Das erste Date
Seit Wochen sind wir und näher gekommen. Mit witzigem, frechen Schlagabtausch hat es angefangen. Erste Telefonate, erotische Gespräche bis zu tiefsinnige Chats hat unsere Seelen schon längst untrennbar verflochten. Mein Alltag hat sich verändert, seit ich dich kenne. Es gibt keine Sekunde mehr an der ich nicht an dich denken könnte. Endlich haben wir es geschafft uns das erste mal zu sehen.
In dem kleinen Hotel in Deiner Nähe habe ich ein Zimmer gebucht. 480km quäle ich mich durch die Baustellen deutscher Autobahnen nach Norden. Ich bin aufgeregt, die Staus nerven mich und ich schwitze trotz Klimaanlage. Wie von dir gewünscht habe ich ein weißes Hemd an. Dein Dein Wunsch ist mir schon lange Befehl. 20km vor der Stadt fahre ich an einem Rasthof raus. Ich mache mich frisch so gut es geht. Das Hemd wird nochmal gewechselt. Die Schuhe glänzen perfekt. Ich bin zufrieden mit meinem Auftreten.
Ich rufe Dich an, daß ich bald da bin. „Schön“, freust du dich, „fast pünktlich.“ Aus dem „fast“ male ich mir schon aus, welche Strafen aus Deiner Phantasie entspringen mögen und begann wieder zu schwitzen.
„Ruhig! Beruhig Dich…. IHR kannst du vertrauen“, rede ich auf mich selber ein
„Du fährst zum Parkhaus am Gänsemarkt, dort auf die oberste Ebene. Ich warte da auf dich. Wenn du parkst schließt Du die Augen.“ ordnest du an.
„Okay. Was hast du vor?“
„Lass Dich überraschen!“, lachst du.
Am Gänsemarkt gibt es zwar kein Parkhaus, aber einen Wegweiser mit einem Großen weißem P auf blauen Grund. Dort fahre ich hin. Sieben Geschosse fahre ich nach oben. Von hier hat man einen herrlichen Blick über die Altstadt, kein anderes Auto steht hier. Ich steige aus und sehe mir die Stadt an.
Mein Telefon klingelt. „Ja?“ „Du sollst doch die Augen schließen!“ -Upps - erwischt! Bevor ich um Entschuldigung bitten kann höre ich im Handy. „Setz dich jetzt auf den Fahrersitz und warte bis ich komme! Mit geschlossenen Augen! Sonst musst du wieder heimfahren.“
Ok Ok. Schell gehe ich zurück in mein Auto. Ich schließe die Augen und versuche meine Ungeduld zu beherrschen. Plötzlich höre ich, wie du hinter mir auf dem Rücksitz einsteigst.
„Bevor du jetzt was sagst, werde ich dir die Spielregeln für heute erklären. Du wirst die Augen geschlossen halten, bis ich es anders will. Damit dir das nicht so schwer fällt, klebe ich sie dir mit Pflaster zu. Und damit die Leute nicht schauen bekommst Du eine Sonnenbrille.“
„Moment. Ich denke wir wollen uns endlich sehen.“ protestiere ich. Du beugst Dich nach vorne und flüsterst mir ins Ohr: „Willst du mir vertrauen, mein Lieber?“ Natürlich will ich. „Dann lass Dich jetzt fallen. Ich passe auf dich auf. Versprochen!“ Was hast du nur vor?!
Zärtlich klebst du Augenpflaster über meine Augen so, daß nicht die Augenlieder verkleben und schiebst mir eine Sonnenbrille auf die Nase. „So nun willkommen in meiner Heimat!“ lachst du. Ich sehe nichts. Du hilfst mir aus dem Auto und umarmst mich. Deine Wärme, deine Nähe tut unendlich gut in diesem Moment.
Du trittst einen Schritt zurück. „Gut siehst Du aus“, lobst Du. „Ein Kompliment, daß ich gern zurückgeben würde“, entgegne ich mit leicht maulendem Unterton. Du fragst nach den Autoschlüsseln, verschließt das Auto und nimmst mich am Arm zum Ausgang. Ich taste nach allem. Ich sehe absolut nichts. „Achtung jetzt kommt eine Treppe!“, warnst du mich. „Hat dieses Parkhaus keinen Aufzug?“ frage ich. „Doch, aber Treppensteigen trainiert.“
Sieben Stockwerke führst du mich durch das Treppenhaus. Als ich drohe zu fallen, hälst du mich fest. Meine ganze Sicherheit ist das Geländer und du auf der anderen Seite. Wir schreiten durch die Innenstadt. Deine Heels kann ich nur hören und stelle mir deine schönen Schuhe mit noch schöneren Füssen vor. Wo geht es hin? Eine Party, ein Konzert oder zur dir nach Hause?
