Demut - sehr schöne Beiträge in Länge & Kürze!
Was bisher hier geschrieben wurde, gefällt mir gut & zeigt,
dass es keine eindeutige/n Definition/en dafür geben kann.
Ich selber habe mich - von der dominanten Seite her kommend - lange Zeit an dem Wort 'Demut' gerieben, da es für mich viel von '
Ertragen/Erleiden' hatte. Eines Tages fand ich folgenden Text (mit in der Tat christlichem Bezug) im Web, der - für mich persönlich - sehr viel zu dem Wort sagt & es mir damals be
greifbar gemacht hat, so dass ich es für meinen Sprachgebrauch nun voll akzeptiert habe:
DER ENGEL DER DEMUT
Das deutsche Wort Demut kommt vom althochdeutschen diomuoti „dienstwillig“. Dienen hat im germanischen Gefolgschaftswesen die Bedeutung „Knecht sein, Läufer sein für jemand“. Mit diesem Wort haben die Germanen das lateinische Wort humilitas übersetzt. Dabei haben sie das lateinische Wort auf ihre Weise interpretiert. Für sie besteht Demut in dem Mut, zu dienen, dem Leben zu dienen, für andere einzutreten, für andere zu laufen. In dieser Bedeutung klingt die Bereitschaft mit, von sich selbst und seinen Bedürfnissen abzusehen, frei zu werden von sich selbst, um sich für andere einzusetzen. Aber mit dieser Deutung ist nicht der biblische Begriff der humilitas in seiner ganzen Fülle getroffen, sondern eben nur ein Aspekt.
Humilitas kommt von humus, Erde, Boden. Humilitas meint den Mut, seine eigene Erdhaftigkeit anzunehmen, den Mut, uns mit unserer Wahrheit auszusöhnen, dass wir von der Erde genommen sind, dass wir Menschen sind mit Fleisch und Blut, mit Trieben und ganz vitalen Bedürfnissen. Ein Mensch, der diesen Mut nicht aufbringt, seine eigene Wahrheit anzuschauen, ist blind. Das zeigt uns die berühmte Geschichte von der Heilung des Blindgeborenen in Joh 9. Da ist ein Mensch von seiner Geburt an blind. Offensichtlich hat er eine so schreckliche Kindheit erlebt, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Er hat sich seine eigene Welt zurechtgemacht, um zu überleben. Er hat sich gegenüber den negativen Bildern, die andere ihm übergestülpt haben, ein hohes Idealbild zurechtgelegt. Aber dieses Idealbild stimmte nicht überein mit seiner eigenen Realität. So musste er die Augen davor verschließen. Jesus heilt ihn nun, indem er auf den Boden, auf die Erde, auf den humus spuckt und mit Speichel einen Erdbrei zusammenrührt. Diesen dreckigen Brei schmiert er dem Blinden in die Augen, um ihm gleichsam zu sagen: „Du bist doch auch von der Erde genommen. Söhne Dich aus mit dem Dreck, der in Dir ist. Nur dann kannst Du wieder sehen. Du brauchst den Mut zur Wahrheit, zu Deiner Menschlichkeit, zu Deiner Erdhaftigkeit. Dann wirst Du mit offenen Augen durch die Welt gehen können.“
Demut als Mut zur eigenen Wahrheit ist für die Mönche Kennzeichen echter Spiritualität. Wen der geistliche Weg überheblich gemacht hat, wer sich über die andern stellt, die da von ihren Launen und Trieben beherrscht werden, der ist seiner eigenen Wahrheit noch nicht begegnet. Hermann Hesse schildert das in seinem Buch „Siddharta“ in faszinierender Weise. Da ist Siddharta, der sich zuerst in harter Askese übt, darin aber scheitert. Dann zieht er in die Welt hinaus und lebt alle seine Begierden aus. Schließlich ist er dieses Leben satt und zieht sich wieder zurück. Am Fluss bekommt er auf einmal die große Erleuchtung. Da sieht er die „Kindermenschen“, wie sie auf einem Boot den Fluss überqueren. Früher hätte er sich über sie erhoben. Doch jetzt fühlt er mit ihnen. Er spürt eine tiefe Einheit mit ihnen. Er ist genauso wie sie. Er hat Mitleid mit ihnen, aber auch Hoffnung. Er verurteilt keinen, sondern er weiß: Für sie alle gilt die größere Liebe, die alles verwandeln kann. Der Engel der Demut hat ihn in seine Schule genommen und ihn gelehrt, dass er nur dann die Einheit mit den Menschen und mit sich selbst erfahren kann, wenn er bereit ist, zu ihnen und zu seiner eigenen Wahrheit hinabzusteigen.
Demütige Menschen sind nicht Menschen, die sich selbst klein machen, die sich vor allen Aufgaben drücken, weil sie sie sich nicht zutrauen. Es sind nicht bucklige Menschen, die in falscher Unterwürfigkeit sich selbst entwerten. Sondern es sind Menschen, die den Mut zu ihrer eigenen Wahrheit haben und daher bescheiden auftreten. Sie wissen, dass alle Abgründe dieser Welt auch in ihnen sind. Daher verurteilen sie niemanden. Weil sie sich zur Erde ihrer Wahrheit gebeugt haben, können sie zu Engeln der Demut werden, die gebeugte und gescheiterte Menschen aufrichten.
Humilitas hat auch mit Humor zu tun. Der Demütige hat Humor. Er kann über sich lachen. Er hat Abstand zu sich. Er kann gelassen auf sich schauen, weil er sich erlaubt hat, so zu sein, wie er ist, ein Mensch der Erde und ein Mensch des Himmels, ein Mensch mit Fehlern und Schwächen und zugleich liebenswert und wertvoll. Ich wünsche Dir, dass Dir der Engel der Demut den Mut schenkt, Dich in Deiner Erdhaftigkeit und Menschlichkeit anzunehmen und zu lieben. Dann wird von Dir Hoffnung und Zuversicht ausgehen auf alle, denen Du begegnest. Der Engel der Demut wird um Dich herum einen Raum schaffen, in dem Menschen den Mut finden, hinabzusteigen in ihre Wirklichkeit, um geradeso aufzusteigen zum wahren Leben.
...man(n)/frau möge mir die Länge des Zitates verzeihen, I.