(6+) Eine stille, nachhaltige Revolution? => EVOLUTION
Vielen Dank an @*****url für diesen spannenden Thread. Im folgenden nehme ich Bezug auf deine Fragen und ergänze sie noch um 2 weitere Fragen, die mir am Herzen liegen.
Ist sexpositiv für mich ein Modewort oder gelebte Realität?
Sexpositiv ist tatsächlich gerade sehr en Vogue. Der Ursprung liegt allerdings weit zurück, in den 20ern des letzten Jahrhunderts. Geprägt wurde der Begriff von Wilhelm Reich er gilt als Vater der Sexpositiv-Bewegung. [1]
Mode ist der Begriff auf jeden Fall und er animiert viele Menschen dazu, sich mit dem Thema Sexualität differenzierter auseinanderzusetzen. Gesellschaftliche Veränderungen wie die Ehe für homosexuelle Paare, gefühlt zunehmende Akzeptanz von BDSM und alternativen Beziehungsformen sprechen dafür, dass sich die Worte auch in Taten umsetzen. Ich versuche mich einzusetzen für eine stille Revolution die dafür um so nachhaltiger zu mehr Freude am Lieben führen soll.
Woher kommt unsere negative Einstellung zum Thema Sexualität?
Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wir werden von Natur aus mit einem sehr sinnlichen Körper geboren. Religion und soziale Normen konfrontieren uns jedoch früh mit NEINS. Diese Verneinung lässt uns wohl „normal“ Verhalten, doch die unterdrückten Bedürfnisse lassen sich so weder befriedigen noch beseitigen. Wir fühlen uns vom Thema Sexualität sehr angezogen und zugleich abgestoßen. Daraus resultieren Gefühle der Scham bis hin zur Schuld. Das ist verwirrend und macht uns verletzlich. Also weg damit, in die Schublade des Unbewusstseins und einen fetten Stempel drauf: TABU! Das Ablehnen eines zu tiefst menschlichen Bedürfnisses, das nicht-hinschauen-wollen ist für mich der Ursprung der Sexnegativität.
Was verbinde ich mich mit Sexpositivität
Sexpositivität hingegen, ist für mich eine annehmende Grundhaltung. Ich bin der Vielfältigkeit der (sexuellen) menschlichen Bedürfnisse gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt. Die Klammer steht da, weil Sex ein undurchsichtiger Sammelbegriff ist. Unsere Sexualität ist eng verknüpft mit einer Vielzahl menschlicher Bedürfnisse. Dazu gehören unter anderem, Beziehung, Sinnlichkeit, Sicherheit, Liebe, Wertschätzung, Anerkennung bis hin zur Selbstverwirklichung. Alle diese Bedürfnisse heiße ich willkommen und setze mich dafür ein, dass wir bewusst und wohlwollend mit ihnen umgehen.
Ansonsten spricht
@*********lfink viele Punkte an, die für mich persönlich auch sehr wichtig sind. Speziell: neugierig und offen bleiben, immer mal wieder meine Komfortzone verlassen. Es gibt so vieles zu entdecken und zu lernen...
Bedeutet Sexpositiv, dass alles jederzeit möglich ist?
Bezüglich dem Ausleben sexueller Bedürfnisse möchte ich mich etwas abgrenzen. Nicht jedes Bedürfnis muss, soll, darf ausgelebt werden. Unsere Bedürfnisse entspringen oft unserem tiefsten Innern, ohne dass wir viel dafür können. Diesen Bedürnissen kann ich weitestgehend wertungsfrei begegnen. Der Umgang mit diesen Bedürfnissen jedoch liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Ob ein Bedürfnis ausgelebt werden kann hängt für mich von zwei wesentlichen Punkten ab:
1) Dem Einvernehmen der beteiligten und urteilsfähigen Menschen
2) Keine "schadhaften" Muster zu bedienen (z.B. real Sadismus/Masochismus, Pädosexualität, Sodomie...)
Was macht sexpositive Räume aus
Sexpositivität bedeutet für mich auch Sprache für unsere menschlichen Bedürfnisse zu finden. Ausdrückliches Wissen und Fähigkeiten auszutauschen und weiterzugeben. Eine Kultur zu finden, in welcher wir uns über Sexualität entspannt und differenziert unterhalten können. Genau so, wie wir das zum Beispiel über das Bouquet eines leckeren Weines oder über den Verlauf unserer Lieblings-Fernsehserie tun. In unseren Beziehungen, in unserer Gemeinschaft sowie in unserer Gesellschaft. Plattformen wie der JOYclub, das BarcampSex, und unsere Veranstaltungsreihe Sexpositiv (6+) sind tolle Plattformen, die sexpositive Kultur zu vernetzen, sichtbar und somit mehr Menschen zugänglich zu machen. Zudem bieten wir in unseren Workshops und Spielformaten weitere sichere und vertrauensvolle Räume an, in denen sich Menschen in ihrer eigenen Sexpositivität entdecken und ausprobieren können.
Auf eine stille, nachaltige Revolution. Auf Evolution. Für mehr Freude am L(i)eben!
Herzlich,
Daniel mit Aleksandra
Quelle
[1] Johansson, Warren. 1990. "Sex Negative, Sex Positive". In: Dynes WR (ed). Encyclopedia of Homosexuality. New York: Garland. p 1182–1183. ISBN 0-8153-1880-4.