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Sexpositiv: Modewort oder gelebte Realität?

****eee Paar
539 Beiträge
Ich definiere mich als Frau. Und zwar gerne.


Und genau das sollte doch allen möglich sein. Indem du starre Grenzen einforderst verbietest du es vielen Männern und Frauen sich als Mann bzw. Frau zu fühlen.
Du forcierst eine Gleichmacherei. Entweder jeder erfüllt die gleiche Checkliste für "Mann" oder die für "Frau". Tut er/sie das nicht besteht kein Recht auf eine sexuelle Identität?

Meine Freundin ist extrem karriereorientiert, dominant, gebildet, will keine Emotionen zeigen, kann mit Kindern so gar nichts anfangen, Familie nervt sie eher. Darf sie sich jetzt nicht als Frau fühlen, weil sie nicht genug stereotyp weibliche Charakterzüge auf sich vereint?
Darf ich mich nicht als Mann fühlen, weil mir Karriere egal ist, ich eher empathisch aufgestellt bin, mich gerne mit Kindern beschäftige und mich in einer passiven Rolle wohler fühle?

Wir fühlen uns beide als Mann bzw. als Frau. Und der einzige Zweck den Geschlechterrollen bisher für uns hatten war Ausgrenzung. Positive Aspekte kann ich da keine finden.
Wir hatten beide null Ahnung vom Begriff "sexpositiv". Ein bisschen Recherche im Netz hat geholfen; interessant ist einmal mehr, wie unterschiedlich das aufgefasst werden kann. Was für uns am besten passt, wollen wir einfach mal als Zitat einbringen:

Sexpositiv heisst nicht, dass Sexualität/Sex das Grösste ist und dass alle möglichst viel Sex haben müssen. Es heisst nicht, dass alle Kinky Sex, Swingerclubs oder Slow Sex mögen müssen. Das wäre nur eine Umkehrung des alten Liedes und somit ein neues Dogma.

Sexpositiv heisst, dass alle Menschen in ihrem eigenen Ausdruck von Sexualität respektiert werden, unabhängig davon, wie, mit wem oder wie oft sie Sexualität leben. Es gibt nicht richtig oder falsch.

Sexpositiv beinhaltet die Überzeugung, dass das einzig wichtige in einer sexuellen Handlung die Übereinstimmung aller Beteiligten ist, dass alle das Setting selbst und bewusst gewählt haben und alle Beteiligten und Betroffenen jederzeit das Recht und die Möglichkeit haben, zu intervenieren und/oder aufzuhören.

Sexpositiv heisst auch, dass andere nicht be- oder verurteilt werden wegen ihren sexuellen Wünschen, Praktiken, der sexuellen Ausrichtung oder wegen ihrer sexuellen Vergangenheit. Es geht darum, den Mut von anderen wertzuschätzen, wenn sie ihre eigene Form von Sexualität kreieren - trotz kulturellen Mythen, Fehlinformationen, Verletzungen, Moralvorstellungen, Scham oder Vorurteilen. Diese Menschen bahnen mit ihrem Mut einen Weg für eine neue Sexualität, die unkontrolliert und freudig sein darf und die bei jedem Menschen zu seiner individuellen Ausdrucksform gehört.
Dass ausgerechnet das, was in obigem Zitat als "nicht sexpositiv" beschrieben wird, an so einigen "Sexpositivity"-Parties ausgelebt werden will, spricht in unseren Augen für sich.

Mit anderen Worten: der Modebegriff ist so gar nicht eindeutig besetzt...
*****a_S Mann
8.065 Beiträge
JOY-Angels 
Dass Szene-Begriffe zu Mode-Begriffen aufweichen, gehört zum sozio-linguistischen Lauf der Dinge. Aber dennoch darf man dagegen die Stimme erheben, wenn der Begriff für ganz unpassendes und der ursprünglichen Bedeutung entgegenlaufendes verwendet wird.

"Chillen" kam in den 90ern aus der Techno-Szene und gilt seit den 00ern als Jugendsprache für "Ausruhen und Herumhängen". Wenn aber nun jemand ein hartes Fitness-Training als "Chillen" bezeichnet, kann man ihm schon sagen, dass er den Begriff schlicht falsch verwendet - Modewort hin oder her.

