Hallo Rosetta,
wenn ich mir Deine Texte so durchlese, sehe ich, daß Du schon sehr viel weißt über Deine Abhängigkeiten.
Du willst ihm helfen, er ist in einem Chaos, das - wie Du schreibst - nicht nur im Äußeren herrscht, sondern analog wohl auch in seinem Inneren.
Und Du, der Empath, willst ihm helfen. Weil er doch so drinhängt in seiner Situation. Du möchtest für ihn da sein, damit er da rauskommt, damit es ihm besser geht. Und es damit dann auch Dir besser geht, weil Du hast helfen können.
Und es tut weh, weil Du es einfach nicht schaffst. Der Weg wäre so klar, er könnte raus aus seiner Situation, alles würde in Ordnung kommen. Und Du tust viel, damit ihm der Weg frei gemacht wird, damit er es leichter hat, rauszukommen. Und erträgst viel, mit dem er Dich dabei belastet.
Hast Du Dir schon einmal die Frage gestellt, ob er da raus will? Warum er Deine Hilfe nicht sieht bzw. nicht annimmt?
Weißt Du, was er will? Gut, ich vermute, da redet er auch nicht darüber. Aber ist der Weg, den Du für ihn planst, der richtige in dem Sinn, daß er diesen auch gehen will?
Durch Deine Fürsorge für ihn machst Du es ihm auch sehr bequem in seiner Situation. Warum sollte er also was ändern wollen? Menschen ändern Dinge, wenn sie für sie nicht angenehm sind. Durch Dein helfen wollen machst Du es ihm angenehmer, dort zu bleiben, wo er ist. Sei nicht aktiv, bis er nicht von sich aus den ersten Schritt macht. Wenn er ihn macht, dann kannst Du ihn dabei unterstützen. Aber Du kannst keinen Schritt für ihn gehen.
Unabhängig davon kommt noch dazu, daß er für sich mehr Rechte sieht, als er Dir zugesteht. Er darf mehrere Frauen haben, das ist für ihn in Ordnung. Du mußt für ihn allein dasein, ein gemeinsamer Swingerclubbesuch, also eine Veranstaltung, die auf eine Art Gleichberechtigung hinauslaufen könnte, will er nicht. Aber es interessiert ihn auch nicht, ob es Dich stört, daß er mehrere Frauen parallel "betreibt".
Wo ist da eine Ebene, auf der ihr Euch "auf Augenhöhe" begegnet? Wo sieht er Dich? Was tut er Dir Gutes?
Er "gewährt" Dir die Gnade, daß Du für ihn da sein darfst, und das Wohlgefühl, das Dir dabei aus Deiner eigenen Empathie entsteht, das darfst Du natürlich behalten und Dich davon ernähren.
Aber damit ernährst Du Dich eigentlich aus Deiner eigenen Kraft, die Du ihm gibst, und er läßt einen gewissen Teil davon zu Dir zurückfließen. Du gibst ihm hundert Euro, und er gibt Dir davon vierzig Euro zurück, und Du freust Dich, weil er Dir vierzig Euro geschenkt hat. Er könnte Dir ja auch gar nichts zurückgeben. Aber: Warum stehen ihm die hundert Euro aus Deinem Geldbeutel erst mal überhaupt zu?
Das ist das, was andere beschrieben haben, diese Befreiung, nachdem so eine Situation endlich beendet war. Plötzlich siehst Du, daß Du jetzt hundert Euro hast statt vierzig.
Ich war auch mal in einer Abhängigkeit von einem Narzißten. Nicht in einer Beziehung, sondern im Berufsleben. Ich habe auch sehr lange geglaubt, ich könnte endlich ein "gut gemacht" bekommen, wenn ich mich nur noch mehr anstrengen würde. Und hab' es versucht. Und wurde immer hingehalten mit der Aussage, ja, aber wenn ich das noch dazu machen könnte...
Bis ich völlig kollabiert bin. Und dann über lange Zeit das alles aufarbeiten und mich wieder selber finden mußte / konnte. Heute weiß ich, daß so jemand nur saugt, weil er sich selber damit hebt und stärkt. Die Lieferanten sind ihm egal, es geht um ihn. Und er hat einen besonderen Charme, den Lieferanten genau das Gefühl zu geben, daß sie kurz davor stehen, endlich Anerkennung zu finden. Weil sie nämlich dann noch mehr liefern. Und das hebt ihn, und für sich tut er alles.
Dein Verstand weiß es ja, wie Du drin hängst. Aber loslassen geht nicht, weil dann nämlich Dein Partner Dir nicht mehr in Aussicht stellen wird, daß Du bald Anerkennung findest. Und weil er Dir das doch endlich sagen soll, für all das, was Du getan und erduldet hast.
Er wird es nicht sagen. Er wird Dich so lange ausquetschen, bis aus der Zitrone nichts mehr herauskommt, weil Deine Seele völlig ausgedrückt und vertrocknet ist. Und dann braucht er eine neue Zitrone, weil die alte nicht mehr funktioniert.
Er wird es nicht sagen. Weil er Dich dann auf die gleiche Ebene heben würde, auf der er sich sieht. Und dort kann es nur einen geben.
Deswegen läßt er auch nicht mit sich reden. Weil sonst am Ende Argumente auf den Tisch kommen, die zeigen, daß Du auch einen Wert hast. Und das darf nicht sein, s. oben. Es kann nur einen geben. Situationen, die das Risiko bergen, darüber nachdenken zu müssen, werden konsequent vermieden.
Wenn es Dir hilft: Er ist nicht einfach nur ein total fieser Mensch, er ist in seinem Denkmodell gefangen. Sein Denkmodell, das darauf aufbaut, andere auszusaugen.
Wie Mycteria_ibis es geschrieben hat: Es geht nur so weit, bis eine Wand kommt. Dann mußt Du links oder rechts weggehen; eine andere Entscheidung hast Du nicht.
Wenn er es möchte, dann kann er auch diesem Weg nach links oder rechts mitgehen. Wenn er bei Dir sein möchte. Aber ob er diesen Weg geht, das ist seine Entscheidung, nicht Deine. Deine ist es nur, den Weg nach links oder rechts zu gehen. Und Du mußt vorausgehen.
(Und nicht vergessen: Nicht mit ihm darüber zu reden versuchen, ob Du links oder rechts gehen sollst, denn solange Du redest, gehst Du nicht, sondern bleibst an der Stelle stehen, an der Du bist, und warum sollte er dann was ändern?)
Ich wünsche Dir die Kraft, Deinen Weg zu wählen.