Beziehung ist auch Arbeit...
Es gab Zeiten, während unserer langen Ehe, da war ein „Zurücknehmen" in Krisen einfach nicht möglich, behaarte jeder doch auf seinem Standpunkt... Es gab einfach kein „Verstehenwollen" des anderen... Wir sprachen zwar viel miteinander, aber immer aneinander vorbei... Jeder wußte vom anderen nicht, was er genau meint und warum er so denkt... Und es gab Tage, da flogen dann nicht mehr nur die Worte hin und her, sondern auch durchaus mal ein Teller aus dem Geschirrschrank....
Das ging eine ganze Zeit lang so... Beziehung, Partnerschaft fand eigentlich zwischen uns nicht mehr statt, es gab kein WIR mehr, sondern nur noch „Ich"... „Nachgeben" wollte aber auch niemand, warum?Nun, da sah man einfach keinen Sinn drin...„Aufgeben" allerdings auch nicht, schließlich waren da ja Kinder, Haus usw.. Nein, das war ja unser beider Traum und sollte bitteschön auch so bleiben ...
Was haben wir letztendlich getan, nachdem es mal wieder eskalierte, und ich dadurch so gar regelrecht krank wurde? Wir haben uns zusammen gesetzt und begannen zu reden... Das hatten wir vorher zwar auch immer getan, oft und gerne sogar, aber eben aneinander vorbei...Das war uns damals noch gar nicht so bewußt.... Dabei waren wir doch immer stolz darauf so gut miteinander klar zu kommen... Und warum sollte das auf einmal nicht mehr so sein,etwa wg. Kleinigkeiten? Wir wußten es nicht... Noch nicht!
Ja und diese Gespräche brachten dann auch so einiges an's Tageslicht,denn es gab Dinge, die ich mit mir rumtrug, die ich nicht aussprechen konnte, so sehr ich auch wollte... Es ging einfach nicht und es war klar, dass so irgendwann der Topf überkochen mußte...Und auch er hatte Dinge für sich behalten, die ihm aber auch sehr zusetzen... Wir trauten uns nicht, uns zu offenbaren.. Wahnsinn, wie lange wir uns schon kannten... Wir wußten so vieles voneinander, aber eben doch nicht alles...
Während unseres Gesprächs ist uns dann bewusst geworden, dass wir beide, in dem Moment wo wir miteinander stritten, es gar nicht WIR waren die da einen Kampf austragen, sondern viel mehr das innere Kind in uns... Es ging um verletzte Seelen, Aufmerksamkeit und Liebesentzug...Durch den Streit wurden immer wieder alte Wunden aus der Kindheit aufgerissen, bei uns beiden... Sie waren ja stets da, waren ein Teil von und in jedem von uns, aber man hatte sie einfach verdrängt, bzw.unbewusst eine eigene Strategie entwickelt(wohl auch so etwas von Selbstschutz nehme ich an), um damit besser umgehen zu können...
Bei einem Streit kam dann immer wieder alles hoch.... Da saßen da dann nicht zwei Erwachsene, die vernünftig und sachlich miteinander kommunizierten, sondern zwei trotzige Kinder, die zankten wer denn nun die besseren Argumente hätte...
Was dann folgte, war ein monatelanger Prozess und so etwas wie unsere eigene Paartherapie, nur halt ohne Therapeut... Wir waren unsere eigenen Therapeuten .. Wir redeten jeden Tag, jeden Abend! Jeweils 1-2 Stunden, jenachdem wie lange es aushaltbar war, für jeden Einzelnen...Und nicht nur einmal waren wir dabei der Trennung näher als der Rettung der Partnerschaft, weil uns vernünftige Argumente fehlten die dagegen sprachen... Aber wir wollten uns ja nicht trennen... Und schon gar nicht, weil wir uns nicht mehr liebten, sondern weil wir glaubten, es würde dem Einen vielleicht besser gehen so ohne den anderen...
Aber gerade diese von beiden so sehr gewünschte Offen - und Ehrlichkeit waren es letzten Endes dann auch, die dazu führten sich wieder neu miteinander aufzustellen... Als Paar, als Eltern, als Weg Gefährten... Wir beide„wollten "es schaffen, für uns, für die Beziehung, für unsere Ehe, für uns als Familie und für die Zukunft ...
