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Wie viel Eifersucht ist legitim?

Wie viel Eifersucht ist legitim?
Herr Mandelbrot. Wer ist dieser Mann, mit dem ich - ich muss es gestehen - seit gestern eine leidenschaftliche Affäre habe? Was ist mit mir los, dass ich nicht nur jede Vorsichtsmaßnahme außer Acht gelassen habe, sondern mich geradezu großhirnamputiert betrage? Ich bin mir nicht darüber im klaren, wer mir momentan unbekannter ist - er oder ich mir selbst!?
Herr Mandelbrot. Mit dem harten, klassischen Profil, aber den glühend heißen warmen braunen Augen - er erscheint unbestimmt fremd, wie aus einer anderen Zeit, doch genauso nah als kennten wir uns seit Ewigkeiten ... vertraut - obwohl ich ihm bei genauer Betrachtung nicht über den Weg traue dürfte, eigentlich ...
Unbestimmt, nicht fest gelegt ist alles bei ihm - weil ich überhaupt nichts über ihn weiß und alles nur meine Spekulation ist, meine Mutmaßungen sind - er sagt aber auch nichts. Jede meiner konkreten Fragen beantwortet er lediglich mit seinem unwiderstehlichen, sanften, spöttischen Lächeln ... unbestimmt seine Verhältnisse, unbestimmt sein Beruf, unbestimmt seine Herkunft, unbestimmt, unbestimmt, unbestimmt - und was über ihn stimmt? Besser: Was alles stimmt nicht?
Mandeln - kandiert und übersüß - mehr nicht?

Ich nehme seine letzte Aussage auf, dass es Paare gibt, die nach 20 Jahren immer noch zusammen sind und sich mehr lieben als am ersten Tag ...
"Das nenne ich Macht der Gewohnheit - nicht Liebe! Bloße Schönfärberei der Tristesse. Das Schlimmste. In gegenseitiger Verachtung ertragen sie sich eben, in Ermangelung denkbarer Optionen ... Die Zeit ..."
"Le temps," unterbricht er mich mit seinem haarfeinen Lächeln und bringt mich langsam aber sicher auf die Palme.
"Was? Die Zeit? - Wollen Sie mir ernsthaft sagen, es gäbe keine Zeit?"
"Nein, nein, keineswegs. Ich bemühe mich, die Zeit zu schmähen, ihr zu trotzen - ich will alles langsam machen, um sie zu verlängern, irgendwie ... Die Zeit, auch so etwas wie Ihr Chronograph erinnern uns nur daran, dass wir sterben müssen und dass alles verschwindet."
Sein Blick ist konzentriert auf die Weinflasche vor ihm, bevor er ihn zu mir hebt, aber dann wie durch mich hindurch blickt.
Ich merke, er hebt an, mich in seinen Keller zu führen. Dorthin, wo er seine Geheimnisse dem bedenkenlosen Zugriff der Welt entzieht ... Oder will er etwa nur mich, dort in einem Kerker einsperren, damit ich endlich mit meiner Fragerei aufhöre?
"Die Zeit," sagt er wieder, "egal, was die Zeit bringt, ich werde mich nie ändern ...", diesen letzten Zusatz wie zu sich selbst gesprochen ...
Halblaut seine Stimme, fern und wieder so verflucht ironisch, dass ich nicht nur zu viel habe, sondern, sondern ... gleichzeitig von blendender, massiver - unbestimmter - Eifersucht gepackt werde.
Wie kann ich so blöd sein, anzunehmen, ich sei seine erste Frau!? Sei die erste Frau, der er etwas über das Ausblenden der Zeit erzählt ... ich spüre all des Aufgesetzte der Zitate (wenn ich sie auch nicht namentlich zuordnen kann), spüre den Schauspieler, den Verführer, ja, den Schmierenkommödianten - oder will er mir etwas ganz anderes sagen?
Habe nicht ich ein Geständnis seiner Liebe zu mir verlangt, ein Gefühl der Dauer, eine Bestätigung für Beständigkeit? Hat er sie mir nicht zuckersüß und geräuchert soeben serviert? - Was für ein elender Schuft! Im Gegensatz zu mir, hat er mich sehr wohl längst durchschaut.
Plötzlich bin ich mir sicher, dass ich nicht die eine, einzige, endgültige Frau Mandelbrot bin - das ist mit Abstand das Schrecklichste, das mir je in meinem Leben passiert ist und was ich mir in diesem Augenblick vorstellen kann ...
Freilich entgeht ihm nicht, dass ich innerlich bebe.
"Was haben Sie?"
Anstatt versöhnlich lügend mit "nichts" zu antworten, sage ich der Wahrheit entsprechend:
"Ich bin eifersüchtig!"
"Sie vergeuden damit nur Ihr Leben."
Wie ich diese Besserwisserei hasse! Was glaubt er, wer er ist? Bin ich vielleicht irgendein x-beliebiges Dummchen von der Straße (obwohl wir uns eben dort kennengelernt haben ...)?

Sein Selbstverständnis, mit dem er ungerührt dasitzt, seine Sicherheit machen mich rasend und ich mache einen entscheidenden Fehler: Ich beginne wie gehetzt, gejagt zu sprechen, ohne Punkt und Komma - anstatt ihn reden zu lassen - ich weiß, die Zeit wäre gekommen, dass er mir alles über sich erzählt - aber ich höre nur meine geschwätzige Stimme, höre Kindheitserlebnisse, höre Kindheitsanekdoten, höre Boshaftigkeiten anderer Frauen, höre mich lamentieren über ungerechte Bezahlung von Frauen, ich höre mich vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen ... ich höre mich überstürzt, unüberlegt, ohne Ordnung, ohne Sinn, ohne Gleichklang mit ihm - ich höre mich einen ellenlangen Monolog halten ...
Was soll ich für eine Frau sein? Eine, die mit anderen Frauen als bessere konkurrieren will? Eine, die mit ihm die Zeit vergessen, ausblenden, schmähen will?

Der Gedanke an diesen meinen Auftritt schmerzt mich, denn ich schäme mich. Ein Gedanke, der nicht heilt und erst recht nicht vernarbt. Apropos Zeit - etwas, das nicht rückgängig gemacht werden kann, auch nicht mehr ausgebügelt werden kann - ja, schändlich habe ich mich verraten. Und ich finde keinen Trost dafür. Auch wenn jedes andere Leben auch so ist: Kaum sind wir in die Enge getrieben, verläuft der mächtige Fluss, Strom Leben zu einem all zu dünnen, farblosen Rinnsal - alles andere als etwas Besonderes ...

Aber noch viel mehr: Es ist mein Fehler, mein entscheidender Fehler, dass ich mit meinem Redeschwall ihn am Reden hindere, dass ich ihn stumm mache, obwohl die Zeit reif ist, dass er sich mir öffnet .... Aber meine Oberflächlichkeit, schlimmer: meine Eifersucht gegen jeden und alles, das droht mir Herrn Mandelbrot zu rauben, hat offenbart, dass ich nichts anderes bin als ... nein, nicht x-beliebig ... dass ich sogar hundsgemein bin ... nicht weil ich ihn nur für mich haben will ... nein ... weil ich ihn - unabhängig von allem Unbestimmten - weil ich ihn einfach liebe, mehr als alles liebe ... und deshalb nicht wieder verlieren will.
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