Liebe Svenja
Im kleinen Universum Plattenbau gibt es so viele Kommunikationsarten wie Bewohner. Wir Menschen können nur die wenigsten davon entschlüsseln, wenngleich wir denken, wir hätten unsere Mitgeschöpfe schon verstanden. Die folgende Geschichte ist wirklich passiert. Irgendwo. Irgendwann. Vielleicht in Berlin. Vielleicht in Höhfröschen. Was spielt das schon für eine Rolle? Sie wurde zwar in einer fremden Sprache niedergelegt, aber ich habe sie, exklusiv für Joy-Club Leser übersetzt. Folgen Sie mir also, wenn Sie mögen, auf einen Ausflug in un altro piccolo mondo.
Fast schon wie üblich bei mir, ist die folgende Geschichte kein bisschen erotisch. Oder vielleicht doch? Wenn man ganz genau hinsieht? Aber entscheiden Sie selbst!
Die Schlafzimmertür steht einen Spalt weit offen. Der brünstige Duft der Pheromone zieht mächtige Spuren durchs ganze Haus und findet hier das Epizentrum der nächtlich-zuckenden Eruptionen, die von einem stets lauter werdenden Summen, ähnlich dem eines Schwarmes anrückender Hummeln, eingeleitet wurden.
Für meine Ohren waren die Begleitgeräusche sicher nicht bestimmt. Aber es ist schon ein Kreuz, wenn Mitbewohner oder Nachbarn nachts Randale machen, während man selbst schlaflos daliegt und weder was zu lachen noch was zu ficken hat. In meiner Not habe ich ein bisschen das Kissen gerubbelt. Keine gute Lösung. Ob die Leute wissen, was sie da tun? Die ganze Umwelt mit Paarungsgeräuschen und Brunftspuren versauen? Macht man das? Wo bleibt die Contenance?
Ich kratze mich am Ohr. Soll ich es wagen? Klar, das ist verbotenes Terrain und verletzt auch vermutlich die Intimsphäre. Oder? –
Scheißdrauf. Ich machs. Auf mich nimmt ja auch keiner Rücksicht. Ich stoße die Tür auf und sehe mich in Ruhe um. Da liegen noch ein paar Nylons auf dem Boden. Gleich daneben ein Slip. Ich rieche mal dran. Menno.
Eine Runde ums Bett. Sehen was es noch so gibt. Andere Seite. Unterhose. Feinripp. Gelbe Flecken. Testosteronschwanger. Ahja. Die Geruchsprobe erspare ich mir diesmal. Den Gestank kenne ich.
Wie man wohl in dem Bett liegt? Das ist sicher pervers, was ich da mache, aber ich kann nicht gegen meine Natur. Ein Satz und ich bin drin. Bisschen dran schnüffeln und schon entdecke ich die Spur des Mädchen-Slips.
Das ist die beste Stelle.
Ich mache mich genau dort lang und denke eine Runde nach.
Die Optionen checken.
Viele sind es nicht und bei genauer Betrachtung, ziehe ich vermutlich in jedem Fall den Kürzeren. Egal.
OK.
Ich entscheide mich für einen Brief an das Mädchen.
Im Kopf sortiere ich schon mal die Textbausteine. So was will ja wohlüberlegt sein. Bei der Anrede geht es schon los. Ich kann mir diese blöden Namen nicht merken. Wie heißt sie noch mal? Svenja? Silja? Sonja? Katja? Dunja? Anja? Irgendwas mit A am Ende. Ich entscheide mich für Svenja. Es wird schon nicht so wichtig sein. Also:
Liebe Svenja,
seit geraumer Zeit schaue – und vor allen Dingen höre – ich mir dieses nächtliche Treiben an. Du wirst sicher verstehen, das ist nicht schön für mich. Du kennst mich jetzt seit Jahren und könntest wissen, was ich für Dich empfinde. Könntest! Hast Du Dir EINMAL die Mühe gemacht, mir zuzuhören? Ernsthaft? Ich habe es an deutlichen Botschaften und Signalen nun wirklich nicht fehlen lassen. Immer wenn es Dir schlecht geht, wenn Du einen brauchst, bei dem Du Dich ausheulen kannst, stehst Du vor mir. Ich kanns dann wieder richten. Jahaaa, dann bin ich der Gute, der Treue, der Brave! Who, the fuck is Mörfi?
Der Depp bin ich! Der D E P P! Hörst Du, Silja? Du lässt Dir meine Zärtlichkeiten gefallen, aber hast Du jemals zu zucken begonnen, wenn ICH Dir die auch nur die Hand geleckt hab? Hast Du jemals gesummt und gebrummt wie eine Hummel wenn ICH…? Haste MICH jemals mit ins Bett genommen? Dich für mich ausgezogen, getropft und gut gerochen?
Nä. Haste nicht. Ich bin ja nur der Depp. Der beste Freund. Manchmal. Ich bin ganz schön enttäuscht von Dir, Sonja. Das muss ich schon sagen. Hier gehen die Typen ein und aus. Aber:
He! Katja! Ich wohne auch hier! Seit 11 Jahren! Kann sein, dass ich Deine Verachtung zu spüren kriege, wenn Du diese Botschaft liest. Ich werde ja immer mit Nichtachtung gestraft, wenn Dir grad was nicht passt. Oder wenn Du was Leckeres gekocht hast. Konntest Du Dich JEMALS dazu überwinden MICH einzuladen, Dunja? NICHT EIN EINZIGES MAL! Und die Reste, die Du mir gelegentlich in einem Anfall von Großmut stehen lässt… Bäh!
Nä. Jetzt ist Schluss, Anja. Ich muss Dir nun endlich begreiflich machen, dass es SO nicht weitergeht. Falls Du es Dir noch mal überlegst: Ich bin bereit Dir zu verzeihen. Du weißt ja, wo Du mich findest. Sonst werde ich andere Saiten aufziehen. Fordere es nicht heraus!
Nix für ungut. Aber das musste jetzt mal gesagt werden.
Dein Dich liebender
Mörfi
Ich sortiere noch einmal die Textbausteine, versehe sie mit den passenden Chemikalien und jage fix den Spell-Checker darüber. Man will sich ja schließlich nicht blamieren. So. Fertig. Ich hebe das rechte Hinterbeinchen und platziere die umfangreiche Botschaft direkt unterhalb des Kissens, so zentral, dass sie die Nachricht direkt findet, wenn sie nach Hause kommt.
Erledigt.
Zeit für einen Mittagsschlaf.