Frühling
In tauiger Nacktheit eine junge Wiese, dünne silberne Stämme nackt, kühle Blütenblässe in der Luft.
Ein rothaariges Mädchen nackt bis zu den Hüften. Nur um die Füße ein Gewand blaugrau aus Sonnenrauch.
Durch die Wiese langsam ein glattes Wasser, entlang Weidengefaser, Röhricht, so um den Weiher und den Hügel hinauf.
Eine bleiche Reifstarre, ein Frösteln im Grün und über den rotvioletten Buschweiden. Aber im zarten Wasser ein milchsüßes Blau und ein Rosa wie Mandelblüten, das Spiegelecho singender Wolken.
Primelstille, Veilchenwärme und erregter Erdduft ringsum.
In allem geht das halbreife Kind mit den schmächtigen keimenden Brüsten.
Ein schmales Lächeln, das Lächeln des Kindes geht im Goldschein über die Wiese, durch stille Bäume und klingt im rosigen blauen Wasser.
Sie greift nach den dünnen leeren Zweigen, das Reis saugt ihre Wärme.
Um sie im Blaßblau und Rosa und Grün drängt ein weiches Erschließen, ein gelockertes Keimen.
Silberiger Duft ist fern über die Höhe geweht, Samtstaub von Blüten, tauender Reifhauch über allen Farben.
Das Goldgrün und das bereifte Blaugrün lispeln ein Sonnenscheinlied, das blaurote Gestrüpp wispert es und die grünweißen Schneeglöckchen neigen sich, schaukeln in daunenweichen Lüften.
Der Zug der Zwergweiden trottelt den Hügel hinauf. Nur die Nächsten warten, lauschen mit dünnem, sehnsüchtigem blauen Blut und zittern in der Wärmer die von dem Leibe des Kindes strömt.
Sein Fleisch ist blau und kühl, und nur vom roten Haar strahlt Wärme und aus den Augen.
Braune Knospenaugen, noch von keinem Geschehnis geritzt.
Die Lippen von den Zähnen gezogen, zwischen den Zähnen lispelt sie das Sonnenlied.
Die braunen Augen horchen den Lippen und flüstern und lächeln mit den Lippen.
Sie geht mit weichem kosenden Schritt. Sie vergißt keinen und grüßt alle.
Sie ist eben erst erwacht aus dem reifdünnen Grase ohne Staunen, ohne Wundern
es ist Frühling und sie streichelt ihn und lächelt mit seinem Rosa, seinem Blau, seinem Grün und seinem Silber.
Dauthendey, Max (1867-1918)