Ich hab die Pille über dreißig Jahre genommen. Und ich war zu jeder Zeit dankbar, dass es diese Möglichkeit für mich gab, überhaupt so etwas wie einen stabilen Zyklus und eine erträgliche Monatsblutung zu haben. Ich hab meine Mensis mit 12 bekommen und gelitten wie ein kleines Tier während der Blutung. Krämpfe, die selbst mit stärksten Medikamenten kaum auszuhalten waren, Zyklen zwischen 12 und 38 Tagen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Rückenschmerzen, Gastritisschübe. Es war die Hölle. Mit 17 fand ich einen Frauenarzt, der mir die richtige Pille verschrieb, und ich fühlte mich endlich als richtige Frau und nicht wie ein dauerkranker Pflegefall. Ich konnte Sex haben. Ich konnte auch mal weiße Hosen tragen, ohne den paranoiden Blick in jede spiegelnde Oberfläche. Ich brauchte keine Binden und Tampons in Supergrößen mit mir rumschleppen. Ich konnte endlich ein gesundes Verhältnis zu meinem Körper aufbauen. Stellt Euch mal eine 14-jährige mit dem Equipment für die rote Flut im Schulranzen vor. Ich hab mich so meines Körpers geschämt, das war so grauenhaft.
Und dann kamen die Missionarinnen der weiblichen Natürlichkeit. Ich sollte mich endlich mit meinem Körper auseinandersetzen. Ihn annehmen. Dem patriarchalischen Machtanspruch der ständigen sexuellen Verfügbarkeit widerstehen. Ich bin zum Glück Feminstin und konnte mich relativ gut gegen das Sendungsbewusstsein mancher meiner Schwestern durchsetzen. Aber seitdem habe eine mittelschwere Allergie gegen Aussagen wie mancher der im EP angeführten. Das ist ja alles ganz toll, dass das so prima funktioniert. Wirklich.
Aber vielleicht sollte an irgendeiner Stelle mal sehr deutlich gemacht werden, dass solche Methoden nur etwas für Frauen sind, denen die Natur einen stabilen Zyklus und Gesundheit geschenkt hat und bei denen eine ungeplante Schwangerschaft nicht das komplette Leben aus den Angeln hebt. Die Aussage, dass die gewählte Methode ähnlich sicher wie die Pille ist, gilt nämlich nur für die oben genannten Frauen. Ich kenne davon nicht so sehr viele, wenn ich mich umhöre. Denn Frauen mit unregelmäßigen Zyklen, im Schichtdienst arbeitend, mit diversen Zipperlein oder auch nur einem bockigen Zervixschleim, der sich leider partout nicht wie im Lehrbuch verhalten will (Aussage meiner Physiotheraputin), solche Frauen kommen erst gar nicht auf die Idee, das auszuprobieren.
Und so Wracks wie ich nahmen halt in Kauf, für etwas unterbelichtete Opfer der Pharmaindustrie mit unzureichendem Körpergefühl gehalten zu werden. Macht nichts. Die Vorteile überwogen.