Klassentreffen
‚Ich kann immer noch zurück.‘ Seit einer Stunde flüsterte ich still mein Beruhigungsmantra vor mich hin.
Nun stand ich vor dem riesigen Haus und holte tief Luft. Just in dem Moment öffnete sich die große doppelflügelige Haustür der Villa und ich erkannte ihn sofort. Mist, ich konnte mein Grinsen nicht kontrollieren, es zerriss fast mein Gesicht und ich spürte die Freude und Aufregung meine Wangen durchfluten. Ich wollte auf ihn zu rennen, ihm in die Arme fallen und grinste nur.
„Schön, dass du da bist“ sagte er lächelnd mit dieser wunderbar warmen, dunklen Stimme, die mir schon so vertraut war. Er hielt mir die Tür auf, ich trat ein und ließ mich durch seine sanfte Hand auf meiner Wirbelsäule ins Innere führen.
Eine Woche lang hatten wir uns geschrieben. Eine ganze, verdammte Woche. Hatten uns stundenlang Sprachnachrichten hinterlassen, stundenlang darauf geantwortet. Worte, Gedanken, Sehnsüchte ausgetauscht. Jeder Satz von ihm stimmte. Jedes seiner Worte fiel auf fruchtbaren Boden, wurde dankbar aufgesaugt und versetzte mich immer mehr in einen rauschhaften Zustand.
Es war klar, dass wir uns sehen würden. Und mir war klar, dass da noch sehr viel mehr geschehen würde, als bloßer Augenkontakt.
Es war seine Idee, eine abgefahrene Idee und verrückt genug, mir zu gefallen.
„Ich bin für Samstag auf ein Klassentreffen eingeladen. Ehrlich gesagt, war ich da noch nie und jetzt feiern sie 30 Jahre schulfrei und haben dafür tatsächlich eine kleine Villa gemietet. Es gibt ein gemeinsames Essen und danach wird wahrscheinlich furchtbare Musik gespielt und alle führen sich auf wie Teenager. Hört sich das nicht verlockend an?“
Ich hätte mich auch im Schauraum der städtischen Müllabfuhr mit ihm getroffen und ehrlich gesagt, klang eine Villa dann doch reizvoller.
Also haben wir uns verabredet und natürlich hatte ich ihn gefragt, welche Art Kleidung er gerne an mir sehen würde („ein hübsch schwingender Rock wäre nett“) und ob ich etwas mitbringen müsse („Ich kümmere mich schon um alles, entspann‘ dich“). Die wirklich brennenden Fragen („Werden wir Sex haben?“, „Werde ich ihm gefallen?“, „Wie verhindere ich es, ihm gleich zu Füßen zu liegen?“) behielt ich für mich.
Und nun spürte ich erstmals seine Hand. Ganz sachte nur, getrennt von viel zu vielen Fasern und doch brannte sie ein Loch in meine Haut. Ich wollte mich dagegen drücken, innehalten und den Moment auskosten. Aber ich folgte seiner Führung.
Er zeigte auf eine halboffenen Tür: „Da, schau, da kannst du deine Sachen ablegen. Sie haben tatsächlich eine Garderobiere organisiert“. Er half mir, meinen Schal und meinen Poncho abzulegen, ich konnte dabei kurz einen Blick auf sein Halbprofil erhaschen. Ich versuchte, mich kontrolliert zu geben und hielt mit größter Mühe meine Gier (Zeig dich mir! Lass‘ mich dich berühren! Fass‘ mich an!) im Zaum.
Im Raum gegenüber vermischte sich Stimmengewirr, Stühlerücken und Besteckgeklimper zu einem dämpfenden Teppich. Diesmal berührte er mich am Ellbogen, eine fast altmodisch anrührende Geste, die ich sehr genoß. Er führte mich an unseren Platz an einem riesigem Esstisch, der den gesamten Raum einnahm. Der Tisch war festlich gedeckt und es sah so aus, als würden Kellner das Essen servieren.
Er lächelte unseren Tischnachbarn zu, er schien sie schon begrüßt zu haben. Ich bekam von ihnen ein freundliches Gesicht und fragende Augen. Er stellte mich nicht vor, setzte sich neben mich und schenkte mir ein Glas Wasser ein. „Ich hoffe, du hattest eine gute Fahrt?“
Ich war völlig verunsichert und wußte nicht so recht, ob ich lieber haltlos auflachen sollte oder ob mir eher nach Heulen zumute war. Hatte ich ihn enttäuscht? Oder warum war er so distanziert?
