„Ich kann heute meine Berührungsängste, die gegenüber dem SM der frühen Achtziger Jahre in den wenigen zugänglichen Darstellungsformen bestanden, auch nicht mehr nachempfinden. Ich weiß heute, dass das nicht repräsentativ war für all die Möglichkeiten, solche grundlegenden Neigungen auszuleben. Damals aber war es für mich entscheidungsbildend, die Sache ganz in die hinterste Ecke meiner Sexualität zu schieben. In den Bereich "Pervers, nicht machbar".
Das war aber eben auch eine ganz andere Zeit, nicht nur was die spärlichen Informationen betraf, sondern auch die öffentliche und wissenschaftliche Meinung.
Ich glaube eben, dass das an sachliche Informationen gelangen Wollen durch andere Formen (Meinungsbilder, Insiderinformationen etc.), die eher den Menschen ansprechen, der in diesem Bereich längst angekommen ist, überlagert wird. [...]
Ich kann auf alle möglichen Wege Diskussionen über Rohrstockdurchmesser und die Farbenvielfalt eines gespankten Hinterns verfolgen, die dem Insider etwas geben. Auch ich habe meine Präferenzen. Der vorsichtig interessierten Person ist das aber u.U. ein zu großer Sprung von einer devoten Sehnsucht zu der so kommunizierten und manchmal auch omnipräsent vermittelten Realität eines Teilbereichs von B, D, S und M.
Kann ich durchaus verstehen, daß Diskussionen über die genannten Rohrstockdurchmesser oder die Feinheiten japanischer Knüpperei erstmal uninteressant sind. Abschreckend wirken sie mMn aber nur, wenn man mit seinen eigenen eher allgemeineren Anfängerfragen so gar keine Antwort erhält, und eher weniger dadurch, daß jemand bei der Vorstellung gleich wieder Reißaus nimmt, jener dünnere oder dickere Rohrstock könne auch von dritten Personen benutzt werden.
Zusätzlich kommt mE hinzu, daß es zwar einen stetigen Nachschub interessierter Neulinge gibt, aber diese Neulinge nach einer Weile über die typischenh Erstfragen hinaus sind und dann eben auch mal was über Kniffe bei der Erzielung besonders eindrücklicher Farbspuren wissen wollen. Also ähnlich wie Grimmes "BDSM-Handbuch" von einer Reihe von Büchern für bestimmte Teilbereiche gefolgt wurde. Bücher für Neulinge und andere Interessierte gab und gibt es aber immer auch noch, vermutlich in den letzten Jahren selbst ohne Berücksichtigung von SoG mehr denn je. (Und da ist nun wieder mein Eindruck, daß die technischen und handwerklichen Details und die eher einladende und optimistische Schilderung der Subkultur von einer Menge von Warnungen und Mahnungen abgelöst worden sind. Daß diese Angst vor der Szene dort also auch schon angelegt ist. Und wenn das die oder der bestimmt sehr wissende XY im so fluffig geschriebenen Anfänger-Ratgeber stehen hat, muss ja etwas dran sein. Also wieder eine neue Generation von Personen, die bereits mit Furcht ankommt, was das für gefährliche Leute mit hinterrücks nötigenden Wünschen und Ritualen sind, nachdem das in den 2000ern schon mal lockerer war. Aber das ist wie gesagt nur ein persönlicher Eindruck.)
Zudem zieht sich ein Teil derer, die schon eine ganze Weile dabei sind, aus der Öffentlichkeit wieder zurück. Sei es, weil sich die Partylandschaft verändert, weil es Generationskonflikte gibt, man schlicht seine Ruhe haben will oder nur nicht jeden Monat in den Foren dieselben Fragen diskutieren möchte.
Wie ich es irgendwann mittendrin erwähnte, nahm ich vor vielen Jahren an einem Einsteigertreffen eines örtlichen BDSM-Vereins teil, um für mich einen geeigneten Zugang zu ähnlich Orientierten zu bekommen. Ich kann den Besuch dieser Art von Veranstaltung nur empfehlen, denn sie setzte keine Vorkenntnisse voraus und es wurde keine Frage für zu dumm erachtet. Im Gegenteil machte dieser Abend sehr viel Mut, den eigenen Neigungen nachzugehen.
Völlige Zustimmung.