Die Premiere mit Madame Sophie
Es klingelte an der Haustür. Ich öffnete sie und sah, wie eine sexy gekleidete Dame mit einem Koffer in der Hand die steinernen Treppen heraufkam. Sie sah noch schöner aus, als ich sie mir erträumt hat, wobei Schönheit vielleicht das falsche Wort ist. Sie war schön, keine Frage, aber noch mehr strahlte sie eine Eleganz und vor allem Überlegenheit aus, die mir einen Schauer über den Körper laufen ließ, der mir eine Gänsehaut bescherte.
„Hallo“, sagte ich, „kommen Sie doch…“
„Pssscht. Nicht reden!“, unterbrach sie mich und ging an mir vorbei in die Wohnung. Verdutzt trottete ich hinter ihr her. Sie ging, nein, sie wandelte in die Mitte des Raumes, stellte ihren Koffer ab und stemmte die Hände in die Hüfte, während ihr Blick durch das Zimmer schweifte. Ihr schwarzer Lederrock spannte sich stramm über die wohlgeformten Beine, das rote Licht der Deckenstrahler gaben ihm einen dezenten Glanz, der ihn noch verruchter wirken ließ, als er ohnehin schon war. Die Naht der Strümpfe führte direkt zu den High Heels, deren Absätze so hoch und spitz waren, dass man dafür wahrscheinlich einen Waffenschein benötigte. Unter ihrer weißen Bluse zeichnete sich ein BH aus feinster Spitze ab, der grazil ihre Brüste umschmeichelte. Das Haar streng nach oben gebunden und ebenso streng war der Blick, den sie mir nun zuwarf.
„Was starrst Du mich so an? Habe ich Dir erlaubt, mich anzusehen?“
Ihre Worte kamen hart, ich zuckte zusammen und schaute sofort nach unten.
„So ist es gut“, sie machte einen Schritt auf mich zu, mein Blick haftete auf ihren Schuhen, während ich ihre Hand an meinem Kopf spürte. „Du weißt ja, warum ich hier bin.“
Das wusste ich durchaus, schließlich hatte ich die Dame in dieses angemietete Zimmer in einem unscheinbaren Haus geordert. Und natürlich war ich es, der mit ihr, „Madame Sophie“ am Telefon die Eckdaten durchgegangen war: Interesse an BDSM, aber absoluter Neuling, Hausbesuch nicht möglich, deshalb externe Location (gerne mit Vorschlag, den die Madame Sophie auch gleich parat hatte), kein Werkzeug oder benötigte Utensilien vorhanden (kein Problem: Madame Sophie ist versorgt und bringt alles mit).
Nun, bisher hatte ja alles geklappt. Das Anmieten der Räumlichkeiten war kein Problem (auch nicht das Einwerfen des Mietbetrages in bar im Vorfeld, um die Kreditkarte nicht zu belasten), auch wenn mir beim Erkunden der Wohnung mulmig wurde und ich mir nicht sicher war, ob das alles eine gute Idee sei. Aber die Neugier überwog und ich bin nicht abgehauen. Das mulmige Gefühl wich schließlich einer gewissen Vorfreude: der Anblick der Haken an den Wänden, die gepolsterte Bank, die vielen Ketten und das Leder überall übten einen extrem großen Reiz auf mich aus und plötzlich war da wieder jenes Verlangen, das schon vor einiger Zeit bei den ersten Klicks auf Videos in den einschlägigen Portalen auftauchte. Anfangs noch klein und schwach und sich fast ängstlich versteckend unter der Übermacht der anerzogenen Moral und dem „Anstand“, wie es meine Frau nennen würde, den für sie wäre das auf jeden Fall eine Sache, die unanständig und deshalb für sie keinesfalls in Frage käme. Aus diesem Grund hatte ich „die Sache“ ihr gegenüber auch nie erwähnt und mich heimlich ins Gästezimmer geschlichen, wenn wieder die Lust auf diese Videos aufkam. Und die Lust war immer öfter da, aber vor allem wurde sie größer und verlangte nach mehr.
„Setz Dich hin!“ Sie deutete auf den Stuhl, der in der Ecke stand. Die Schärfe, mit der sie das sagte, jagte mir ein Kribbeln durch den Körper. Ich ließ mich auf dem Stuhl nieder, darauf achtend, den Blick nicht zu weit zu heben, um nicht ihr Missfallen zu erregen. Während sie auf mich zukam, spielten sich die wildesten Fantasien in meinem Kopf ab. Was hatte sie mit mir vor? Was würde sie mit mir anstellen? Würde es ziepen, kratzen, beißen? Mit welchen Teilen seines Körpers würde sie sich befassen und welche ignorieren? Wie sehr würde es schmerzen und wie lange würde er aushalten, bevor er vor Lust stöhnt?
Der kleine Tisch, den sie vor mich schob, riss mich aus meinen Gedanken. Vorsichtig legte sie ihren mitgebrachten Koffer darauf, die Schließen zu mir gerichtet. „So, mein Kleiner. Jetzt siehst Du, was Dir in den nächsten zwei Stunden blüht“, sagte sie, entriegelte die Schlösser und öffnete ganz langsam, fast in Zeitlupe, den Koffer. Meine Neugier stieg ins Unermessliche. Gleich würde ich all die wunderbaren Dinge sehen, mit denen mir Madame Sophie zu neuen Höhen der Lust verhelfen würde. Natürlich würde ich es bestreiten, würde man mich danach fragen, aber wahrscheinlich war da tatsächlich ein kleines Tränchen der Freude, das sich seinen Weg aus meinem Augenwinkel bahnte. „Na, gefällt Dir, was Du siehst?“, fragte Madame Sophie.