Du hast in einem Restaurant einen Tisch reserviert. Der Ober umschwirrt uns, er hält mich für einen Blinden. Deine süsse Stimme trägt mir die Speisen vor. Ich muss sie mir merken. Ich kann nicht wie sonst in der Karte hin- und herblättern. Da habe ich eine Idee.
„Ich nehme ein Wiener Schnitzel“, bitte ich dich zu bestellen. „Du? Ein Wiener Schnitzel?“, fragst du verwundert, „So einfallslos?“ „Ich sehe nichts, habe ein weißes Hemd an und brauche jetzt sicher nichts mit Soße“, hauche ich triumphierend, ob meines tollen Einfalls. Als der Ober kommt bestellst Du Hirschgulasch „für den Herrn“, Rehmedallions für dich und erkundigst dich über die Qualität des Bordeaux, den du dann auch unverzüglich bestellst. Ich kann süffisantes Lächeln zwar nicht sehen, spüre es aber genau. Ebenso wie du meine weit aufgerissenen Augen nicht sehen kannst.
„Für den Herrn, nur nicht soviel Understatement … Herrin!“, zische ich über den Tisch, was dich in ein fröhliches Lachen versetzt. „Vertrau mir, Süsser“, beruhigst du mich. „Neben dir liegt eine große Stoffserviette.“ Ich taste nach der Serviette. Umständlich falte ich Sie auseinander und stecke Sie mir in den Hemdkragen. Ohne Augenlicht wird alles zehnmal schwieriger. Als der Rotwein kommt, taste ich nach dem Glas. Bloß nichts verschütten! Ich erhebe das Glas irgendwo in die Leere in der Hoffnung, daß das etwa die Richtung ist, wo ich deine Augen vermute. Die Gläser klingen. Mit meiner Linken ertaste ich den Glasrand um es an meinen Mund zu führen. Der erste Schluck glückt. Ich bin so beschäftigt mit dem Nichtsehen, daß die ausgezeichnete Qualität des Weins nicht durch die Synapsen ins Hirn transportiert werden. Glücklich stelle ich das Glas wieder ab und versuche mir die Stelle genau zu merken. „Beim prosten nicht in die Augen schauen gibt 7 Jahre schlechten Sex!“, versuche ich zu scherzen. „Das tut mir aber ehrlich leid für Dich“, ziehst Du mich auf.
Mit dem Essen kommt die nächste Herausforderung. „Oh sieht das gut aus, ganz toll“, höre ich dich die Begeisterung dem Ober zuflöten. Ich wäre schon froh zu wissen, wo ich was auf dem Teller finde! Das heute „das Auge mitißt“ davon kann ich mich sowieso verabschieden. Trotz meines Handicaps versuche ich so viel Stil wie möglich zu bewahren. Anhand der Konsistenz kann ich Beilagen und Fleisch unterscheiden. Den Mund treffe ich auch mit der Gabel recht gut. Wieviel Soße wohin tropft, ist mir allerdings nicht bewußt. Du amüsierst dich dezent hörbar.
„Gut machst du das“, flüsterst du lobend über den Tisch. Ich sitze hier meines wichtigsten Sinnesorgans beraubt, sinnlos hilflos, aber die Worte aus deinem Mund gehen runter wie handwarmes Öl.
Als wir mit dem Essen fertig sind, bin ich glücklich das gelöst zu haben. Im Laufe der Zeit wurde ich sicherer, und der Geschmack des Essens wie des Weins waren wesentlich intensiver als wenn ich sehen würde. Du erkundigst dich nach meinem Befinden. Als ich von dem intensiven Geschmackserlebnis berichte, weiß ich was ich schuldig bin und raune ein „Danke, Herrin!“ über den Tisch.
Ich frage dich: „Wann darf ich endlich die Brille abnehmen und dir wie ein normaler Mensch begegnen.“ „Lass uns zahlen“, weichst Du aus. Mich erleichtert in diesem Augenblick, daß du das Zahlen übernimmst, auch wenn das meine Pläne komplett durchkreuzt.
„Es ist nicht meine Art, die Dame zahlen zu lassen“, will ich dir zu verstehen zu geben. „Und es ist nicht meine Art, mich beim ersten Date vom Mann einladen zu lassen“, entgegnest du selbstbewusst, „Soweit, dachte ich, kennst du mich schon! Komm ich führe dich jetzt raus.“
Deine Heels stöckeln auf dem Pflaster der Stadt Richtung Parkhaus. Voller Vertrauen lasse ich mich von dir führen. Mir graut es schon vor den sieben Stockwerken die auf mich warten. Gnädig nehmen wir aber den Fahrstuhl. „Bilde dir ja nichts ein, mein Lieber. Ich habe keine Lust auf Treppen, das ist dein Glück.“ War ja klar.
