Ich finde nicht, dass das eine das andere ausschließt. Oft entstehen solche Klischees aus fehlendem Verständnis für die Rollenverteilung. Ich spreche mal aus meiner Sicht, wie ich persönlich "mein" BDSM betrachte:
Im Normalfall sollte man denken, der dominante Part bestimmt, führt, weist die Richtung und steckt die Grenzen dessen, was getan oder gelassen wird. Dazu ein ganz klares Jaein. Zu Dominanz und Devotion gehören immer zwei, und der zweite, devote Part, hier also die Frau, trägt mindestens genauso viel zu den Absprachen bei, wie sich die Beziehung gestalten soll. Es ist ein dummer Witz, dass D/S auf Augenhöhe stattfindet, aber nach meiner Ansicht ist es noch mehr als das. Der wahre grenzensetzende Part ist im angesprochenen Beispiel die devote Frau. Sie gibt den Rahmen des Spielfeldes vor, innerhalb dessen sich der Mann, ihr Dom, frei austoben darf. In gewisser Weise ist es die devote Frau, die die Fäden in der Hand hält, weil sie geschehen lässt, was sie erlaubt, toleriert und absegnet. Nichts geschieht gegen ihren Willen (auch wenn das manchmal anders anmutet).
Von diesen Gegebenheiten abgesehen, erfordert es für mich, als devote Frau, mehr Stärke, devot zu sein, als dominant. Ich kenne die andere Seite, habe sie über Jahre hinweg gelebt. Jede Rolle erfordert ihre eigenen Voraussetzungen. Aber echte, natürliche Devotion ist eine Geisteshaltung, die über mehr Stärke und Grundfestigkeit hinausgeht, als es von außen scheint. Devot sein ist nicht immer nur passives Geschehenlassen. Manchmal - nein, oft, ist für mich Devotsein mit viel mehr Kraftaufwand verbunden, als es früher die Dominanz war.
Für mich sind daher devote Menschen - ob Mann, Frau, Divers, oder irgendwo dazwischen - starke, kraftvolle, entschlossene Personen, die sich selbst erkannt haben und aus dieser Stärke heraus die Fähigkeit besitzen, die Kontrolle vertrauensvoll abzugeben. Dieses Geschenk zu machen, ist ein Akt der Stärke schlechthin. Für emanzipierte Frauen mit entsprechender Neigung sollte Devotion also keine Hürde darstellen, sondern einen möglicherweise weiteren Schritt auf ihrem Weg.