Und genauso bei "sexpositiv". Es ist schon OK, wenn dieser 90er-Feminismus-Begriff heute auch von Menschen verwendet wird, die sich nicht für den Feminismus engagieren. Aber wenn er anti-feministisch verwendet wird, also z.B. für/von sexistischen Machos/Playern, dann ist er schlicht falsch verwendet, und das kann man auch so sagen.
*******_zh Frau
10 Beiträge
• ich denke, sexpositiv ist ein Modewort und wird von den Personen angewendet, für welche Sex ein "Chrampf" ist. Meine: was ist so schlecht daran zu sagen: 'ich habe gern Sex'?

• ich bin positiv eingestellt zu Sex *zwinker*

• was ein sexpositiver Raum ist kann ich nicht beantworten. Vllt ein Zimmer mit einem netten, willigen Raum drin?!
******ins Frau
23.167 Beiträge
JOY-Team 
Ich zäume das Pferd mal von Hinten auf. *zwinker*

Ein sexpositiver Raum ist für mich erstmal ein Safespace indem ein Jeder seine sexuelle Identität ergründen, stärken und (er)leben kann. Ein Raum in dem ich mich für meine (konsensuellen) Wünsche nicht schämen brauche, sondern weiß, dass ich für sie nicht verurteilt werde, sondern mit ihnen im Dialog achtsam umgegangen wird.

Ich verbinde mit Sexpositivität also - ähnlich wie bereits Andere es hier formuliert haben - eine tolerante Grundhaltung gegenüber den sexuellen Wünschen, Sehnsüchten und Ausleben Anderer.

Ob sexpositiv dann ein geschaffenes Modewort ist oder geeignet ist Menschen darin zu versammeln und eine Grundlage zum Austausch zu schaffen, das mag man für mich zum jetzigen Zeitpunkt sehen wie man möchte. *g*
Ich wünsche mir einfach, dass die Werte die ich damit verbinde für Viele gelebte Realität sind, sein können und werden. *happy*

SevenSins
*****a_S Mann
8.065 Beiträge
JOY-Angels 
Um es mal an einem aktuellen Beispiel ganz leicht zu erklären:

Wenn eine Zeitung beim Frauen-Fußball darüber schreibt, welche Spielerin sexy ist, und beim Männer-Fußball über die spielerischen Leistungen, dann nennt man das sexistisch.

Wenn sich eine klassische Feministin darüber ärgert und sagt, man dürfe auch beim Frauen-Fußball nur über die spielerischen Leistungen schreiben, dann ist sie gegen den Sexismus, aber ist auch nicht sexpositiv.

Wenn nun eine moderne Feministin sagt "Och, ich schau auch gern, welche Spielerin sexy ist, und das schaue ich aber auch beim Männer-Fußball. Und ich habe einen Freund, der achtet auch auf die Sexyness der Fußball-Frauen und die der Fußball-Männer. Und wir beide unterhalten uns auch über die spielerischen Leistungen." - das nennt man dann sexpositiv.
*******966 Mann
1.678 Beiträge
Der Begriff ist mir seit längerer Zeit geläufig und ich glaube ich benutze ihn selber im Blog.

Ich assoziiere damit das Phänomen, sexuellen Thematiken und Erscheinungen positiv gegenüber zu stehen.

Für viele Unfelder ist Sexualität immer noch ein schwieriges und sehr privates Thema. Ich habe den Eindruck, es wird tendenziell wieder schwieriger, seine Sexualität auszuleben. Wir haben eine Erstarkung sittlicher Normen, religiösen Vorbehalten und Abwertung von Leuten, die Nacktheit offen zu schau stellen. Ich glaube, als Gesellschaft waren wir schon einmal weiter.
*********chen Frau
2.616 Beiträge
Sexpositiv? Nie gehört, damit kann ich nichts anfangen.

Muss ich bei jedem künstlichen Hype mitmachen? Nein, muss ich nicht.

