobachten... Und ich beobachtete mich. Meine Mauer war noch da, aber wieder ein Stück kleiner geworden. Wir waren den ganzen Tag draußen und genossen das wunderschöne Wetter. Kletterten auf Bäume, tauschten uns aus... Fanden einen Draht und sahen uns als Menschen.
Gegen Abend wurde die Stimmung ruhiger...
Mit jedem Gesprächsthema verlor sich die Mauer und die Angst mehr und mehr. Schließlich gingen wir ins Bett. Er war sehr verspannt, also gab ich ihm noch eine Rückenmassage, die ihm etwas Linderung verschaffte. Danach kuschelten wir und ich genoss es ungemein. Keiner musste eine Rolle spielen, wir waren einfach nur wir selbst. Und dann spürte ich, wie die Lust langsam in mir hochstieg... Ob es ihm wohl auch so geht? Es kam keine Reaktion von ihm... Das verunsicherte mich. Ich wollte mich aus der Umarmung lösen. Da fragte er mich, was los sei. Meine Antwort gefiel ihm und wir begannen – ganz vorsichtig und achtsam – unsere Körper mit den Händen zu erforschen. Ich berührte ihn überall und er genoss es sehr. Ließ sich noch mehr fallen. Vertraute mir. Dieses Liebesspiel erinnerte mich an die Tantra-Seminare, die ich besucht hatte. Nicht der Orgasmus allein steht im Fokus, nein, der ganze Mensch in seiner Lust. Absichtslose Berührung, das Verschmelzen zweier Menschen. Er versteht mich, ich verstehe ihn... Ein wunderschöner Austausch. Und heilsam für uns beide. Kurz war er auch in seiner dominanten Rolle. Doch er spürte sofort, dass ich mich nicht wirklich darauf einlassen konnte in dieser Nacht, und ließ wieder davon ab.
Es wird nicht das letzte Treffen gewesen sein und wer weiß, vielleicht steht uns ja beim nächsten Treffen dieser Koffer zur Verfügung...
Nach dieser Begegnung weiß ich, dass es okay ist, die Angst zu spüren. Dadurch kann ich das Loslassen lernen und Vertrauen leben.
Liebe Grüße von der Miez