Das Inserat
Ich war Student … und ziemlich schüchtern. Und wohnte in einem kleinen Zimmer zur Untermiete. In die Wohnung neben mir zog ein halbes Jahr später eine junge Frau, von Beruf Krankenschwester. Und die gefiel mir als Frau und Nachbarin ziemlich gut. Nur war ich eben schüchtern und traute mich so gar nicht.
Wir machten uns auf ihre Initiative hin bekannt - und verstanden uns ziemlich gut. Das war aber auch alles. Bis sie eines Tage in meiner Tür stand und meinte: "Du bist doch so ein Journalistentyp von der Zeitung (ich arbeitete damals als Volontär bei einer Tageszeitung). Ich habe das Single-Dasein satt. Kannst Du mir nicht ein Kontakt-Inserat schreiben?"
Natürlich konnte ich. Und zwar ein recht flott-frech formuliertes, dass dann ein paar Tage in der Tageszeitung erschien. Aber irgendwie ritt mich so ein Teufel … Und so antwortete ich - natürlich anonym - auf dieses Insert, das ich mit ihr zusammen verfasst hatte. Ebenfalls flott formuliert.
Die Annonce brachte wenige Tage später den gewünschten Erfolg: ca 200 Zuschriften von Datewilligen aller Altersklassen. Das Wohnzimmer meines Schwarms war mit Papierberge übersät. Sie etwas hilflos. Ich riet ihr nicht so viele Datetermine zu vereinbaren, sie solle sich drei Kandidaten aussuchen, deren Zuschriften ihr zusagen. Das tat sie denn auch und zeigte mir diese. Und oh Wunder: meine Zuschrift hatte es unter die letzten drei geschafft …
. "Dieser hier scheint besonders originell zu sein", meinte ich. Ja, der gefiele ihr auch. Ich tat etwas unbeteiligt und meinte nur: "dann solltest Du ihn als letzten daten". Ich hatte natürlich die Telefonnummer eines Freundes angegeben und ihn in diesen Fake eingeweiht. Das Date wurde also mittels meinem Bekannten verabredet, in einer bekannten Studentenkneippe, wo sie wie ich auch, gerne einkehrte.
Es stellte sich heraus, dass die beiden "Konkurrenz-Dates" nicht so besonders funzten. Ich wurde als Berater stets auf dem Laufenden gehalten und behielt daher gut den Überblick, was gerade so lief. Sie war schon etwas gefrustet und überlegte, wenn der Dritte nichts taugt, dann eine zweite Castingrunde zu eröffnen. Meine Stimmung hingegen stieg … von Tag zu Tag.
Es war der besagte Abend in jener Kneipe. Ich hatte ihr für das Date einen erfolgreichen und schönen Abend gewünscht. Dann war sie losgezogen. Ich schmeiße mich in mein bestes Sakko, organisiere im Vorgarten eine fette Rose
und mache mich ebenfalls auf den Weg.
Dann die Stunde der Wahrheit. Sie sitzt am Tisch und wartet auf ihr Date, das schon 5 Minuten überfällig war. Sie sieht mich zur Tür reinkommen: "Was machst Du denn hier … ich hoffe, Du spionierst mir nicht nach …?"
"Aber nein, Du Dummerchen. Ich bin's bloß, Dein Date!" Und überreiche ihr die Rose." Sie sah in diesem Moment aus wie vom Donner gerührt und vom Mixer geschüttelt, unbezahlbar und unbeschreiblich dieser Blick ihrer großen dunklen Augen. Dann fasste sie sich doch noch und sagte: "Du Schuft, ich hätte es wissen müssen … Du bezahlst heute abend - und zwar alles!"
Nach diesem Abend waren wir drei Jahre ein Paar.