Mich kotzt bei der ganzen...
...jetzt wieder aufbrechenden allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Diskussion (mal abgesehen von den kindergartenähnlichen Plänkeleien erwachsener Menschen hier im Fred) einiges an.
Erst mal vorweg: Es handelt sich um eine schreckliche Tat... von der aber immer noch nicht wirklich die Hintergründe bekannt sind. Dass die Täterdiskussion zur Zeit im Fokus steht und die Opfer so gar nicht erwähnt werden erfüllt mich persönlich mit zwiespältigen Gefühlen: einerseits finde ich es erschreckend, dass die wirklich Betroffenen mal wieder aussen vor sind; andererseits ist es vielleicht auch ganz gut, denn dann werden sie einigermaßen in Ruhe gelassen...wobei es nur ein Frage der zeit ist, bis die schlagzeilen- und storygeile Sensationspresse sich auf die Opfer stürzen wird und im Detail jede Gefühlsregung in den letzten Tagen öffentlich machen will.
Was mich dermaßen nervt, dass nach einem solchen Fall mal wieder diese typischen Stammtischparolen geklopft werden (Ruf nach kurzem Prozess und Todesstrafe, Versagen des Staates, Niedermachen des gesamten Sportschützenverbandes, Unverantwortung der Eltern, Verbot von bestimmten Computerspielen, usw.). Es ist für mich wie das Sabbern der hoffentlich allseits bekannten Pawlow'schen Hunde.
Konkret:
Die Eltern des Amokläufers sind schuld! zum einen stimme ich LaChatte zu, dass solange nicht ein offizielles Untersuchungsergebnis vorliegt, noch nicht wirklich gesichert ist, wie die Waffen des Vaters in der Wohnung gelagert waren und wie leicht oder schwer sie zugänglich waren. Allerdings sehe ich es als sinnvoll an, sollte hier ein schuldhaftes Verhalten der Eltern nachgewiesen werden, dass entsprechend die Register unseres Strafrechtes greifen. Ich gebe allerdings bei aller Hetze auf die Eltern zu bedenken: Ich möchte zur Zeit nicht in deren Haut stecken und auch nicht die Schuldgefühle haben, die die beiden jetzt mit Sicherheit verarbeiten müssen. Nicht nur dass die beiden vollkommen unverhofft ihren Sohn verloren haben... sie sind nun mit einem Sohn konfrontiert, den sie zu kennen glaubten und von dem sie offensichtlich nichts wirklich wußten.
Und bevor jetzt Mutmaßungen über die Intensität der Erziehung und des Kontaktes zwischen Eltern und Jugendlichen angestellt werden - Leute, der Junge war 17 jahre alt, mitten in der Pubertät und damit mitten in der Widerstands- und Abnablungsphase gegenüber seinen Eltern. Wie wart ihr denn in dem Alter? Und wieviele von Euch haben sich in ihrem Zimmer vergraben (und zwar nicht nur für einen Tag, sondern für Wochen), weil Euch die Alten aber so was von nerven und ihr einfach in Ruhe gelassen werden wollt. Wart ihr da immer für Gespräche über Eure Gefühle und so überhaupt zu haben???
Verurteilt nicht, bevor nicht die Hintergtründe sauber recherchiert sind!
Wir brauchen strengere Waffengesetze! Wieso das denn??? Deutschland hat eines der strengsten Waffengesetze der Welt. In diesen ist klar geregelt, wie Waffen aufzubewahren sind. das Problem ist doch nicht das Gesetz, sondern dass sich manche Leute nicht dran halten und dass es einfach unverhältnismäßig wäre, hier ständige, natürlich unangekündigte Kontrollen durchzuführen. Niemand will einen Polizeistaat, aber die polemischen Schreie gehen genau in die Richtung.
In anderen Ländern wie z.B. der Schweiz hat jeder Militär- und Reservepflichtige seine Waffe mit nach Hause zu nehmen. Trotzdem hat die Schweiz keine hohe Amokläuferstatistik. Gleiches gilt z.B. für Israel.
Ich sehe das Problem nicht in der Tatsache, dass zu Hause Waffen aufbewahrt werden, sondern in der Frage, wieso jemand auf den Gedanken kommt, mit solchen andere Menschen und sich selbst umzubringen.
