*******dler:
Zeit für Erfahrungsberichte!
Ich kann nur einen Bericht aus der Sicht der "Verweigerin" schreiben. Ist vielleicht auch mal ganz nett, nicht nur die eine Seite zu hören.
Ich habe Sex zeitlebens als etwas Schlechtes kennengelernt. Ich habe gelernt, dass es etwas ist, das Männer selbstverständlich und zum Teil auch aggressiv und übergriffig von Frauen einfordern (ich wurde mehrfach sexuell belästigt), und ich habe gelernt, dass Frauen wiederum Sex als Waffe einsetzen, um Männer zu manipulieren und zu erpressen. Bis vor etwa eineinhalb Jahren hat mich Sex nicht die Bohne interessiert, ich fand es sogar abstoßend.
Als ich meinen Freund vor über acht Jahren kennenlernte, war ich noch Jungfrau. Ich habe mich, verängstigt wie ich war, dem Sex gefügt, weil ich befürchtete, für ihn sonst uninteressant zu sein. Wir hatten anfangs sehr viel Sex und ich fand ihn nie gut - es hat mir einfach nichts gegeben. Nach der Geburt meines Kindes hatte ich lange Zeit dabei auch Schmerzen. Trotzdem wollte ich es versuchen, wollte jemand sein, der Sex genießen und schätzen kann und habe ein paar Monate so viel Sexuelles mit meinem Freund ausprobiert, dass er regelrecht überfordert mit mir war, nur damit ich vielleicht irgendetwas am Sex finden könnte, das mir Spaß macht. Aber das habe ich damals nicht.
Anschließend hatten wir fünf Jahre durchgehend keinen Sex. Es war ein schleichender Prozess, in dem ich immer weniger Initiative zeigte und meinen Freund nur noch über mich drüberrutschen ließ. Für ihn war es frustrierend, weil er merkte, dass mich Sex nervte, und mich wiederum nervte es, dass jede seiner Annäherungsversuche und Zärtlichkeiten in Sex münden wollten. Also habe ich damit angefangen, selbst sexfreie Intimitäten abzulehnen, aus Angst, er könnte wieder nur das Eine von mir wollen. Ich habe ihm diesbezüglich immer weniger vertraut, weil jede Erwiderung einer Umarmung oder eines Kusses für ihn eine Weile ein Zeichen war, dass später im Bett was laufen könnte.
Ich hatte wahnsinnige Angst ihm zu sagen, dass ich Sex hasste. Das ich absolut keinen Sex wollte, nicht mit ihm und auch mit sonst niemandem, weil es für mich nichts Positives daran gab und ich zudem bis dahin so gut wie nie sexuelle Erregung verspürt hatte. Ich masturbierte ja nicht einmal.
Das erste Mal betrog er mich nach etwa zwei Jahren mit einer Arbeitskollegin. Er meinte, er wollte damals einfach nur mal wieder eine Muschi in der Hand haben. Er hatte keinen Geschlechtsverkehr mit ihr, sondern hat sie immer nur mit der Hand befriedigt, hat sich aber selbst nie anfassen lassen. Er beendete es, als sie sich in ihn verliebte.
Ein Jahr darauf traf er sich öfter mit einer älteren Frau, mit der laut seiner Aussage nie mehr passierte als Knutschen. Es hielt auch nur sehr kurz, dann hatte er kein Interesse mehr. Er bezeichnete es als "Experiment".
Das Problem an der Sache war nicht nur, dass ich nicht ehrlich sagen konnte, dass Sex für mich schrecklich ist und sich dabei absolut nichts bei mir regte - er selbst hat auch nie darüber sprechen wollen. Wir haben es beide totgeschwiegen und ausgesessen.
Nach vier Jahren ohne Sex und einer Zeit, in der wir nur noch zusammen lebten, aber keine Zärtlichkeiten mehr austauschten und praktisch wie in einer WG wohnten, wurde mir klar, dass, wenn es so weiter ging, ich ihn verlieren könnte. Also sprach ich zum ersten Mal das Thema offene Beziehung an. Zum einem, weil ich es damals als Erleichterung empfand, wenn er für Sex einfach jemand anderen hätte und mich damit in Ruhe ließ, zum anderen, weil ich für mich beschlossen hatte, generell keine Besitzansprüche mehr an irgendjemandes Körper zu stellen.
Ein halbes Jahr darauf betrog er mich nochmal (die Beziehung war noch nicht geöffnet, wir sprachen nur darüber), diesmal mit einer längeren Affäre (mit Sex), für die er auch Gefühle entwickelte, die aber schlagartig verdorrten, als sie anfing, ihn zu stalken, weil sie ihn für sich haben wollte.
Es war das einzige Mal, dass ich mich im nachhinein geärgert habe, weil er anfangs sich herauszureden versuchte, indem er meinte, er dachte, unsere Beziehung sei da schon offen gewesen, und weil wir ohnehin darüber sprachen, er diesen Prozess aber nicht abwarten konnte. Und weil er, als ich ihn später fragte, ob er mich jemals betrogen hätte, zuerst gelogen hatte, weil er dachte, ich würde ihm deswegen eine Szene machen. Na ja, sei's drum. Ich nehme ihm das Fremdgehen bis heute nicht krumm, nur das Herumdrucksen und Lügen hat mich genervt.
Kurz nach dieser Affäre beruhigte sich alles und ich entwickelte wider Erwarten zum ersten Mal eine Libido. Wir hatten Sex und zwar oft und guten. Wir sprachen endlich über unsere sexuellen Wünsche und ich habe das Gefühl, dass wir zu diesem Zeitpunkt "neu" zusammenkamen und uns wirklich aufeinander einließen. Ein paar Monate später öffneten wir die Beziehung.
Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung würde ich mich daher immer wieder für die Offenheit und Ehrlichkeit entscheiden, wenn in der Beziehung was arg zwickt. Hätte ich einen Gesprächsverweigerer an meiner Seite, würde ich eventuell noch eine Paartherapie in Betracht ziehen, weil mein Freund und ich das aufgrund einer anderen Problemsituation mal gemacht haben und es sehr geholfen hat, unsere Kommunikation zu verbessern.
Wird auch das abgelehnt - nun ja, wie gesagt: Ich drehe keinem einen Strick, wenn er aus Verzweiflung fremdgeht, aber Applaus gibt's dafür auch nicht. ich kann es nachvollziehen und verstehen, würde aber persönlich einen anderen Weg wählen.