Ich hielt mich erstmal an das ungeschriebene Script, vermied ebenso wie er den direkten Blickkontakt und stieg in den Smalltalk ein. Schob Besteck hin und her, nippte vorsichtig am zu kalten Wasser und versuchte, meine unbändige Enttäuschung zu dämpfen.
Das war nicht der warmherzige, liebevolle Mann, mit dem ich so viele Gedanken geteilt hatte. Nur wieder so ein blöder Tastenwichser, hätte ich mir ja denken können. Ich hab‘ Tastenwichserklebe an meinem Profil, ich muss den Support anrufen. Ich unterdrückte ein Kichern und merkte, dass es mir gut tat, ihn im Geiste zu beschimpfen.
Das Essen wurde serviert und ich war froh, endlich einen Gegenstand für meine Konzentration zu haben. Wir plauderten nett weiter, lobten Essen und Personal und wie fürchterlich kalt es für die Jahreszeit doch schon war. Was ein Arsch.
Dafür bin ich eine Stunde gefahren, habe mir die Beine rasiert und seit zwei Tagen nicht masturbiert. ArschArschArsch.
„Reichst du mir bitte das Salz?“.
Ich hatte sein Gesicht tatsächlich immer noch nicht richtig gesehen. War das zu fassen? Ich würde nach zwei Stunden satt an Nahrung aber völlig ohne Erinnerung an ihn nach Hause fahren. Was eine peinliche Aktion! Ich sah den darauf folgenden Dialog in Comicblasen vor mir schweben „Na, Schatz, wie war dein Date?“ - „Keine Ahnung. Es gab Scampis.“
„Ach, wie dumm“ hörte ich den mir vertrauten Unbekannten neben mir meine Gedanken unterbrechen. Ich schaute zu ihm hinüber und sah, wie er seine Hosentaschen abklopfte.
Plötzlich sah er mich an. Direkt in meine Augen. Mein Herz vergaß, zu schlagen, es setzte einfach aus und die Soße tropfte unschön von meiner Gabel. Garantiert auf meinen Rock. Jede Wette. Ich würde ihn zur Reinigung bringen müssen. Himmel. Was für Augen. Seit wann schaut er so? Warum hört er nicht auf? Ich sah, dass sein Mund - oh mein Gott, diese Lippen, diese vollen... - sich bewegte.
„Was?“ brachte ich krächzend heraus und mir war klar, dass ich mich gerade ausnehmend dämlich verhielt und ganz bestimmt auch so aussah.
„Würdest du so lieb sein, mir meine Brille zu holen? Sie ist in der Garderobe.“ Er legte ein kleines Zettelchen mit einer Nummer neben mir auf den Tisch.
Ich hörte meine Sehnen knirschen, als mein Nacken sich anschickte, den Kopf zu drehen. Ich starrte zwei Sekunden auf den Zettel und - welche Erleichterung - das Denken setzte wieder ein.
„Natürlich, klar.“ Ich legte die Gabel etwas zu klirrend ab, nahm den Zettel und schob mich aus der Sitzhaltung. Mit wackeligen Knien und leichter Panik, ob er mir hinterher sah und meinen steifen Gang bemerkte, verließ ich den Speisesaal.
Ich schloß gerade sachte die Tür und wollte die Garderobe aufsuchen, doch ich wurde unterbrochen: Es klingelte an der Haustür.
Ich öffnete sie und sah, wie eine sexy gekleidete Dame mit einem Koffer in der Hand die steinernen Treppenstufen heraufkam.
„Hallo“, lächelte sie mich an, „ich gehöre zur Band.“ und schon schlängelte sie sich elegant an mir vorbei und verschwand in den Tiefen des Hauses.
Ich schaute ihr verblüfft nach.
Schulterzuckend ging ich endlich in die Garderobe und gab der hübschen Studentin - es sind immer hübsche Studentinnen, wo kommen die bloß alle her? - den Zettel. „Ich soll nur die Brille mitnehmen.“
Sie lächelte, suchte kurz und stellte mir einen schicken Koffer auf den Tisch. Er ist mit einem Aktenkoffer hierher gekommen? Hübsch war er ja und ungewöhnlich zugleich: Er hatte keine Schnappschlösser, sondern einen farblich abgesetzten Reißverschluss. Ich zog ihn auf und klappte den Deckel auf.
Und sofort wieder zu.
Was zum Henker war das denn? Ich spürte die Hitze meiner Wangen und wagte es nicht, hochzublicken. In das naive, zarte Gesicht der süßen jungen Frau vor mir. Vielleicht ist er Vertreter für Sextoys? Oder spielt mir meine anfängliche Erregung einen Streich?