Wir beschlossen, dieses „Zurücknehmen" jedes Einzelnen , was vorher oft genug vorkam, sollte so nicht mehr bei uns stattfinden! Das war uns wichtig... Jeder hat seine ganz eigenen Erwartungen, Wünsche, Bedürfnisse... Es sind aber eben SEINE ganz eigenen , man darf und soll sie haben, aber man muß nicht mehr wie früher alles dafür tun um diese zu befriedigen... Die Sorge, vielleicht einmal nicht mehr zu genügen und dann eventuell nicht mehr geliebt zu werden, ist nicht mehr vorhanden... Denn wir brauchen nicht mehr genügen, wir können SEIN, dass haben wir erkannt und ist uns viel wichtiger... Jeder darf sein, wie er ist! Keiner ist falsch, niemand ist richtiger als der andere...Wir kennen jetzt nicht nur unsere eigenen Schwächen und die des Partners, sondern auch die, die unsere Beziehung hatte... Ja, es war eben ein Prozess und brauchte Zeit und auch Nerven, all diese Dinge auseinander zu bröseln...Und bei über 30 Jahren kam da einiges zusammen! Es ging an die Substanz, physisch und psychisch... Es auszuhalten fiel so manches Mal schwer, aber die Hoffnung noch mal wieder, wie vor Jahren, eine harmonische und liebevolle Beziehung zu führen war ja immer da, bei uns beiden! Und hat ja auch funktioniert...Gerade auch deshalb, weil beide hart an sich gearbeitet haben... Wäre nur einer dazu bereit gewesen etwas zu verändern und der andere hätte dicht gemacht, wäre es wohl anders ausgegangen, vermute ich...
Ich denke, Leben ist auch Veränderung... Und wenn man eine sehr lange Beziehung und Partnerschaft führt, dann muß diese zwangsläufig auch immer wieder mal neu justiert werden und auf die jeweilige Situation angepasst werden, anders geht es nicht mMn..
Wie auch jetzt gerade wieder bei uns... Wir stellen fest, dass unsere Ehe längere Zeit auf eine Ehe mit 2 Kindern und einem Leben mit diesen zugeschnitten war... Jetzt, wo die Kinder erwachsen sind und ihre eigenen Wege gehen, die Eltern nun aber pflegebedürftiger werden und Hilfe brauchen ,die Wechseljahre Einzug gehalten haben, muß die Beziehung wieder einmal neu geordnet und anders gestaltet werden...Was früher eben noch passig war, ist heute so nicht mehr denkbar...
Und auch wenn es zwischenmenschlich nun wieder super passt, wir seit Jahren nicht mehr gestritten haben, haben wir uns ja verändert, jeder für sich und auf seine eigene Art ... Man ist älter, reifer, erfahrener, gelassener und ja, auch ruhiger geworden mit den Jahren ...
Es liegt nun an uns, diese Zeit des Umbruchs anzunehmen... Sich selbst neu aufzustellen, seine Wünsche und Bedürfnisse neu zu ordnen und zu gestalten... Jeder erstmal für sich und dann schaut man, wie sich unsere Gedanken dazu in die Beziehung integrieren lassen ... Wir denken, wir schaffen das ganz gut alleine, weil wir schließlich schon so viel geschafft haben im Leben ..Und reden können wir ja .... Aber falls nicht, dann holen wir uns Hilfe, da sind wir uns auch einig! Denn manchmal sieht ein Dritter eben doch mehr als man selbst meint...
Aber wir sind guter Dinge und noch niemals so sicher wie heute, dass das auch ohne klappt!
Fazit:
Wir wären wohl nicht mehr zusammen, hätten wir diese Krise nicht so erfolgreich gemeistert! Die Liebe füreinander war immer da, aber sie lag zeitweise unter einem dunklen grauen Teppich aus Angst, Sorge und Verzweiflung.. Den anderen aber genau so anzunehmen wie er ist, mit all dem was ihn als Mensch und Partner ausmacht,gepaart mit der Empathie, dem Vertrauen, der Zuneigung und Ehrlichkeit,dem Einfühlungsvermögen und dem ständigen Austausch bei Meinungsverschiedenheiten, hat nicht nur die diese Dunkelheit verschwinden lassen und uns wachsen lassen, sondern auch die Liebe zueinander ist inniger als zuvor, denn .. Wir können SEIN! Endlich
Schreibt „Sie"