Mono oder Poly ist für mich mehr eine Frage des Empfindens als des Entscheidens.
Die Entscheidung ist, was ich daraus mache.
Ob ich jemanden sympathisch finde oder nicht ausstehen kann, ist bei mir keine bewusste Entscheidung, sondern eher Empfinden (Bauchgefühl). Wie viel ich für jemanden empfinde — Sympathie, Freundschaft, Liebe — ist eine Entwicklung der Gefühle. Von Gefühlen trennen würde ich Emotionen wie z.B. Begehren oder Lust.
Ob jemand überhaupt Liebe für andere empfindet (oder empfinden kann), in welcher Form, und für wie viele andere, halte ich für höchst individuell. In etwa so wie manche einen großen Freundeskreis haben und diese Freundschaften pflegen (können), während für andere schon ein guter Freund genug ist und mehr sie überfordern würde.
Die bewusste Entscheidung ist, wie (weit) Gefühle oder Emotionen (aus)gelebt werden. Ich kann mich ebenso bewusst entscheiden, den Leckerbissen, der mir gerade über den Weg läuft, zu vernaschen, oder eine weitere Beziehung zu einer Liebespartnerin einzugehen, wie dem Impuls nicht nachzugeben oder eine Liebesbeziehung nicht einzugehen bzw. auf nicht sexuellem Niveau eine Freundschaft zu beginnen.
Die Frage, ob und wie weit etwas gesellschaftlich akzeptiert ist, ist für mich in einem wesentlich engeren Kreis zu beantworten: Im Kreis der „Betroffenen“. Also den Menschen in meinem Umfeld, zu denen ich eine Beziehung habe. Partnerin(nen), Familie, Freunde, Bekannte, Kollegen, … Im engsten Kreis (Partnerin) steht 100%ige Offenheit außer Frage; hier muss ich „nur“ abwägen, ob und wie sie damit zurechtkommt und was ich ggf. aufs Spiel setze, wenn nicht. Im weiteren Kreis stellt sich eher die Frage nach der Offenheit. Beispiel Kollegen: Da muss ich mir nur überlegen, wie viel ich von mir und meinem Privatleben preisgebe, ohne dass es für mich negative Folgen hat.
Ob monogam oder polyamor fühlende Menschen bindungsunfähig sind, ist m.E. weniger eine Frage des Empfindens von Liebe, sondern eher eine Frage der Fähigkeit, verbindliche und beständige Beziehungen zu gestalten und zu führen. Und natürlich wie viele gleichzeitig.
Ob etwas fehlt, kann ich nur für mich beantworten: Nein, mir hat nichts gefehlt. Den Gedanken, eine Beziehung einzugehen, damit eine mir etwas gibt/bringt (meinen Mangel ausfüllt), mag ich überhaupt nicht. Da wäre sie „Dienstleister“, aber nicht gleichwertige Partnerin.
Dass Liebe mehr wird, wenn sie sich führ mehrere entwickelt, mag ich so stehen lassen. Dass Treue aus einer Angst erwartet wird, nicht. Das Problem fängt schon bei der Definition von Treue an. Treue im Fühlen? Im Handeln? Sexuelle Treue? Für die einen wird es schon zum Problem, wenn der Partner zu viel Zeit allein oder mit anderen verbringt — selbst wenn es nur Hobbies, Kumpels oder Freunde sind. Für andere, die gerne „Sportsex“ mit anderen haben, wird der erst dann zum Problem, wenn ein Sexpartner sympathischer gefunden wird, als einem Recht ist. Die Frage lässt sich m.E. eher so zusammenfassen: Die Erwartung, nicht (bewusst) verletzt zu werden bzw. dass der Partner nicht (bewusst) etwas tut, von dem er weiß (bzw. wissen müsste), dass es missbilligt wird. Das ist unabhängig vom Beziehungsmodell und gilt m.E. in jeder Beziehung.