Es gibt nach wie vor die oldschool Worte wie Offenheit, Toleranz, Wohlwollen, Achtsamkeit und wertfreies Begegnen.

Alles andere ist meiner Meinung nach überflüssig

Grüssle

Stahlwittchen
Geht mir ebenso. Zumal ich bei den Wort eher eine Krankheit verbinde, irgendwie sofort an Aids denken musste.

Anscheinend ist es ein Insiderwort.

Obwohl ich Feministin bin...ich kenne es nicht. Wahrscheinlich weil ich in den 70igern groß geworden bin...und irgendwie da wohl hängen geblieben bin.
Habe das Wort noch nie gehört vorher.
Aber eine Offene Einstellung zum Thema Sex ist immer zu begrüßen. Gibt leider viele zu Verklemmte verschlossene Menschen die mit dem Thema nicht offen umgehen können.
*******966 Mann
1.678 Beiträge
Der Begriff dürfte ja aus dem angloamerikanischen Sprachgebrauch übernommen worden sein. Und zwar in Abgrenzung zu den gecleanten sozialen Netzwerken. Keine Nippel auf FB, keine Haut in YouTube, keine Sexworte in Google. .. manche Blogger oder Podcaster in USA, die über Sex berichten, bezeichnen sich „Sex positive“.
**********ixier Mann
60 Beiträge
Wenn "sexpositiv" vor allem als tolerant definiert wird, dann wäre eine asexuelle Person, der völlig Schnuppe ist, wie andere Menschen ihre Erotik leben, also auch "sexpositiv". Um sexpositiv zu sein, brauchts doch auch eine Portion Lust.
*******eyan Mann
114 Beiträge
Sexpositiv wäre eine Gesellschaft, die Plattformen wie diese überflüssig machen würden, da Sexualität im Alltag ausgelebt werden kann und einfach dazugehört wie Essen, Trinken, Schlafen. So lange das nicht der Fall ist, dient der Begriff ja vor allem zur Abgrenzung zum Sexnegativ, was auch immer das exakt ist. Damit wird der Begriff zum Modewort, zum Kampfbegriff oder zum Marketingschmäh. Alles irgendwie nicht ideal. So verlockend der Begriff anfangs bei der Findung meiner sexuellen Identität für mich war, so sehr schiebe ich ihn nun wieder weg, weil er erst recht nur wieder eine dieser unendlich vielen Schubladen markiert.
*******_nw Frau
7.609 Beiträge
Zitat von *******eyan:
Sexpositiv wäre eine Gesellschaft, die Plattformen wie diese überflüssig machen würden, da Sexualität im Alltag ausgelebt werden kann und einfach dazugehört wie Essen, Trinken, Schlafen.

Will ich so etwas? Ich denke nicht. Irgendwie fehlt mir da eine konkrete Aussage. Ich glaube dass die wenigsten Menschen tatsächlich Sex allgemein als unnatürlich ansehen. Dieses Kriterium wäre also ohnehin bereits erfüllt, wird also wohl nicht die beabsichtigte Aussage sein.

Sollte es darum gehen dass jegliche Form und Neigung von Sexualität immer und überall wie selbverständlich ausgelebt werden sollte bin ich dagegen. Ich möchte nicht in egal welcher Lebenslage pausenlos mit dem Geschlechtsleben meiner Mitmenschen zwangskonfrontiert werden ...

Ich kann auch mit dem Vergleich nichts anfangen. Sexpositiv soll nur sein wenn Sex genauso praktiziert wird wie essen? Fastfood, beiläufig gedankenlos konsumiert? Muss ich nicht haben. Wenn das sexpositiv sein sollte bin ich wohl doch lieber sexnegativ ...
*******_zh Frau
10 Beiträge
Passt!
Zitat von *******eyan:
Sexpositiv wäre eine Gesellschaft, die Plattformen wie diese überflüssig machen würden, da Sexualität im Alltag ausgelebt werden kann und einfach dazugehört wie Essen, Trinken, Schlafen.

*******eyan Mann
114 Beiträge
Zitat von *****de2:
Ich glaube dass die wenigsten Menschen tatsächlich Sex allgemein als unnatürlich ansehen.

