Zu diesem Thema fiel mir folgende Geschichte ein...
Es gab einmal eine große Stadt. Allgemein war sie so, wie heutige Städte auch. Niemand wusste warum, aber in dieser Stadt war es verpönt über Blumen zu sprechen. Aber insgeheim konnten die meisten Einwohner den Blumen doch Positives abgewinnen. Viele von ihnen widmeten ihren Blumen im verborgenen gerne viel Zeit. Einige errichteten sogar ganze Gärten, die von der Gesellschaft abgeschirmt waren. Am Rande der Stadt gab es einen ganz besonderen Ort. Das Haus der Blumen. Es war ein riesiges Gebäude, von dem die meisten Einwohner der Stadt nichts wussten. In diesem Haus wimmelte es nur so von Blumenliebhabern. Sie verkehrten dort, um sich gemeinsam der Pflanzen zu erfreuen, die sie liebten. Es fanden sich dort Menschen aus jeder sozialen Schicht. Die Vielfalt der Pflanzen, die sie so liebten, waren unbeschreiblich.
Jeder Gast des Hauses musste ein großes Tor passieren. Dort wurden Neuankömmlinge von mehreren Mitgliedern der Gesellschaft empfangen. Die Mitglieder waren neugierig und wollten vieles wissen. Sie wollten sich überzeugen, dass die neue Person zu ihnen passt. Es entzückte sie, wenn die Neuen von ihrer Leidenschaft erzählten. Am liebsten ließen sich sich alles ganz genau beschreiben. Sie waren es gewohnt die lateinische Nomenklatur zu verwenden. Die neuesten Erkenntnisse der Botanik waren ihnen wohl bekannt und viele von ihnen waren Besitzer der ausgefallensten Gartenwerkzeuge.
Eines Tages stieg eine Einwohnerin der Stadt die Treppe zum großen Tor empor. Sie wurde sogleich von Mitgliedern der Gesellschaft begrüßt. Ihre Augen strahlten vor Freude, denn sie war froh diesen Ort gefunden zu haben. Die Blumenliebhaber fragten sie sofort, wie ihre Lieblingsblume heisst. Sie zuckte etwas verunsichert zurück und sagte, dass sie es nicht wüsste. Die Blumenliebhaber sagten, dass sie doch wenigstens den Genus wissen müsste. "Was ist ein Genus?", fragte sie. Da wurden die Blumenliebhaber zornig. "Du weisst den Namen deiner Lieblingsblume nicht? Noch nicht einmal ihren Genus? Und du möchtest dich eine Blumenliebhaberin nennen? Du passt nicht zu uns! Du gehörst nicht hierher! Du bist hier unerwünscht!"
Die unwissende Einwohnerin fühlte sich so klein und wertlos. Weinend stieg sie die Treppe zum Haus der Blumen wieder herab. Während sie versuchte die Zurückweisung zu verarbeiten, ging sie spazieren. Sie folgte einem unscheinbaren Pfad, der um das Haus der Blumen herum führte. Plötzlich sah sie einen Spalt in der Mauer. Sie sah die feine Gesellschaft dahinter, die sich ihrer Blumen erfreute. Sie verdrängte die Schmach und begann sich durch den Spalt hindurchzuzwängen. So gelang es ihr schließlich ins Haus zu kommen. Doch ihre Kleidung war dreckig und zerrissen.
Von Neugier und Liebe zu Blumen geleitet mischte sie sich unter die Menge. Sie begann die vielen verschiedenen Blumen zu bewundern. Sie nahm ihren Duft wahr und schloss in Genuss ihre Augen. Aber die feine Gesellschaft sah, dass sie nicht durch das Tor gekommen sein konnte. Sie umringten die Neue und fragten sie, wer sie hineingelassen hat. Sie erzählte ihnen von der Begegnung am Tor und viele Mitglieder der Gesellschaft fanden es gut, dass es ihr nicht geöffnet wurde. Ein Blumenliebhaber trat vor und sagte zu ihr: "Wenn du denkst, dass du zu uns gehörst, dann musst du es beweisen. Wir brauchen wenigstens einen guten Grund." Sie sah eingeschüchtert in die vielen Gesichter um sie herum. Dann griff sie in ihr zerrissenes Jäckchen und brachte eine Blume hervor.
Es wurde vollkommen still im Raum. Die Mitglieder der feinen Gesellschaft haben so eine Blume noch nie gesehen. Sie trug die schönsten Farben und ihr Duft war absolut bezaubernd. Langsam breitete sich ein Murmeln in der Menge aus. Die Blumenliebhaber diskutierten darüber, um welche Blume es sich handeln konnte. Doch sie konnten sich nicht einig werden. "Wie heisst diese Blume?", fragte schließlich einer von ihnen direkt. "Ich weiss es nicht", antwortete sie. "Du weisst nicht wie sie heißt? Woher hast du sie?" "Von niemandem.", sagte sie verwirrt, "Sie ist bei mir zuhause gewachsen." Dann begann sie auf verschiedene Blumen zu zeigen und erklärte: "Am Anfang hatte ich eine von denen. Und dann kam so eine hinzu. Ich habe sie...", sie wusste nicht wie sie es sagen sollte "...zusammengemacht." "Und dann habe ich noch so eine gefunden und habe die beiden zusammengemacht. Und so habe ich diese Blume bekommen." Ihre Augen strahlten, als sie ihr Blume hochhob, so dass alle sie sehen konnten.
Die Mitglieder der Gesellschaft der Blumenliebhaber waren sprachlos. Es war die schönste Blume, die sie je gesehen haben. Manche baten die Neue um Verzeihung und beteuerten, dass sie gerne in ihrer Mitte gesehen ist. Noch mehr von ihnen begann darüber nachzudenken, wie oberflächlich sie oft miteinander umgegangen sind. Viele begannen sich daran zu erinnern, dass sie ursprünglich nicht wegen der anspruchsvollen Gespräche Mitglied geworden sind, sondern wegen ihrer Liebe zu Blumen. Die meisten sahen ein, dass es schade wäre, wenn noch mehr solche Blumenliebhaber, wie ihr neuestes Mitglied, nur aufgrund von fehlendem Wissen und Vokabular von ihrer Gesellschaft ausgeschlossen werden würden.
Seit diesem Tag wurde jede Person, die vor dem großen Tor ihre Liebe zu Blumen erklärte, herzlich hineingebeten und die Mitglieder der Gesellschaft der Blumenliebhaber boten dem neuen Mitglied ihr Wissen und ihre Hilfe an, damit sie sich alle gemeinsam an dem erfeuen konnten, was sie liebten: Blumen.