Einmal im Bett schlafen
Immer häufiger kommen meine Träume bei der Arbeit. Ich wehre sie nicht mehr mit anderen Gedanken ab, sondern lasse sie einfach zu ... auch wenn mir die Warnung und Prophezeiung Babettes im Hinterkopf rumspukt, dies sei der Anfang vom Ende meiner Callgirl-Karriere.Ein Hotel. Ein Zimmer. Ein Bett. Mein Arbeitsplatz. Sei gegrüßt beliebig austauschbares Hotel mit den viel zu dünnen allergikerfreundlichen Decken und den viel zu harten, kurzen Kissen auf den Betten. Seid gegrüßt ihr zwei altersschwachen Stühle. Du wackliges Tischchen. Ihr verblichenen Vorhänge. Ihr Flecken auf dem Boden. Du dröhnende Hochbahn draußen, die seltsamerweise U-Bahn genannt wird.
Kein Zauberstab verleiht euch ewige Schönheit mit leichtem Schlag, niemals werdet ihr einen Platz in meiner Erinnerung bekommen, denn ich werde euch alle vergessen haben, sobald ich hier wieder raus bin.
Einmal möchte ich ins Bett und ganz normal schlafen. Träumen - im Bett. Liebe machen - nicht ficken - im Bett. Irgendwie leben - im Bett. Nicht nur halbe Stunden oder stundenweise. Eine ganze Nacht mit einem Geliebten. Nicht nur Zeitbruchstücke in Abhängigkeit der Dauer für Geld. Einmal den ganzen Atem einer Nacht kosten, bis er sich in einem Morgen erschöpft ...
Meistens schlafe ich in meinem alten Ledersessel, wenn ich nichts anderes zu tun habe - sprich: Wenn ich gerade keinem Kunden zur Verfügung stehe.
So gerne würde ich einmal die Nacht über Wache halten und den Schlaf eines geliebten Mannes beschützen. Seltsam, so ein Mann. Der Schlaf nimmt ihn in seine Obhut, festgesetzt, geplant, als hätte der Mann eine Uhr in seinem Körper: So? Ja! 23 Uhr! Zeit die Gedanken auszuschalten, die Welt zurückzulassen und zu schlafen. - Solche Gewohnheiten verschaffen ihm Sicherheit und Funktionstüchtigkeit, gerade dann, wenn bei mir das Grübeln beginnt.
Wie anders ein Mann aussieht, wenn er schläft!? Die Liebe ist ausgetauscht, Erschöpfung, Speicher wieder aufladen. Manchmal habe ich Mühe, einen Schläfer wieder zu erkennen. Entrückt, nicht mehr erreichbar, beinah´ ein Feind in seiner trüben Besinnungslosigkeit, von der ich ausgeschlossen bin und wohin ich ihm nicht folgen kann.
Doch der Schlaf eines Geliebten, wie anders wäre er: Ich verzichtete auf meinen, nur um seinen zu lieben. An seiner Seite wollte ich mich auflösen, wollte ich erlöschen, wollte ich weg treiben - so will ich einmal leben im Bett, wachen, die Nacht des Geliebten einatmen, seinen Schlaf umarmen, seine ganze, geheim gehaltene Welt spüren ...
Ruhig wäre sein Atem nach dem Sturm der Liebe, warm, eintönig, vielleicht auch und erst recht zu friedlich und heil ... gerade deshalb schon irgendwie ... dumm.