Hach, Ostwestfalen! Zentrum wahrer Höflichkeit und angstfreier Männer!
War mir auch neu, scheint aber so zu sein, wenn ich die Beiträge lese.
"Bla, bla, bla...Früher war alles besser.""Bla, bla, bla...Heutzutage sind die Menschen alle so unhöflich." "Mimimi...Als Mann kann man es ja gar nicht mehr richtig machen!"
Kann ich nicht bestätigen.
Ich begegne auch unhöflichen Menschen, aber ich sehe ebenso täglich welche, die sich die Tür aufhalten, andere an der Kasse vorlassen, in der Bahn für alte oder gehbehinderte Menschen aufstehen, helfen wenn etwas herunter fällt etc.
Aber natürlich hat das auch etwas mit durch Erwartung gesteuerter Wahrnehmung und Gewichtung zu tun. Wer überzeugt ist, dass in einem ominösen "Früher" (das man besser nie exakt benennt, um nicht auch mit den Nachteilen und Problemen der Zeit konfrontiert zu werden) alles besser war, der wird diese Einstellung durch seine Wahrnehmung stützen.
Außerdem begegne ich fast ausschließlich Männern, die bereit und fähig sind, ihr Verhalten der Situation und dem Gegenüber anzupassen.
Sind ja scheinbar ganz exotische Exemplare.
Was ist nun aber mit der speziellen (?) Höflichkeit beim Date?
Da kommt für mich zu der o.g. allgemeinen Freundlichkeit, die man jedem
Menschen entgegenbringen kann und sollte, solange er/sie sich nicht durch eigenes Verhalten disqualifiziert, im besten Fall eine individuelle
personengebundene Wertschätzung, die in kleinen Gesten Ausdruck finden kann.
Nichts widerspricht dem m.E. mehr als standardisierte Handgriffe und Verhaltensweisen.
Wie absurd ist es, ausgerechnet jemanden, der einem gefällt, nach einem Standardprogramm für den Umgang mit "den Männern" oder "den Frauen" behandeln zu wollen.
Bei echtem Interesse zeige und erwarte ich die Bereitschaft, eine Persönlichkeit und deren Charakter kennenzulernen.
Das heißt auch, individuell herauszufinden, welche Art und welches Ausmaß historischer "Kavaliers-Kaspereien" erwünscht ist.
Für mich gelten zwei Regeln.
1.
Mitdenken und geschlechtsunabhängig Hilfe anbieten, wo
Bedarf ersichtlich oder wahrscheinlich ist oder man jemandem das Leben einfacher gestalten kann.
Das betrifft z.B. das Öffnen von Türen, Hilfe beim Tragen, oder das Anbieten des eigenen Sitzplatzes.
Ja, das darf auch in die Jacke helfen sein,
wenn es denn tatsächlich hilfreich ist.
Grundsätzlich für mich total überflüssig, weil ich keine Korsetts trage oder anderweitige Bewegungseinschränkungen aufweise. Als ich aber nach einem Schlüsselbeinbruch viele Wochen den rechten Arm kaum heben konnte, war Hilfe recht sinnvoll und erstaunlicherweise haben die Menschen in meinem Umfeld (auch die männlichen) das alle verstanden und unaufgefordert geholfen, bis ich mich wieder normal bewegen konnte.
2.
Wenn eine solche Benimmregel als geschlechtsspezifisch definiert ist und andersherum ausgeführt zu Irritation führen oder gar als peinlich empfunden würde, lehne ich sie ab.
Da ich davon ausgehe, dass ich von 98% aller Männer mindestens sehr konsternierte Blicke ernten würde, wenn ich ums Auto sprinten, die Tür öffnen und ihnen die Hand zum Aussteigen reichen würde, an ihrem Stuhl herumrückte oder für sie bestellte, verbitte auch ich mir dieses Benehmen, solange nicht eine spezielle Situation (Defekt der Beifahrertür, gebrochenes Bein, Kellner spricht ausschließlich Chinesisch) dieser Handlung einen
Sinn verleiht.
Wer nun greint, dass andere Frauen dieses Verhalten aber ganz toll finden und Man(n) ja nie wissen könne, was für ein Exemplar man gerade vor sich habe, dem sei gesagt:
Das stimmt.
Es gibt kein Verhalten, das garantiert von gut 50% der Bevölkerung geschätzt wird und der Umgang mit Menschen birgt das latente Risiko, etwas falsch zu machen.
Kommunikation und Empathie (Verschont mich mit "Männer können nicht empathisch sein.") können diese Problematik aber minimieren.