Sex wird von fast allen völlig natürlich betrachtet und dennoch ist der Umgang damit völlig unnatürlich. Gesprochen wird über Sex gar nicht oder meist maximal verklausuliert. Selbst mit dem eigenen Partner, der eigenen Partnerin. Dann dieses unheilvolle Kombi Sex und Schlafzimmer. Schließlich der riesige Berg von Tabus und Bewertungen, was guter und was grauslicher Sex ist.

Zitat von *****de2:
Ich möchte nicht in egal welcher Lebenslage pausenlos mit dem Geschlechtsleben meiner Mitmenschen zwangskonfrontiert werden ...

Konfrontiert werden ist nicht der Plan. Das werden wir eher aktuell. In Form von Pornos, sexualisierter Werbung, Sex in Filmen immer und überall usw. usf. Ganz im Gegenteil. Selbst wählen zu können, wäre der Plan. Aber dabei nicht ständig durch andere eingeschränkt und bevormundet zu werden.

Zitat von *****de2:
Fastfood, beiläufig gedankenlos konsumiert?

Oh nein *g* Nicht beiläufig, gedankenlos, substanzlos (das ist das Thema meistens nämlich jetzt, weil eben im Rahmen der erwähnten Restriktionen keine tiefere Auseinandersetzung damit sinnvoll möglich ist). Dafür selbstverständlich, natürlich, gehaltvoll.
**********henkt Frau
7.398 Beiträge
Sexpositiv wäre eine Gesellschaft, die Plattformen wie diese überflüssig machen würden, da Sexualität im Alltag ausgelebt werden kann und einfach dazugehört wie Essen, Trinken, Schlafen.

Gibts - heißen Bonobos.


Finde ich nicht erstrebenswert, denn es macht Sex auch so egal wie Essen, Trinken und Schlafen.

Für mich möchte ich, dass Sex etwas Besonderes ist.
*******966 Mann
1.678 Beiträge
Der Wunsch nach Sex ist uns Menschen offenbar tief in den Grundbedürfnissen verankert und in Teil der DNA, ganz offensichtlich.

Und ich vermute daraus entsteht das Problem. Wir wollen das nicht akzeptieren. Wir haben uns alle möglichen kulturellen Codes angelegt, um sexuelle Bedürfnisse zu reglementieren. Nicht alles ist kulturell, die Eifersucht sicher nicht. Aber all die religiösen Überbautem, das romantische Ideal, all das gibt Sexualität einen anrüchigen, unerwünschten Touch auf sozialer Ebene. Das schafft die vielleicht nict “sexnegative“, aber asexuelle Welt aus der man versucht alles Sexuelle zu entfernen.

Auf individueller Ebene hat man auch oft den Wunsch, diese sexuelle Lust besser in den Griff zu bekommen,zu ignorieren, sie nicht zu haben. Es gelingt leider schlecht. Es passieren oft ungute Dinge mit der Psyche, wenn man seine eigene sexuelle Lust so abwehrt.

Trotzdem wäre es in gewisser Weise gut. Man hätte nich mehr den Drang, ständig Sex mit einer Frau haben zu wollen, würde Frauen an sich nicht mehr attraktiv finden, muss nicht mehr versuchen, Frauen von sich zu überzeugen oder zu einem ONS zu überreden.

Die Menschheit könnte friedlicher leben. Sexismus wird bedeutungslos, Prostitution unnötig, Unterdrückung von Frauen ebenso.

Vielleicht geht das eines Tages, aber noch sind wir nicht so weit.
Trotzdem wäre es in gewisser Weise gut. Man hätte nich mehr den Drang, ständig Sex mit einer Frau haben zu wollen, würde Frauen an sich nicht mehr attraktiv finden, muss nicht mehr versuchen, Frauen von sich zu überzeugen oder zu einem ONS zu überreden.

Ich lebe privat in einem sehr sexpositiven Umfeld.