Vorsichtig und nur halb hob ich wieder den Deckel, aus den Augenwinkeln schauend, ob ich beobachtet wurde. Nein, alles gut, die Studentin war sehr viel mehr an dem Glanz ihrer Fingernägel interessiert.
Tatsächlich, ich hatte mich nicht geirrt, der Koffer war voll mit erotischen Spielsachen. Aber keine Brille. Dafür lag ein kleiner Briefumschlag ganz oben.
Da stand mein Name drauf! Vorsichtig nahm ich ihn aus dem Koffer und öffnete ihn. Ein kleines Kärtchen war darin und darauf handschriftlich notiert: „Meine Kleine, sei so gut und suche dir etwas aus dem Koffer aus und bringe es mir an den Tisch.“.
Dieser Mistkerl. Dieser verdammte Mistkerl. Ich konnte nicht anders, musste auflachen und gleichzeitig merkte ich, wie sich die Röte meines Gesichts unglaublicherweise um eine Schattierung steigerte.
Ich ignorierte den erstaunten Blick der Studentin, blendete sie aus und inspizierte mit schnellem Blick den Inhalt des Koffers.
Einige Gegenstände konnte ich nicht zuordnen, es mussten Vibratoren sein, aber für welche Körperöffnung? Menschliche? Ich ordnete die Gegenstände im Kopf nach Größe, denn selbstverständlich hing meine Handtasche über der Stuhllehne und meine Hände sind zu klein, um Doppeldildos unauffällig zu transportieren.
Die hübschen Schlaginstrumente fielen schon mal auf jeden Fall raus, die Maske und die Handschellen ebenso. Ein Glück, weiß der Geier, was ihm einfiel, wenn ich die mitbrachte. Die Liebeskugeln? Nein, sie passten nicht in meine Hand. Es blieb der Plug.
Nein, auf keinen Fall! Mein Hirn raste, versuchte in Windeseile die Möglichkeiten durchzugehen, die mir drohten. Ich hielt ihn durchaus für fähig, mir einen Plug zu verpassen - und das Ding war definitiv zu groß, sich danach gemütlich wieder hinzusetzen. Verdammt!
Ich griff trotzig nach dem schlichten Vibrator, schob ihn vorsichtig unter den Ärmel meiner Bluse und behielt den runden, silbernen Kopf in meiner Handfläche. Etwas umständlich verschloß ich den Koffer und nahm den Nummernzettel wieder in Empfang. So weit es ging, vermied ich jeglichen Augenkontakt und begab mich mit stacksigen Schritten und einem windigem Rauschen im Kopf wieder in den Speisesaal.
Dort wurde inzwischen abgedeckt und die Sitzordnung hatte sich etwas gelockert. Teilweise hatten sich kleine Grüppchen gebildet und tranken Kaffee, während sie sich mit Erinnerungen aus ihrer Kindheit langweilten.
Er saß noch an seinem Platz, hatte einen Kaffee vor sich und auch an meinem Platz lockte eine dampfende Tasse. Er stand auf, als er mich sah, quittierte meinen funkelnden Blick mit einem Lächeln und schob mir den Stuhl bereit.
Als ich mich setzen wollte, beugte er sich vor, flüsterte mir ins Ohr: „Sei so lieb und rutsche nach vorne auf die Kante.“ Sein warmer Atem fand direkt durch meine Gehörgänge einen Weg zu meinen Brustwarzen, die sich erfreut aufrichteten. Er setzte sich neben mich, wandte sich mir zu und hielt meinen Blick gefangen. Wie nebenbei zog er mein linkes Bein zu sich, schob seine Knie dazwischen und rückte den Stuhl nach. Er war mir so nahe, dass wir Eskimoküsschen spielen konnten. Saß genau zwischen meinen Beinen und mein Herz hämmerte in einer Lautstärke, dass es mir peinlich war.
„Zeig mal. Was hast du mitgebracht?“ Er bot mir seine Handfläche dar. Wollte er etwa, dass ich jetzt hier ganz offen den Vibrator zeigte? Oh Mann, dieser Kerl macht mich fertig. Ich ließ unter dem Tisch den Vibrator in meine Hand gleiten und legte ihn unauffällig in die Lücke zwischen seinen Beinen. Das kam mir merkwürdig intim vor und die Absurdität der Situation ließ mein Hirn flirren.
