Es ist ein Balanceakt und zwar einer, der es Top nicht leicht macht. Ist er zu kuschel-flausche-vorsichtig, dann bekommt er vielleicht nicht das, was er will, was dann seine Dominanz untergräbt. Ist er zu bulldozerartig und prescht über jede Grenze, wird es Sub bald zu viel und entweder findet sie dann schnell einen Ausstieg oder sie nimmt Schaden.
Die meisten Tops wollen ihr Spielzeug nicht dauerhaft kaputt machen sondern lange Freude daran haben, werden also gewisse Sicherheitsmaßnahmen schon allein aus diesem Grund nutzen. Und wenn man Glück hat, sind sie sogar Menschen, denen das Wohlergehen des anderen Menschen wichtig ist, unabhängig jeder Machtverhältnisse.
Als Sub sollte man sich nicht selbst komplett aufgeben, denn man fühlt sich hinterher dann nicht gut sondern schlecht. Vor allem, weil man wahrscheinlich nicht die gewünschte Rückmeldung bekommen wird, die man dafür erwartet hätte. Also mal ein Beispiel: Sub hasst anal, ist halt so und wurde vorher so kommuniziert. Nun ist Top im Eifer des Gefechts und will unbedingt anal, weil er gerade nicht daran denkt, dass sie das ja nicht möchte. Er steckt also seinen Finger oder Penis rein oder versucht es zumindest.
Normalerweise würde Sub sich melden auf irgendeine Art und mitteilen, dass das mal so gar nicht geht. Top würde sich erinnern, sich entschuldigen, direkt damit aufhören und etwas anderes machen. Hinterher würde er sich vielleicht noch mal entschuldigen und beide würden drüber reden und sich einigen. Die nächste Session wird dann unbelastet starten können.
Wenn Sub aber vom Gedanken der Selbstaufgabe oder der absoluten Hingabe angetrieben wird, dann läuft dieser Fehler ganz anders. Top fickt munter anal weiter, sie hat ja offensichtlich nichts dagegen. Aber sie leidet, es tut ihr vielleicht körperlich weh oder seelisch oder beides. Wenn sie "Glück" hat, fängt sie an zu weinen oder sie bekommt Panik oder zeigt sonstige körperliche Zeichen, sodass Top merkt, es stimmt was nicht. Er bricht ab, versteht die Situation aber nicht und wundert sich, warum die Sub so reagiert. Wenn ihm dann wieder einfällt oder später von Sub gesagt wird, dass sie doch gesagt hat, dass anal gar nicht geht, dann wird er sich fragen, warum Sub nicht direkt stop gesagt hat, warum sie sich und ihn in eine so unschöne Situation gebracht hat, warum sie ihn so bloßgestellt hat vielleicht, ob er ihr dann überhaupt noch vertrauen kann, wenn er nicht weiß, ob sie überhaupt stop sagen kann im Notfall und so weiter. Es wird also viel Aufarbeitung notwendig sein und trotzdem könnte ein Riss bleiben. Und Sub wird diese negativen Gefühle und Gedanken auch abbekommen, anstatt ein erhoffte Lob für ihre Hingabe und so weiter. Dann wird sie merken, wie tief sie gesunken ist und sich schämen und schlecht fühlen. Das ist nicht das gewünschte Resultat.
Wenn Sub dagegen Pech hat, dann wird Top nichts davon merken, dass es ihr nicht gefallen hat. Also wird er, falls ihm wieder einfällt, dass sie es eigentlich nicht wollte, glauben, sie habe diese Grenze überwunden. Er wird also beim nächsten Mal wieder von dieser neuen "Fähigkeit" Gebrauch machen, sie wird es wieder aushalten, denn sie will ja dann auch nicht mehr zugeben, dass sie es immer noch nicht mag. Und er hat gelernt, dass Subs Grenzen nicht so fest sind, wie sie schienen, also wird er im schlimmsten Fall versuchen, auch noch andere Grenzen auszuhebeln. Was sie entweder auch aushält, weil "totale Hingabe" oder sie sperrt sich und er wundert sich, warum. Oder sie kommt einfach nicht mehr wieder und er versteht noch nicht mal, was passiert ist.
Natürlich war das jetzt ein leicht übertriebenes Beispiel, denn ich denke nicht, dass man als Top vergessen kann, dass jemand anal nicht mag. Aber es gibt kleine Dinge, Dinge, die man als Top leicht übersehen oder vergessen kann und wenn Sub dann schon einfach drüber weg geht und ihre eigenen Grenzen zugunsten des Tops zurück stellt, sind die Weichen für das im Beispiel beschriebene schon gestellt.
Hingabe ist gut, aber immer nur so weit wie man es mit sich selbst vereinbaren kann. Und am besten immer klar kommuniziert, vor allem, wenn man "Extras" gewehrt, also bei kleinen Grenzverstößen den Mund hält, sollte man vielleicht hinterher sagen, dass das über die Grenze war und dass man dazu neigt, solche Dinge zu tolerieren, wenn sie nicht zu extrem werden. Dann kann Top sich entweder darauf einstellen oder verlangen es anders zu machen.