Das ist nett, bedeutet aber nicht, dass ich jeden bedürftigen Menschen ficken will. Schließlich esse ich auch nicht alles. *ggg*

Sie
*******_zh Frau
10 Beiträge
Wie kann Essen (und Schlafen) egal sein???
Zitat von **********henkt:

Finde ich nicht erstrebenswert, denn es macht Sex auch so egal wie Essen, Trinken und Schlafen.


*******966 Mann
1.678 Beiträge
@*********t6874
Zu dem genetisch verankerten Sexdrive gehört leider auch, dass du als Mann irgendwie immer das Gefühl hast, etwas untervögelt zu sein. Das kann man als bedürftig bezeichnen. Ist auf jeden Fall so. Und genau das ist ja das Problem.
Zitat von *******966:
@*********t6874
Zu dem genetisch verankerten Sexdrive gehört leider auch, dass du als Mann irgendwie immer das Gefühl hast, etwas untervögelt zu sein. Das kann man als bedürftig bezeichnen. Ist auf jeden Fall so. Und genau das ist ja das Problem.

Na, es gab auch Phasen in meinem Leben, da konnte ich nicht so SM machen (aktiv), wie ich wollte und war chronisch unterspielt, weil da kein passender Mann für mich auffindbar war. SM kann ich mir blöderweise noch nicht einmal mit mir selbst machen. ^^

Sex ist dagegen easy: SB geht immer, um dem Untervögelt-Gefühl entgegen zu wirken. Mit sexuellem Sadismus und als Reaktionsfetischistin geht das nicht so leicht.

Ich kann dich da schon nachempfinden, wenn auch auf einer anderen Ebene. Ich habe da eben einen etwas anderen genetischen Sexdrive als Du. *lach*

Das ist dann eben wie es ist. Ist niemand da, der mich reizt, der mit mir spielen will, muss ich das aushalten lernen. Ich übe mich dann in Vorfreude auf den Augenblick, wo sich jemand einfindet, der zu mir passt. Oder besuche eine einschlägige Party und guck, ob sich jemand findet, der mit mir spielen möchte. Oder warte auf eine Gelegenheit, woanders mitzuspielen.

Da bin ich quasi das weibliche Äquivalent zum Soloherren im Swingerclub. *ggg*

Sie
@*********t6874


Richtig.

Wenn ich als Frau allein unterwegs bin, ist es ähnlich. Auch früher schon.
Manchmal passte es, manchmal halt nicht.
Mich nervt es eher dann, wenn nix passt.
Mittlerweile kann ich es kontrollieren und nehme es gelassen. War nicht immer so.
Leider ist es in meinen Augen im Großteil der Gesellschaft ein Modewort. Ich kenne nur kleine Gruppen, in denen offen geredet und diskutiert werden kann, wo offen kommuniziert wird. Und so wünsche ich mir das für unsere gesamte Gesellschaft.
Daniel & Aleksandra von Liebensfreude
*********eude
138 Beiträge
(6+) Eine stille, nachhaltige Revolution? => EVOLUTION
Vielen Dank an @*****url für diesen spannenden Thread. Im folgenden nehme ich Bezug auf deine Fragen und ergänze sie noch um 2 weitere Fragen, die mir am Herzen liegen.


Ist sexpositiv für mich ein Modewort oder gelebte Realität?
Sexpositiv ist tatsächlich gerade sehr en Vogue. Der Ursprung liegt allerdings weit zurück, in den 20ern des letzten Jahrhunderts. Geprägt wurde der Begriff von Wilhelm Reich er gilt als Vater der Sexpositiv-Bewegung. [1]

Mode ist der Begriff auf jeden Fall und er animiert viele Menschen dazu, sich mit dem Thema Sexualität differenzierter auseinanderzusetzen. Gesellschaftliche Veränderungen wie die Ehe für homosexuelle Paare, gefühlt zunehmende Akzeptanz von BDSM und alternativen Beziehungsformen sprechen dafür, dass sich die Worte auch in Taten umsetzen. Ich versuche mich einzusetzen für eine stille Revolution die dafür um so nachhaltiger zu mehr Freude am Lieben führen soll.

