...damals fühlte ich mich als "nicht normal"
Ich habe im zarten Alter von 19 Jahren meinen damals ersten Mann geheiratet. Er war 18. Wir waren beide noch in der Ausbildung und wollten schnellstmöglich dem Elternhaus entfliehen und er dem Wehrdienst. Das ist jetzt 36 Jahre her. Ausser den pragmatischen Gründen war auch Liebe im Spiel. Im gleichen Jahr lernten wir beide einen Kollegen aus meiner Klasse kennen und wir waren danach jahrelang super befreundet: wir fuhren zusammen in Urlaub, ich verbrachte Nächte bei ihm, wenn es mir zuhause eng wurde. "1000 mal berührt, 1000 mal nichts passiert." Mit den Jahren jedoch stellte ich für mich fest, dass ich beide Männer in meinem Leben haben möchte, da ich jeden auf eine andere Art liebte. Das war so im 7. Ehejahr und ich konfrontierte Beide mit diesem Gedanken, in einer 3-WG zu leben. Und was passierte?
Verständnislose Gesichter der beiden und das käme wohl nicht in Frage. Ich wusste damals nicht, dass es Polyamorie gibt (es gab ja noch kein Internet und in den Medien oder um einen herum ist nie dieser Begriff gefallen - Polygamie schon, aber das ist ja was ganz anderes). Also fühlte ich mich damals "nicht normal". Mit meinen Bedürfnissen allein gelassen, musste eine Entscheidung treffen. So blieb ich bei meinem Ehemann und wir waren weiterhin befreundet. Ein paar Jahre später kam unser einziges Kind und während eines wieder mal gemeinsamen Urlaubes (mittlerweile schrieben wir das Jahr 1995) hielt ich es nicht mehr aus und traf wieder eine Entscheidung, diesmal für den Freund.
Daraufhin folgten Auszug, Scheidung und Neuanfang.
Unser Kind hatte nun zwei männliche Bezugspersonen, den Freund täglich, seinen Vater nach Bedarf.
Wir führten nach Anfangsschwierigkeiten wieder eine freundschaftliche Beziehung zu dritt, diesmal mit vertauschten Rollen. Mein Ex-Mann fand auch bald wieder eine Partnerin, bekam noch ein Kind und nun waren wir zu viert mit zwei Kindern. Getrennt wohnend, zusammen in Urlaub fahrend, Freizeit verbringend. Da war untereinander kein Sex im Spiel, hier ging es um Freundschaft.
Und das alles nur, weil ausser mir niemand der Beteiligten sich je ein polyamores Leben vorstellen konnte.
Nun ja, meinen neuen Partner durfte ich bis vor knapp elf Jahren an meiner Seite haben.
Nach seinem Tod fiel ich in ein tiefes Loch, wurde aber von meinem Exmann und seiner Familie, auch von Freunden sehr lieb aufgefangen.
Zwei Jahre später lernte ich einen Mann aus der Swingerszene kennen und kam dadurch auch mit dem Joyclub in Berührung. Es folgte eine Zeit, in der ich mich sexuell ausleben konnte (mit ihm zusammen).
Es war eine Erfahrung, die ich so nicht kannte. Es war jedoch wieder eine monogame, jedoch offene Beziehung. Letztendlich scheiterte diese vor drei Jahren.
Ich suche auch nicht nach dem "Einen", da bin ich überzeugt, den gibt es nicht.
Was ich mit meiner Geschichte sagen möchte ist, dass ich mir erst heute bewusst darüber bin, dass ich gleichzeitig mehrere Menschen lieben kann und möchte. Und das hat nicht unbedingt etwas mit Sex zu tun. Natürlich geniesse ich auch Sexualität und die ist für mich mit einer vertrauten Person erfüllender.
Und ich möchte mich nie wieder in meinem Leben zwischen Menschen entscheiden müssen, die ich liebe und die mich lieben.