Um ehrlich zu sein, traute ich meinen Augen kaum und das Einzige, was mir beim Anblick des Inhalts über die Lippen kam war ein erstauntes: „Äh…?“
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„Als Gott die Frau schuf, hatte er einen guten Tag. Aber natürlich ist auch er nicht perfekt. Aus diesem Grund wurde die Firma LaBelle gegründet, um Sie bei diesem letzten kleinen Stück zur Perfektion zu unterstützen.“
Heiteres Gekicher bei den Damen, die im Halbkreis vor Claudia saßen und den Ausführungen gespannt lauschten. In diesen Momenten liebte sie ihren Job: ein bisschen Gelaber hier, ein paar Bonmots da, charmant an die Frau gebracht und schon verkaufte sich all der Kosmetikkram wie von alleine. Da war selbst Sophie, ihre Mitbewohnerin neidisch, obwohl die es sich ja auch einfach machte. Typen den Hintern versohlen, die sie auch noch dafür bezahlten… da gab es weitaus Schlimmeres, womit man seinen Lebensunterhalt verdienen konnte.
„Und hier, meine Damen, sehen Sie, was die Entwicklungsabteilung der Firma LaBelle für Sie entwickelt hat“. Mit einem Lächeln drehte sie den ihren mitgebrachten Musterkoffer zu den Zuhörerinnen und klappte ihn vorsichtig auf. „Für Sie nur das Beste! Und dass es das Beste ist, garantiere ich ihnen: das meiste davon habe ich selbst schon getestet. Vieles benutze ich sogar täglich“.
Claudia sah die erstaunten Blicke der Damen. Kaum zu glauben, wie leicht sich manche Menschen beeindrucken ließen. „Natürlich ist nicht alles für jeden geeignet, aber da muss man einfach mal mutig sein und herumprobieren.“
Leises Gemurmel und große Augen bei den Zuhörerinnen.
„Es hat mir jedenfalls nicht geschadet, oder?“ Lächeln, immer nur lächeln. Die Blicke der Damen noch immer erstaunt, aus dem Gemurmel wurde lauter Geraune. Irgendetwas lief hier schief.
„Und sie benutzen das alles tatsächlich selbst?“, fragte die Dame ganz links, den Blick zwischen dem Koffer und Claudia hin und herschweifend.
„Ja, aber sicher doch. Natürlich nicht immer alles auf einmal, aber vieles kann man auch gut kombinieren“. Hatten die noch nie Lippenstifte, Eyeliner und Rouge benutzt? Wo war sie hier gelandet.
„Aber tut das denn nicht weh? Ich meine….“, meldete sich eine weitere Dame zu Wort.
„Nein, das tut nicht weh. Wieso sollte das weh tun???“ Hier stimmte etwas nicht, aber sie wusste nicht, was. War sie bei der versteckten Kamera gelandet? War das ein Komplott älterer Damen, die neidisch auf ihr gutes Aussehen waren? Was waren das für seltsame Fragen?
„Für mich sieht dieses, dieses Werkzeug schon schmerzhaft aus.“
Werkzeug? Was für Werkzeug? Seit wann sind einfache Bürsten und Kajalstifte „Werkzeug“?
Schon beim Griff an den Koffer, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Diese Nähte an den Kanten… waren die schon immer da? Bei Sophies Koffer waren solche Nähte, aber doch nicht an ihrem? Ein Verdacht kam in ihr auf. Claudia schloss die Augen, während sie den Koffer zu sich drehte.
Die Firma LaBelle kümmerte sich um viele Belange des menschlichen Wohlbefindens, aber sie konzentrierte sich dabei auf Kosmetik und Schönheitsartikel. Dinge wie Vibratioren, Handschellen und Ketten überließ sie anderen - Leuten wie denen, die offensichtlich den Inhalt dieses Koffers hergestellt hatten, einem Koffer, der eher zu Sophies Metier passte, der sicher auch Sophies Koffer war und der aber statt bei Sophie nun bei ihr war. Anscheinend kam es zu einer Verwechslung und sie hatte auf dem Weg zu ihrem Beauty-Date mit den anwesenden Damen Sophies Koffer genommen und Sophie stattdessen Claudias… und war nun mit dem Musterkoffer voller Lippenstifte in den neuesten Herbstfarben und den dazu passenden Lidschatten bei ihrem Kunden. Claudias letzte Hoffnung war, dass dieser vielleicht war er vom Anblick der Eyeliner genauso gefesselt war (denn Fesseln war sicher eine seiner Intentionen für ein Date mit Madame Sophie), wie die Damen in ihrer Runde von den präsentierten Spielgeräten.
Ein leises Hüsteln riss sie aus ihren Gedanken. Eine ältere Dame streckte die Hand, als wolle sie sich im Schulunterricht zu Wort melden: „Entschuldigung, aber ich hätte eine Frage?“
Claudia schloss die Augen und rieb sich über über den Nasenrücken. „Ja, meine Liebe? Was kann ich für Sie tun?“
„Was würde denn der Rabbit-Vibrator kosten?“, fragte die alte Dame und grinste dabei… „Und gibt es den auch noch in größer?“