Beim Lesen des Threads sind mir spontan so einige Fragen durch den Kopf geschossen, und ich hoffe, es führt nicht zu weit vom Thema weg, wenn ich die hier einfach mal stelle. Zuerst möchte ich aber meine persönlichen Erfahrungen mit offenen Beziehungen hier kurz darlegen, um auch was für den TE geleistet zu haben.
Bisher hatte ich zwei offene Beziehungen, meine erste Ehe und meine aktuelle Beziehung. In meiner ersten Ehe waren wir beide noch sehr jung und naiv, hatten uns nicht ausführlich genug mit dem Thema beschäftigt und dementsprechend ging das tierisch in die Hose. Innerhalb kürzester Zeit verliebte mein Mann sich in seine Affäre, ich war abgeschrieben und wurde von heute auf morgen verlassen. Unser Fehler: Fehlende Kommunikation, fehlende Regeln, fehlende Wertschätzung. Im Nachhinein bin ich zwar ganz froh, dass es so gekommen ist, denn er war offensichtlich eh nicht der Richtige.
Zum Glück bin ich jetzt etwas älter, weniger naiv und deutlich reflektierter.
Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir unsere Beziehung "offen" gestalten wollen, also dem Partner, wenn er das Bedürfnis hat, auch gewisse sexuelle Erfahrungen mit anderen Menschen gönnen wollen. Bisher muss ich sagen, dass ich gar nicht das Bedürfnis habe, mit irgendwem anderes aktiv zu werden. Klar, manche Sachen lassen sich nur mit Mitspielern verwirklichen, und da sind wir auch dabei. Bisher hat sich da bei mir auch noch keine Eifersucht eingestellt, ich habe immer das Gefühl, seine Nummer 1 zu sein. Andersrum genauso.
Ich denke also, ob eine offene Beziehung bereichernd oder zerstörerisch ist, hängt sehr von diversen Faktoren ab, die hier im Thread ja schon von einigen Personen benannt wurden.
Nun zu meinen Fragen, oder auch Anmerkungen, die im Laufe des Threads aufkamen.
1) Irgendwo stellte jemand die These auf, dass Polyamourie ähnlich funktioniert wie Heterosexualität oder Homosexualität. Die Veranlagung dazu ist da oder eben nicht, kann nicht erarbeitet oder erzwungen werden. Mit dieser These gehe ich erstmal mit, meiner Meinung nach gibt es Leute, die mono ticken, andere wiederum poly.
Aber was machen poly veranlagte Menschen, denen die Gabe der Kommunikation nicht gegeben ist? Es gibt Menschen, die sind nicht wirklich in der Lage, ihre Gefühle und Befindlichkeiten wirklich zu kommunizieren, was aber absolute Grundlage für eine offene Beziehung ist.
2) Oft war hier auch zu lesen, dass exklusive Beziehungen dergestalt sind, dass die Partner nicht offen miteinander kommunizieren oder sogar ihre sexuellen Wünsche ihrem Partner überhaupt nicht mitteilen können. Woher kommt diese Einschätzung?
3) Ein anderes Mal war zu lesen, monogame Beziehungen blieben oft nur bestehen, weil der Mann eine billige Putze braucht und die Frau nicht auf die finanzielle Versorgung verzichten will. Und da frage ich mich: Echt jetzt? Sind wir aus den Zeiten nicht langsam raus, dass Männern unterstellt wird, sie könnten nicht selbst einen Haushalt führen, und Frauen unterstellt wird, sie könnten nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen? Kennt ihr wirklich noch Paare, in denen das so läuft? In meinem Freundeskreis ist das nämlich nicht mehr so.
4) In einem Beitrag kam die Forderung auf, dass der Part in einer bisher monogamen Beziehung, der keinen Sex mehr möchte, aus welchen Gründen auch immer, den Partner "freigeben muss". Wenn ich aber jetzt davon ausgehe, dass die unter (1) genannte These zutrifft, würde sich das Leid doch nur verschieben. Entweder leidet dann der sexlos lebende Partner, der jetzt also freigeben soll, oder beide leiden, weil beide nicht poly veranlagt sind und der jetzt außerhalb agierende Partner hat ständig ein schlechtes Gewissen.
Was für Lösungen könnte es hier geben?
Falls meine Fragen zu weit vom Threadthema wegführen, diskutiere ich auch gerne per Mail weiter, mag ja nicht den Thread zerstören oder entführen.