Brief an einen gehörnten Ehemann
Obwohl die meisten hier ja immer treu sind (sic!) möchte ich folgenden Brief zur Diskussion stellen. Würdet ihr ihn schreiben? Würdet ihr ihn lesen wollen? Würdet ihr wollen, dass euer Mann ihn bekommt? (Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen!)Hallo Stefan, Thomas, Peter, Christian, Michael, ...
Du hältst einen Brief von mir in der Hand und vor Wut geht dir das Messer im Sack auf, am liebsten würdest du ihn zerknüllen, auf den Boden werfen, darauf herumtrampeln, darauf spucken, ihn verbrennen und vor allem: Du willst ihn eigentlich gar nicht lesen. Das ist sehr verständlich, denn schließlich ficke ich deine Frau.
Die Frau, der du und die dir ewige Treue versprochen hat, die an deiner Seite steht, an guten wie an schlechten Tagen. Der du zur Seite stehst, an guten und an schlechten Tagen. Wobei – eigentlich SIND jetzt die schlechten Tage. Wo stehst du denn jetzt? Stehst du an ihrer Seite oder stehst du ihr (oder vielleicht euch) im Weg?
Kurioserweise sind die Sachen, die gehörnten Ehemännern einfallen zu tun, in aller Regel jene, die das Ehepaar einander noch weiter entfremden lassen. Es regiert Enttäuschung, Wut, Eifersucht und seltener Verständnis oder gar Liebe. Ich weiß das. Ich darf das wissen, ich bin ein gebranntes Kind, ja ich war auch schon ein betrogener Ehemann, sogar zweimal und was soll ich sagen: Ich habe NICHTS richtig gemacht, oder wenigstens sehr wenig, aber dazu später mehr.
Warum, glaubst du eigentlich, macht deine Frau für mich die Beine breit? Ist es langweilig bei euch im Bett? Ist sie so veranlagt? Hast du versagt? ...?
Was weiß denn ich? DU musst das wissen und wenn du ganz ehrlich zu dir selbst bist, dann weißt du, oder zumindest ahnst du, woran es bei dir und deiner Frau krankt. Klar weiß ich es auch – weil sie es mir gesagt hat – und du müsstest es wissen, jedenfalls wenn du dich wirklich noch für sie interessierst. Auch jetzt ist es noch nicht zu spät, es herauszufinden. Ab und zu allerdings will man es gar nicht so genau wissen, denn eigentlich läuft doch mit euch alles ganz gut. Bis auf ...
Genau, und dieses "bis auf" ist so gravierend, dass deine Frau ehebliche Anstrengungen macht, Risiken eingeht, lügt, betrügt, Alibis benutzt. Ihr ist also entweder so langweilig, dass das ganze Drumherum schon für Abwechslung in ihrem Leben sorgt, oder aber es gibt hinter ihrem Tun einen wirklich starken Trieb. Ganz egal, WAS sie bei mir bekommt, bei dir bekommt sie es nicht, oder völlig unzureichend.
Was ich mache, mache ich nicht, um dich der Lächerlichkeit preiszugeben, um dir Hörner aufzusetzen, um dich zu erniedrigen – ich kenne dich ja nicht einmal. Ich bin nicht an deine Frau herangetreten und habe sie gefragt, ob sie nicht einmal Lust hätte, dich mit mir zu betrügen, weil du ja so ein Idiot bist, mit dem man es machen kann. Ich habe sie weder gezwungen, noch überredet, sie tat, was sie tat und noch tut, aus freien Stücken. Nicht dass es ihr leicht gefallen ist! Deswegen ist deine Wut auf mich fehlgeleitet, wenn auch überaus verständlich.
Auf deine Frau WILLST du nicht wütend sein, schließlich liebst du sie ja und willst dein Leben mit ihr verbringen. Und weil es viel leichter ist, auf mich wütend zu sein, als dich selbst (oder eure Partnerschaft) kritisch zu beäugen, gehst du den Weg des geringsten Widerstands, du kanalisierst deine Frustration in dem Hass auf mich. Dabei bin ich hier nur der Statist in einem rührseligen Film, die Hauptpersonen sind du und deine Frau.
Wenn du also mit ihr sprichst, lass mich außen vor, ich bin nur ein Symptom, nicht die Ursache eurer Krise, ich bin austauschbar, eine Einwegflasche ohne Pfand. In deinem Wunsch, meine bescheidene Existenz zu negieren, die vermutlich darin Ausdruck findet, dass du ihr verbieten willst, mich zu treffen, mit mir zu telefonieren oder überhaupt auf irgendeine Art und Weise Kontakt zu halten, schaufelst du dir dein eigenes Grab. Vordergründig scheinst du erfolgreich, die Gefahr (ich) ist gebannt.
Dein Erfolg (du hältst sie von mir fern) wird sich als Pyrrhussieg herausstellen, vielleicht(!) gewinnst du diese Schlacht, den Krieg aber würdest du verlieren. Ihr beiden habt einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt. Es gibt kein Zürck mehr zu der stillschweigenden Übereinkunft eurer vermeintlichen Harmonie, es gibt kein Zurück mehr zu dem kleinsten gemeinsamen Nenner der verbliebenen Zweisamkeit, euch hilft jetzt nur noch Offenheit.
Günstigstensfalls findet ihr eine Basis, auf der sich aufbauen lässt, aber keiner von euch beiden wird dabei um schmerzhafte Kompromisse herumkommen. WENN diese Offenheit dazu führen sollte, dass ein Fortbestand eurer Partnerschaft unmöglich wird – umso besser. Denn dies wäre dann früher oder später sowieso eingetreten, so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn es hingegen doch funktioniert, habt ihr beiden ein massives Fundament aus Ehrlichkeit und nur mit diesem lässt sich das verlorene Vertrauen wiederherstellen oder neu aufbauen.
Ich weiß nicht, was aus mir und meiner Exfrau geworden wäre, hätte ICH damals diesen Brief bekommen, als sie mich betrog, das ist reine Spekulation. Aber wenn es daraufhin trotzdem eine Trennung gegeben hätte, wäre sie für mich weit weniger schmerzhaft, weil eher begreiflich gewesen. So gab es einen riesiegen Scherbenhaufen und eine alles andere als freundschaftliche Beziehung zwischen uns – bis zum heutigen Tag. Erst zehn Jahre später, kurioserweise durch deine Frau, bin ich in der Lage, verstehen zu können, wie sie sich damals gefühlt haben muss und zwar weil deine Frau mit mir spricht. Redet endlich! Redet MIT- und nicht gegeneinander.
Ich will nicht schließen, ohne den viel zitierten Konfuzius zu bemühen, der mal gesagt haben soll:
»Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir - für immer.«
Analoger