Er lachte kurz auf und blickte dann zu meinem Mitbringsel. „Interessant.“ Er rückte tatsächlich noch ein Stückchen näher, legte seinen Arm auf meine Stuhllehne und strich mit dem Handrücken sachte über meine feuerroten Wangen. Die andere Hand spürte ich plötzlich an meinem rechten Knie. Ohne zu Zögern wanderte sie zu meiner heißen Mitte und ich hielt entsetzt, peinlich berührt und gleichzeitig hoch erregt den Atem an.
Ich war völlig auf seine Augen fokussiert, als er sich vorbeugte und mich mit leiser Stimme bat: „Komm mir noch ein Stück entgegen. Wir wollen ja nicht, dass wir hier jemandem unangenehm auffallen.“
Ich wollte es nicht, meine gute Erziehung verbat es, aber natürlich rückte ich näher an seine Hand und spürte seine kühlen Finger an meiner Scham.
Er blickte freudig überrascht auf: „Du kleine Schlampe!“. Ja, bin ich und ich habe kein Höschen an. Ich schlug peinlich berührt lächelnd die Augen nieder und lehnte meine Stirn an seiner Schulter. Mein Kopf rauschte zu laut, um ihm in die Augen sehen zu können.
Vorsichtig strich er über meine Scham, verteilte die austretende Nässe und ich sog scharf die Luft ein, als er sacht mein Inneres erkundete. Als er in mich eindrang, musste ich meinen Mund auf seine Schulter pressen, keinesfalls wollte ich auf mich aufmerksam machen.
„Ja, wen haben wir denn da?“
Ich schrak auf, mein Gesicht ein einziges Feuermal. Neben uns stand ein ebenfalls rotgesichtiger Mann, in einem zu kleinen Anzug für seinen Bauch und in seiner Hand ein zu großes Bier für die Uhrzeit.
Der Finger in mir hörte nicht auf, mich zu reizen. Ich hatte den Eindruck, der Druck nahm noch zu. Ich rückte einen Millimeter von ihm ab, aber die Hand auf meiner Schulter sprach eine eindeutige Sprach: „Bleib hier!“. Ich ergab mich, ignorierte den Bierbauch und lehnte wieder meinen Kopf an seine Schulter.
„Sie ist etwas müde, die Kleine und ich muntere sie gerade ein wenig auf.“ Im gleichen Moment setzte er seinen Daumen auf meine empfindlichste Stelle und rieb sie sachte hin und her. Ich stöhnte in seine Schulter und hinterließ etwas Sabber auf seinem Anzug. Ich fand, das hatte ich mir redlich verdient.
Ich spürte die Unterhaltung an dem Brummen seines Körpers, war aber völlig damit beschäftigt, meine Lust nicht rauszuschreien. Endlich spürte ich, wie seine Hand mich verließ und wollte mich aufrichten. „Bleib ruhig hier, Schätzchen“ meinte er jovial und seine feste Hand auf meinem Rücken unterstrich, dass das kein Vorschlag war.
Ich schloß wieder die Augen und spürte, dass er zwischen seinen Beinen nestelte. Holte er sich etwa einen runter? Bitte nicht! Himmel, das kann er doch nicht machen!
Tat er auch nicht.
Mehr als dass ich es hörte, spürte ich es: Ein leises Summen. Mir fiel siedendheiß der Vibrator ein. Oh, verdammt. Nein, das geht nicht, das schaffe ich nicht! Das kann er mir nicht antun.
Aber er tat es. Natürlich.
Mit einer geschickten Drehung seines Oberkörpers verdeckte der den Moment, als der das kleine Spielzeug unter meinen Rock schob. Währenddessen plauderte er weiter mit seinem alten Schulfreund und ich starb tausend kleine Tode der Scham.
Vorsichtig setzte er den Vibrator an genau die richtigen Stelle und ich verfluchte jede Nachricht, die ich ihm je geschrieben hatte.
Ich spürte den Orgasmus kommen und wusste nichts, was ihn hätte aufhalten können. Eine unbändige Welle zähflüssiger Süße bahnte sich seinen Weg, unaufhaltsam, wie ein Tsunami brach er die Zäune des Anstands und der Zurückhaltung, riß alles nieder und ließ mich wimmernd in seine Schultern beißen.
Dann ließ ich los, eine Sekunde nur und konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Meine Knie klappten wie eine Auster zusammen, zerquetschen rücksichtslos seine Hand. Er drückte mich an sich, flüstere mir Süßigkeiten ins Ohr, ich rieb mich an seiner Wange und zog gierig die Luft ein. Ich musste sekundenlang den Atem angehalten haben.
„Ist alles in Ordnung?“ hörte ich eine besorgte Stimme.
„Alles ist in bester Ordnung.“ antworte er, ich hörte ihn lächeln.
„Sie ist bei mir.“