Ich höre das klacken meines Autos, das du aufgeschlossen hast. Du führst mich auf den Fahrersitz. Als ich sitze, setzt du dich auf mich und küsst mich leidenschaftlich auf den Mund. Meine Sinne sind überflutet von Erregung, Liebe und Verehrung. Du knöpfst mein Hemd auf und brichst den Kuss abrupt ab. Ein heftiger Kniff in die Brustwarzen katapultiert mich aus der Sinnüberflutung. Dann streichelst du mir über den Kopf und flüsterst: „Schlaf jetzt gut, mein Lieber. Ich werde jetzt gehen und das nächste mal wirst du mich sehen dürfen. Lass die Pflaster an bis ich weg bin.“ Du springst aus dem Auto, schließt die Fahrertür. Ich versuche die Pflaster zu entfernen. Obwohl es Nacht ist, blendet die Umgebung. Bis ich wieder etwas sehe, bist du weg.
Was war das jetzt? Das kann doch nicht wahr sein. Durch die halbe Republik gefahren mit DEM Ende? Ich muss mich sammeln und schaue nochmal über das Lichtermeer der Stadt. Werde ich dich nochmal wiedersehen? Will ich mich immer soweit fallen lassen, wie heute? Plötzlich werde ich misstrauisch.
Ich fasse in die Innentasche meines Jackets, das im Auto geblieben ist… doch alles da. Geld, Handy, Ausweise nichts fehlt. Und schon bekomme ich ein schlechtes Gewissen ob dieser Gedanken. Wie kann ich nur! Ich gehe zum Automaten um den Parkschein zu bezahlen und beziehe mein Hotel.
Ich schlafe schlecht. Meine Gedanken kreisen nur um dich, um meine Gefühle und was jetzt wird.
Der süsse Schmerz in meinen Brustwarzen brennt die Erinnerung an Dich in mein Hirn und erzeugt Verlangen und Sehnsucht.
Am nächsten morgen stehe ich entsprechend gerädert auf. Mein Handy klingelt und deine warme Stimme ertönt. „Guten Morgen, hast du gut geschlafen?“ Ich stottere: „Ja … Nein. Ich konnte kaum schlafen, danke für den Abend.“
„Was machst du jetzt?“
„Ich geh jetzt ins Bad, dann frühstücken und dann sollte ich langsam losfahren, die Arbeit ruft.“
„Das Frühstück im Hotel ist klasse, sehr individuell, genieß es. Wann sehen wir uns wieder?“
„Möglichst bald. Hast Du Lust ein paar Tage zu mir zu kommen?“
„Ich werde sehen, wann ich es einrichten kann, jetzt geh erst mal frühstücken.“
Eine halbe Stunde später gehe ich die Treppe runter in das Frühstückszimmer. „Guten Morgen. Sie haben den Tisch 7, bitte“, lächelt die betriebsame Hotelwirtin freundlich. Als ich auf den Tisch 7 zugehe, sitzt du schon dort und lächelst mich verzaubernd und ein wenig schelmisch an.
„Du siehst sehr gut aus“, lächle ich zurück, glücklich das Kompliment von gestern endlich zurückgeben zu können.
„Na wie gefällt Dir meine Stadt?“, fragst Du immer noch schelmisch.
„Bisher habe ich nur die düstere Seite kennen gelernt.“
„Jetzt bist du schon seit gestern hier, und hast immer noch nichts gesehen, schäm dich!“
So zogen wir uns beim Frühstück noch gegenseitig mit viel Spass auf. „Ruft die Arbeit so stark, daß du nicht noch einen Tag hierbleiben kannst?“, fragst du schließlich. Ich kann, ich hatte nur Schreibtischtätigkeiten, die ich dann auf das Wochenende schieben konnte.
Du lächelst glücklich, ein Lächeln für das man alles geben könnte. Packst den Sextoykoffer von Leloy, den du mitgebracht hast und sagst: „Lass uns auf dein Zimmer gehen … spielen!“
Wieder zu Hause passiert folgendes: Es klingelt an der Haustür. Ich öffne sie und sehe, wie eine sexy gekleidete Dame mit einem Koffer in der Hand die steinernen Treppenstufen heraufkommt. Sie hat sich in der Klingel geirrt, findet meinen Nachbarn aber doch, wie nicht zu überhören ist. Ich lächele.