Woher kommt unsere negative Einstellung zum Thema Sexualität?
Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wir werden von Natur aus mit einem sehr sinnlichen Körper geboren. Religion und soziale Normen konfrontieren uns jedoch früh mit NEINS. Diese Verneinung lässt uns wohl „normal“ Verhalten, doch die unterdrückten Bedürfnisse lassen sich so weder befriedigen noch beseitigen. Wir fühlen uns vom Thema Sexualität sehr angezogen und zugleich abgestoßen. Daraus resultieren Gefühle der Scham bis hin zur Schuld. Das ist verwirrend und macht uns verletzlich. Also weg damit, in die Schublade des Unbewusstseins und einen fetten Stempel drauf: TABU! Das Ablehnen eines zu tiefst menschlichen Bedürfnisses, das nicht-hinschauen-wollen ist für mich der Ursprung der Sexnegativität.

Was verbinde ich mich mit Sexpositivität
Sexpositivität hingegen, ist für mich eine annehmende Grundhaltung. Ich bin der Vielfältigkeit der (sexuellen) menschlichen Bedürfnisse gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt. Die Klammer steht da, weil Sex ein undurchsichtiger Sammelbegriff ist. Unsere Sexualität ist eng verknüpft mit einer Vielzahl menschlicher Bedürfnisse. Dazu gehören unter anderem, Beziehung, Sinnlichkeit, Sicherheit, Liebe, Wertschätzung, Anerkennung bis hin zur Selbstverwirklichung. Alle diese Bedürfnisse heiße ich willkommen und setze mich dafür ein, dass wir bewusst und wohlwollend mit ihnen umgehen.
Ansonsten spricht @*********lfink viele Punkte an, die für mich persönlich auch sehr wichtig sind. Speziell: neugierig und offen bleiben, immer mal wieder meine Komfortzone verlassen. Es gibt so vieles zu entdecken und zu lernen...

Bedeutet Sexpositiv, dass alles jederzeit möglich ist?
Bezüglich dem Ausleben sexueller Bedürfnisse möchte ich mich etwas abgrenzen. Nicht jedes Bedürfnis muss, soll, darf ausgelebt werden. Unsere Bedürfnisse entspringen oft unserem tiefsten Innern, ohne dass wir viel dafür können. Diesen Bedürnissen kann ich weitestgehend wertungsfrei begegnen. Der Umgang mit diesen Bedürfnissen jedoch liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Ob ein Bedürfnis ausgelebt werden kann hängt für mich von zwei wesentlichen Punkten ab:
1) Dem Einvernehmen der beteiligten und urteilsfähigen Menschen
2) Keine "schadhaften" Muster zu bedienen (z.B. real Sadismus/Masochismus, Pädosexualität, Sodomie...)


Was macht sexpositive Räume aus
Sexpositivität bedeutet für mich auch Sprache für unsere menschlichen Bedürfnisse zu finden. Ausdrückliches Wissen und Fähigkeiten auszutauschen und weiterzugeben. Eine Kultur zu finden, in welcher wir uns über Sexualität entspannt und differenziert unterhalten können. Genau so, wie wir das zum Beispiel über das Bouquet eines leckeren Weines oder über den Verlauf unserer Lieblings-Fernsehserie tun. In unseren Beziehungen, in unserer Gemeinschaft sowie in unserer Gesellschaft. Plattformen wie der JOYclub, das BarcampSex, und unsere Veranstaltungsreihe Sexpositiv (6+) sind tolle Plattformen, die sexpositive Kultur zu vernetzen, sichtbar und somit mehr Menschen zugänglich zu machen. Zudem bieten wir in unseren Workshops und Spielformaten weitere sichere und vertrauensvolle Räume an, in denen sich Menschen in ihrer eigenen Sexpositivität entdecken und ausprobieren können.

Auf eine stille, nachaltige Revolution. Auf Evolution. Für mehr Freude am L(i)eben!

Herzlich,
Daniel mit Aleksandra


Quelle
[1] Johansson, Warren. 1990. "Sex Negative, Sex Positive". In: Dynes WR (ed). Encyclopedia of Homosexuality. New York: Garland. p 1182–1183. ISBN 0-8153-1880-4.
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