Wenn man sich für eine gemeinsame Beziehung unter bestimmten Verhältnissen entschließt - dazu gehört auch Sex, der ja in fast jeder Beziehung anfangs mehr oder weniger häufig stattfindet - dann halte ich das "Verweigern" von Sex genauso für eine Aufkündigung dieser Verhältnisse. Besonders wenn ein Part das für sich so entscheidet, keinen Grund angibt, nicht darüber reden möchte, aber vom anderen Part verlangt, das einfach zu akzeptieren (und sich nicht anderswo holen zu dürfen). Für mich wird durch dieses Verhalten die Beziehung genauso "verraten" wie durch fremdgehen - keines von beiden ist irgendwie besser oder schlechter.
Es ist nicht oberflächlich, in einer Beziehung guten Sex zu wollen. Es geht dabei nämlich nicht ums reine Rein-Raus. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, was einer meiner Sexpartner durchgemacht hat, bevor er sich schließlich von seiner Frau hat scheiden lassen. Es ging nicht einzig allein darum, dass ihm der Sex fehlte. Ihm fehlte es, als Mensch und Mann begehrt und angenommen zu werden, zärtlich berührt zu werden, um die Bindung, die beim Sex entsteht, um das Lachen und die lustigen Momente, um die Innigkeit und Vertrautheit, einem geliebten Menschen so ultimativ nahe zu sein.
An Sex hängt für viele deutlich mehr dran als nur ein Orgasmus.
Und es war nicht schön, ihn deswegen weinen zu sehen. Sein fremdgehen war nichts, was ich beklatscht hätte, aber nachvollziehen konnte ich es durchaus. Er hat dadurch erst verstanden, dass das keine Beziehung mehr ist, die er weiterhin führen möchte, weil ihm die liebevolle Zuwendung fehlte, die für ihn nunmal beim Sex am besondersten war. Meist verweigert ein Part ja nicht nur reinen Sex, sondern Zuwendung allgemein. Das Liebevolle, Zärtliche kühlt merklich ab. Dass einen das völlig verzweifeln lässt und ein Mensch nach körperlicher Liebe schreit, ist für mich absolut verständlich.
Nur wäre ab dem Zeitpunkt, an dem ich keine Zuwendung mehr erfahre, für mich eine Beziehung auch Geschichte. Diese Erkenntnis ist sicherlich beängstigend, aber ich würde nicht mein restliches Leben mit einer Person verbringen wollen, die sich mir nicht zuwenden will. Die sich abwendet, mich ablehnt. Ich denke nicht, dass das irgendwer verdient hat und niemand muss sich so etwas aufbürden. Wer in einer erkrankten Beziehung bleibt, entscheidet sich auch bewusst für diesen Schmerz. Ist es das wirklich wert?
Ich glaube nicht, dass fremdgehen dabei eine dauerhafte Lösung ist, wenn man nach Hause kommt und weiterhin diese Kälte spüren muss.
Probiert es aus. Mein Freund hat es auch ausprobiert, ist mir fremdgegangen und hat dann neben seiner Affäre im Bett geheult. Und glücklicher wurde er dadurch zu Hause auch nicht. Das ging erst durch klare Kommunikation.
Sicher, für ein paar Augenblicke war es schön, wieder einen Körper bei sich zu spüren, eine Frau bei sich zu haben, die einen
wollte. Aber am Ende des Tages kommt man ja doch nach Hause und nichts wird sich dort verbessern, wenn man nicht miteinander redet und die Karten offen auf den Tisch legt.