Was bringt denn die Forderung?
Drehen wir das doch mal rum. Was erreiche ich denn dadurch, dass ich an eine andere Person eine Forderung stelle? (Und ja, es einfach als Wunsch zu formulieren und dann an eine Bedingung zu knüpfen ist kein Wunsch, sondern bleibt eine Forderung.)
Also was gewinne ich dadurch, dass ich ein bestimmtes Verhalten von meinem gegenüber fordere? Erstmal äußere ich ja klar meine Erwartungen. Ich habe eine klare Erwartung an den anderen. Damit ich keine Eifersucht spüre, muss sie oder er sich auf eine bestimmte Art verhalten. Aber funktioniert das? Was erzeugt denn diese Eifersucht? Was erzeugt das Gefühl nichts besonderes mehr zu sein? Wo kommt das überhaupt her? Aus meinen eigenen Erfahrungen. Was mich da genau triggert, weiß ich vielleicht nicht mal selbst. Und genau da wird es schwierig. Denn diese Forderung nach Treue ist gar nicht so klar wie sie scheinen mag.
Ist es bereits eine Verletzung dieser Forderung, wenn sie oder er beim Sex an jemand anderen denkt? Ist es schon untreu, wenn der Orgasmus vorgetäuscht wird (ist ja eine Lüge)? Oder beginnt die Untreue erst, wenn ein Flirt beginnt? Bei Augenkontakt? Bei Berührungen? Wenn ihr oder sein Herz schneller schlägt? Oder wenn sie oder er ihn oder sie ausführen? Zeit ohne mich miteinander verbringen? Ich ihre Vertrautheit sehe? Oder sie miteinander schlafen? Oder vielleicht auch nur wenn ich mir vorstelle, dass es passiert?
Was also gewinne ich durch die Forderung an das Verhalten des anderen? Dass er untreu wird. Dass er wie auf rohen Eiern um mich herumschleicht, um mich nicht zu verletzen. Wenn durch die Forderung diese negativen Gefühle einfach vermieden werden sollen, die nichts mit der oder dem anderen zu tun haben, dann werde bereits ich mir untreu.
Oh warum denn das jetzt? Ich belüge mich selbst. Ich mache mir vor, dass meine Empfindungen in der Verantwortung meines Partners liegen. Das tun sie aber nicht. Damit ist jeder überfordert. Ich bin der einzige, der lernen kann mit den eignen Gefühlen umzugehen.
Und genau deshalb ist eine Forderung an das Gegenüber bereits die Saat für den Betrug. Denn ungeachtet, des Wesens und des Verständnisses des Partners, fordere ich sie oder ihn auf sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten, um meine Gefühle zu vermeiden. Das kann nicht gut gehen. Ganz besonders nicht, wenn der Partner mir nicht weh tun möchte.
Vermeidung ist per se kein guter Lösungsansatz. Die Verantwortung für die Vermeidung auch noch dem Partner aufzubürden, hat nichts mit Liebe zu tun.
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Ich habe die Aussage getätigt, dass unterschiedliche Beziehungsformen Liebe unterschiedlich zulassen. Ich wurde gefragt, was ich damit meine. Das möchte ich gerne erklären. Vorweg: Beziehungen selbst haben nichts mit Liebe zu tun. Beziehungen können auf Gefühlen basieren, so auch auf Hass. Genauso können sie aber auch auf Professionalität beruhen. Also, wovon hängt ab, dass eine Beziehung Liebe ermöglicht? Je gleichberechtigter und selbstbestimmter die Entscheidung für eine Beziehung getroffen werden kann (von allen Beteiligten) desto mehr Raum ist dort für Liebe. Je abhängiger die Beteiligten in einer Beziehung sind, um so schwerer ist es dort Liebe entstehen zu lassen oder zu erhalten.