Humanismus und Toleranz geraten recht schnell an ihre Grenzen, bei Themen, die eine Emotion hochkochen lassen.
Straftätern zum Beispiel.
Da können sich manche Menschen echauffieren bis zu Rufen nach der Todesstrafe.
Muss ich unmenschlich werden gegenüber einem Menschen, dessen Verhalten ich nicht toleriere?
Warum gelingt es so wenig einen Menschen von seinem Verhalten zu unterscheiden?
Sei es im kleinen „ich liebe Dich, aber so gehst Du mit mir nicht um“.
Wie im Großen ich verurteile die Tat, nicht den Täter.
Dass das bei vollzogenen Straftaten schwer fällt mag sein.
Menschen hetzen aber mit gezücktem Moralschild ohne Not auch gegen unschuldige Menschen.
Nehmen wir Pädophile. Pädophilie ist eine sexuelle Neigung wie jede andere auch. Problem ist, während jeder mit einer anderen sexuellen Neigung einen erwachsenen Sexualpartner finden kann, der mündig einer freiwilligen Sexualität zustimmen kann, wird das für den Pädophilen niemals der Fall sein. Das ist zunächst einmal ein schlimmes Schicksal.
Um das durch das Leben tragen zu können, braucht man Hilfe. Echte Hilfe. Wie gut es funktioniert, vor der eigenen Sexualität fliehen zu wollen, z. Bsp. in ein Zölibat, wissen wir ja mittlerweile, seit immer mehr Missbrauchsfälle in Kirchen ans Licht gekommen sind.
Echte Hilfe bedeutet also mindestens sich aussprechen können, Bewältigungsstrategien erarbeiten, im Zweifel Medikamente nehmen, die die Libido senken.
Nicht jeder Pädophile hat ein Interesse daran, ein Kind zu missbrauchen. Pädophil sein bedeutet ganz und gar nicht automatisch ein machtgeiler Vergewaltiger zu sein.
Nun kommt die Moral ins Spiel. Was denkt man denn als Umfeld, Gesellschaft, würde man Sinnvolles leisten, diese Menschen zu stigmatisieren, vorzuverurteilen und gegen sie zu hetzen?
Hilft das? Hilft das wirklich? Wem?
Dem Betroffenen hilft es nicht, der wird nur in die Enge getrieben und diesem Druck irgendwann nicht mehr standhalten.
Hilft das auch nur einem einzigen Kind? Nein. Ganz im Gegenteil. Übergriffe erfolgen durch Menschen, die dem Druck nicht mehr standhalten können, psychisch einen weg haben, was das Ergebnis von Ausgrenzung sein kann und nicht zuletzt, Zuneigung suchen bei Menschen, die ihnen reinen Herzens begegnen.
Wenn man diesen Menschen, die noch gar nichts getan haben, die es ohnehin schwer haben, das Leben zu Hölle macht, erreicht man das Gegenteil von Therapie, denn das wäre „Annehmen was ist und damit verantwortlich umgehen“. Man erreicht stattdessen, dass sie versuchen alleine klar zu kommen, weil sie sich schämen. Blöd ist, dass genau das aber selten ein Leben lang gelingt.
In solchen Fällen ist für mich eine Moral gefragt, die dem Menschen selbst offen gegenüber steht und eine helfende Hand reicht. Die bereit ist mit diesem Menschen und seinem Problem umzugehen. Die in einem Miteinander die klare Grenze zieht zu sagen „Wir beschützen natürlich unsere Kinder und wir erwarten, dass auch Du das tust. Du bekommst von uns die Hilfe, die Du brauchst, dass Dir das gelingt“.
Leider sehe ich das, was es braucht, vor allem für die Kinder braucht, zu selten.
Stattdessen sehe ich eine Moral, deren einziges Ziel ist, das Ego zu streicheln, man sei selbst ein besserer Mensch und habe das Recht über andere zu urteilen und ihnen das Leben schwer zu machen. Dafür wird eiskalt auch in Kauf genommen, dass man damit mehr Taten provoziert als verhindert.
An solchen Beispielen kann man sehen, wie wichtig es ist in der Differenzierung dieser Aspekte eine Balance zu finden.
„Ich toleriere das Verhalten nicht.
Ich begegne aber dem Menschen freundlich und reiche eine helfende Hand.“
Hetze aber bedeutet das Gegenteil. Man toleriert das Verhalten, denn man ist so intolerant dem Menschen gegenüber, dass Prävention verhindert wird.
Prävention ist auch langweilig. Wenn nichts passiert, habe ich nichts, worüber ich mich aufregen könnte, wo ich kollektiv betroffen sein kann und nicht zuletzt mich selbst als moralische Instanz überhöhen kann.
Ja nun. Einen Tod muss man sterben.