Ich denke, dass hier 2 Dinge vermischt werden:
Das eine ist, dass es keine Wertung (besser, schlechter) zwischen unterschiedlichen sexuellen Orientierungen geben sollte. Es wäre fein, wenn wir verschiedenen sexuellen Orientierungen allen gleichwertig begegnen könnten, ohne dass irgendwas als "normal"-"unnormal", "besser"-"schlechter" usw. bewertet würde. Damit verbunden auch die Achtung von Personen als Personen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung.
Das andere ist, dass Menschen einfach unterschiedlich gestrickt sind. Und daher halte ich es ebenso für falsch, Menschen von etwas Anderem "überzeugen" zu wollen als dem, was sie selbst fühlen und sexuell interessant finden (aus sich selbst heraus).
Mir kommt manchmal vor, dass die Akzente in solchen Diskussionen in mehrere Richtungen ungut ausschwenken.
Die einen wollen unbedingt auf Schubladen bestehen und diese abgrenzen (was ist noch hetero und abenteuerlustig, was ist schon bi ... usw.)
Andere wiederum wollen dann doch festhalten, dass es irgendwie "besser" ist, wenn man (auf Grund von Bisexualität) mehr Erfahrungen machen kann und die, die das nicht wollen einfach nur verklemmt sind.
Als jemand, der seit der Jugend in der LGBT-Bewegung verhaftet ist verstehe ich auch, dass manche Menschen empfindlich reagieren, wenn sich jemand hinter einem Begriff wie "hetero" versteckt (oder man das zumindest vermutet) - aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung. Viele Menschen haben viel investiert, um diese Ächtung aufzubrechen und sehen es - verständlicher Weise - nicht gerne, wenn jemand das nicht wertschätzt.
Ich selbst habe mich (aus Respekt vor lesbischen Frauen und bisexuellen Menschen ) lange Zeit als "sexuell flexibel" (und nicht als bisexuell) beschrieben, weil ich schon immer gerne Sex mit Frauen habe, mich aber noch nie in eine Frau verliebt habe. Und ich wollte einfach nicht respektlos gegenüber "wirklichen" bisexuellen Menschen sein (ich dachte, dass das nur dann "wirklich" ist, wenn man sich auch in beide Geschlechter verliebt).
Heute sehe ich das so, dass meine Achtung und Wertschätzung Menschen oder einer Bewegung gegenüber nicht dadurch ausgedrückt wird, welche Begriffe ich verwende, sondern wie ich mich generell verhalte. Und ich weiß heute auch, dass andere Menschen das wahrnehmen können und das auch tun. Wiewohl ich freilich noch immer versuche, mit Sprache umsichtig umzugehen.