Wir brauchen mehr Schulpsychologen Der Amokläufer war bereits seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr auf der Realschule. Mir ist nicht ganz klar, wie über obige Forderung in diesem Fall überhaupt diskutiert wird. Zudem stört mich, dass die Schule nun für alles präventiv zuständig sein soll. ich glaube, die Lehrer sind größtenteils schon jetzt damit überfordert, dass sie die mangelnde Erziehung von überforderten Eltern ausgleichen sollen, bei Klassen mit Migrationshintergrund auch noch die Kulturunterschiede berücksichtigen usw.
Und eins gibt mir - zumindest was die Rufe nach mehr Schulpsychologen aus den Reihen der Politik angeht - zu denken. nach dem Amoklauf in Erfurt wurde die gleiche Diskussion schon mal geführt. Es wurden jede Menge Schulpsychologen eingestellt...und von denen sind nur noch ein Bruchteil in Amt und Würden - der Rest fiel dem Rotstift zum Opfer. Hier wird m.E. Wahlkampf betrieben...und das auf eine Art und Weise, die ich schlichtweg nur polemisch und geheuchelt finde.
Diese Computerspiele gehören verboten Klingt zunächst mal sinnvoll und logisch. Denn bei den bekanntesten Amokläufen der letzten Jahre wurden immer brutale Computerspiele auf den PC's der Jugendlichen gefunden....aber auch Horror- und Splatterfilme. Aber mal ehrlich - die weitaus größere Mehrheit unserer Jugendlichen (und das ist keine Behauptung, sondern wurde - wo weiß ich leider nicht mehr - vor gut zwei Jahren in einer unabhängigen Studie bestätigt) spielt solche Spiele. Sind das alle potentielle Amokläufer??? Es kommt doch nicht nur darauf an, was gespielt wird, sondern vor allem wie es gespielt wird und wie oft...und vor allem WER es spielt. Allein diese Pauschalaussagen erinnern mich an die 70/80iger-Jahre-Diskussion über den schädlichen Einfluß der Tom & Jerry-Cartoons, wo ja auch argumentiert wurde, dass diese Comics die Gewaltbereitschaft der Kinder unendlich erhöhen - war nachweislich einfach nicht der Fall.
Ausserdem - was würde passieren, wenn diese Spiele auf den Index kommen. Erstens würden sie erst recht interessant für die Jugendlichen. Zweitens würden sie dann schwarz unter den Jugendlichen gehandelt werden. Und drittens wären sie über das Internet (nämlich über ausländische Homepages) trotzdem erwerbbar. Diese Forderung nach Verbot wäre nun wahrlich nicht umsetzbar, weil sie sofort ausgehebelt wäre.
Das ist wirklich Verantwortung der Eltern, sich drum zu kümmern, was die Kids so auf ihrem Computer spielen...und einfach mal über den eigenen Schatten springen und mitspielen - allein das wäre schon ein Zugang zum eigenen Kind.
Ich würde mir insgesamt einfach mehr Nüchternheit und Realitätsdenken bei der gesamten Aufarbeitung solcher schlimmen Taten wünschen. Am wenigsten hilft es, die immer gleichen Scheißhausparolen möglichst laut in die Welt zu brüllen - Hauptsache das Publikum wird unterhalten.
Und ich würde mir sehr wünschen - auch hier im Forum - dass Leute erst mal ihr Hirn einschalten und überlegen, was für Vorteile sie haben in solch einem liberalen und demokratischen Land zu leben, bei dem auch Täter noch wie Menschen behandelt werden und Meinungen ungestraft öffentlich geäußert werden dürfen....bevor diese selten dämlichen Rufe nach Todesstrafe und ähnlichem Mist geäußert werden.
Übrigens, so als letztes noch - statistisch gesehen ist fast jeder zweite hier, der nach irgendwelchen politischen und staatlichen Handlungen schreit, einer, der genau diese, die er anschreit, nicht wählen will... weil er/sie sich nicht an den letzten Wahlen beteiligt hat. Und das wäre überaus unverantwortliches Verhalten und messen mit zwei Maßstäben.