Ein grundlegendes Problem dieser Diskussion ist, dass wir hier wild spekulieren und philosophieren. Dabei gehört die Thematik menschliche Sexualität heutzutage nicht mehr in die Bereiche Philosophie/ Theorie/ Logik. Wissenschaftlich wird sie heutzutage von Biologen, Neurowissenschaftlern und naturwissenschaftlich orientierten Psychologen betrieben. Da kommen ganz viele böse Gleichungen vor. Mathematische und biochemische. All das, was der deutsche Abiturient beizeiten ganz schnell abgewählt hat. Hinzu kommen psychometrische Verfahren und Experimente. Es ist komplex, es wird interdisziplinär geforscht und wir wollen das bei Kaffee und Frühstücksei so nebenbei klären? All das kann man nicht so nebenbei in der Sendung mit der Maus lernen.
Die menschliche Sexualität wird durch DNA, fehlerhafte Informationsweitergabe bzw. korrekte Datenlöschung in der Epigenetik und das Zusammenspiel von Neuronen, Basen sowie Hormonen maßgeblich beeinflusst. Wir reden hier über zig tausende Parameter, die in einer schier unvorstellbaren Anzahl von Kombinationen auftreten können. Die Forschung kennt Grundlinien, aber beginnt sie gerade erst zu entschlüsseln.
Es gibt zig Untersuchungen zu sexuellen Reizreaktionen bei Erwachsenen, deren sexuelle Entwicklung abgeschlossen ist. Und hier gibt es tatsächlich interessante Ergebnisse. So neigen Männer in der Vielzahl von Publikationen viel stärker zu den Polen Hetero oder Homo. Sie reagieren oft nur auf weibliche oder männliche Schlüsselreize. Der bisexuelle Anteil ist verhältnismäßig gering. Frauen reagieren dagegen fließender. Viele bewegen sich im bisexuellen Bereich. Hetero ist stärker als Homo, aber kleiner als der Bi- Anteil.
Zudem werden die Probanden oft vor der Reizsimulation über ihre sexuelle Selbsteinschätzung befragt. Und in über 80 % der Fälle stimmen Selbsteinschätzung und Reizreaktion überein.
Auch Zwillinge unterscheiden sich in ihrer Ausprägung und Entwicklung von Anfang an. Sie divergieren in Hunderten von Basenpaaren. Somit ist das Argument der Identität so simpel nicht wahr. Deshalb kann sich ihre sexuelle Orientierung durchaus unterscheiden.
Natürlich gibt es auch hier immer wieder einzelne Studien, welche das zuvor Genannte ergänzen oder gar zu anderen Ergebnissen kommen. Aber der Großteil der Forscher folgt dem zuvor Genannten und tendiert in diese Richtung.
Alleine das nimmt in einem seriösen Handbuch zur Sexualität gerne mal um die 100 Seiten ein. Und geht dann immer noch nicht allzu sehr in die Tiefe. Stand der Wissenschaft ist aber tatsächlich, dass sich die sexuelle Orientierung sehr früh herauskristallisiert und sich nur durch einschneidende Störfaktoren in der Entwicklung verändern lässt.
Wer sich dafür interessiert, kommt an Fachzeitschriften wie "Archives of Sexual behaviour" oder "Quarterly Review of Biology" nicht vorbei und wird sicherlich die letzten 25 Jahre sichten müssen.