AK7070:
Geben Menschen eine Beziehung zu schnell auf, wenn es nicht so funktioniert wie es soll
oder der Partner sich nicht so verbiegen lässt wie man ihn gerne hätte?
Ein wichtiger Punkt wie ich finde. Denn das Verbiegen des Partners für das eigene
Glück macht ihn doch wahrscheinlich unglücklich. Und der Teufelskreis nimmt seinen Lauf…
Oder wie seht ihr das?
Ich sehe den kritischen Punkt zeitlich viel früher, d.h. ich habe den Eindruck, dass viele, die eine verbindliche Partnerschaft eingehen und heiraten, sich vorher nicht genau genug mit sich selbst und mit ihren Erwartungen aneinander und für ein gemeinsames Leben miteinander auseinandergesetzt und sich explizit darüber ausgetauscht haben, und dass viele einen Partner dafür "zuständig machen", dass es ihnen selbst gut geht.
Das fängt beim Umgang mit den Finanzen an (wofür gebe ich Geld aus, wofür nicht oder erst mit sehr weit untergeordneter Priorität, wer sorgt finanziell wofür, wie viel Spielraum besteht für jeden ohne Rücksprache mit dem Partner ("Taschengeld"), und geht über die Lebensgewohnheiten ( Frühaufsteher/Langschläfer, Schlafen bei offenem oder geschlossenem Fenster, Faulenzer-/Aktivurlaub, etc.), zum Lifefstyling (Designergeschirr/Handgetöpfertes, jeden zweiten Tag aus essen / täglich Kochen als Entspannung und Zeit für gemeinsames(!) Tun, Fitnessstudio/gemütliches Schau- und Erlebniswandern, etc.), bis zum Umgang mit familiären Bindungen und Gewohnheiten in den beiden Herkunftsfamilien, individuelle Befindlichkeiten und Bedürfnisse hinsichtlich Nähe/Distanz zum Partner, aber auch zu Freunden, Verwandten und Bekannten, außerfamiliäres Engagement und vorhandenes Zeitbudget, Bedeutung von Sex, Wellnessaktionen , regelmäßige Überprüfung und Nachsteuerung in Bezug auf gemeinsame Lebensprojekte (Berufliche Ziele, Selbständigkeit, Kinderaufzucht, Hausbau, Wohnungskauf, Weltreise, Sabbatjahre, Elternpflege etc.).
Dabei ist meines Erachtens nicht ausschlaggebend, ob man in allem zu wenigstens 80 Prozent übereinstimmt, sondern dass man sich gegenseitig erst einmal so wahrnimmt, wie man selbst, bzw. der andere, ist und tickt, und prüft und sich darüber klar wird, ob man dies so stehen lassen und damit leben kann, auch mit den Unterschieden und Unterschiedlichkeiten, wo es Kompromissmöglichkeiten und "Verhandlungsmasse" gibt und wo jeweils Grenzen, die jeder als unverschiebbar ansieht und zu 100 Prozent respektiert haben möchte. Und dass man dies tatsächlich auch einander mitteilt und die Reaktionen des anderen aushält, auch wenn sie kritisch sein mögen. Und dann "sichtet", d.h. feststellt, wo weiterer Rede- und Klärungsbedarf besteht, so lange, bis beide das Gefühl haben, tatsächlich gesehen zu werden in ihrer ganz persönlichen Art und Weise und ernst genommen zu sein in ihren Anliegen und Befürchtungen und Wünschen.
Wenn ein Paar diesen Reflexionsprozess, je einzeln und gemeinsam, durchlaufen und sich darüber verständigt hat, dann stehen die Chancen hoch, dass die Entscheidung zu einer lebenslangen Partnerschaft / Ehe auf einem soliden Fundament steht. Das bedeutet nicht, dass man dann lebenslänglich gegen Krisen gefeit wäre, aber dass man diese grundsätzlich gemeinsam überstehen wird, weil man gelernt hat, unterschiedliche Situationen zu meistern und Lösungen zu finden, mit denen beide gut leben können, ohne sich oder einander verbiegen zu müssen.