Kann - wenn die gemeinsame Sprache stimmt
Da "Polyamorie" in Deutschland die schwere Erbschaft der Grobübersetzung "Viele Lieben" trägt, was hierzulande nur zu gern mit "Mit-Vielen-Liebe-machen" ausgelegt wird, ist es mit dem Oberbegriff allein nicht gemacht.
Auch das andere Extrem, daß aus "Poly-Amorie" von manchen Praktizierenden sogleich eine gewisse "Pan-Amorie" jenseits von Sex, Gender, Bedürfnissen, Ansprüchen und Erwartungen im Sinne "Universeller All-Liebe" posuliert wird, hilft nicht wirklich.
Im ersteren Fall landet man in einer Riege seriell bzw. parallel hochaktiver Matratzensportler - und könnte sich fragen, wozu es dabei ein so kompliziertes Beziehungsmodell wie die Polyamorie bräuchte, da dies doch alles schon von offner Beziehung, Swingertum, Wifesharing o.ä. Herangehensweisen abgedeckt wird. Da braucht das Rad nicht neu erfunden zu werden.
Im zweiteren Fall erlebt Mensch sich schnell als "unerleuchtet" oder "noch nicht reif", da wir man dann ja offensichtlich noch in verkrustetem Anspruchsdenken, womöglich mit Bedürftigkeiten verhaftet ist. Kann also nix für mich sein...
Pustekuchen!
Trotz all der Kaperversuche, in denen betont wird, daß Polyamorie entweder vorwiegend
sexuell definiert wird oder eben gar
transzendental - ist Polyamorie eine Lebensweise bzw. Beziehungsphilosophie, in der es erst einmal darum geht, ethisch verbindliche, auf allseitigem Wissen, Einmütigkeit und Berechtigung beruhende (Mehrfach-)Beziehungen zu führen.
Diese Grundlagen stehen jedem Beziehungsmodell (egal ob auto- [selbst], mono- oder poly-) gut zu Gesicht.
Auf dem seltsamen Kontinent "Poyamorien" haben wir darum unter den Menschen, die es damit ernst meinten, nahezu ausschließlich Leute getroffen, die sehr akurat über sich selbst und ihre Beziehungsführung Rechenschaft ablegen könnten. Harte Bezeihungsarbeiter*innen, die unter Beweis stellen wollen, daß sie für ihre Lebensweise einstehen und "die extra Meile gehen".
In dem Sinne ist die Polyamorie für uns eine folgerichtige Erweiterung unseres Reflektionshorizontes auf Beziehungsebene und hinsichtlich Zwischenmenschlichem. Seit wir polyamor leben, haben wir in 5 Jahren mehr "klassische Beziehungsarbeit" aufgewendet, als in den 20 davor.