Ich war lange Zeit völlig unfähig, meinen Partner als dominant wahrzunehmen. Warum? Weil er lange Zeit mir gegenüber sehr einlenkend war, sehr darauf bedacht, mich glücklich zu machen. Ich habe ihn selten in Situationen erlebt, wo er echte Führung übernommen und einfach nur sein eigenes Ding durchgezogen hat. Er konnte das problemlos außer Haus, aber eben nicht zu Hause.
Ich kenne seinen Alltag, ich sehe ihn nackt und mit dreckigen Socken an den Füßen, ich keine seine Toilettengewohnheiten, kenne seine Unzulänglichkeiten, etc. Ich gebe ohne Umschweife zu: Für mich macht, zumindest am Anfang, ein bisschen "Glanz" sehr viel aus.
Wenn ich zum Beispiel jemand Fremdes kennenlerne, habe ich überhaupt keine Probleme damit, ein Machtgefälle zu spüren (sofern derjenige mich triggert) und dieses bleibt auch aufrecht, wenn ich allmählich seine Marotten kennenlerne und der "Glanz" erlischt. Umgekehrt ist es aber schwieriger. Wenn ich jemanden mit all seinen Marotten kennenlerne und erst hinterher ein Machtgefälle etabliert werden soll, brauche ich persönlich zumindest anfangs tatsächlich eine Portion künstlichen Glanz, um mich einfinden zu können.
Deswegen möchte ich @********geil zustimmen: Veränderte Äußerlichkeiten und gewisse Rituale können in der Anfangsphase wahre Wunder bewirken!
Bei mir hat mein Umdenken angefangen, als mein Freund einen neuen Job bekam, in dem er Hemden tragen musste. Er sah aus wie ein völlig anderer Mann. Da passierte plötzlich ein Wechselspiel zwischen uns beiden. Ich nahm ihn anders wahr, ich verhielt mich anders zu ihm, und er veränderte sich mit. Er lief zum Beispiel nicht mehr nackt durch die Bude, sondern mindestens mit Shorts, was für mich ein wenig Distanz schuf, die mich unglaublich anmachte und durch die ich ihn größer, einnehmender, kontrollierter, dominanter wahrnahm. Auch trug er für Sessions andere Kleidung als sonst, sehr dunkel, edel, zog sogar schöne, edle Schuhe an, hatte immer einen Gürtel in der Jeans, von dem ich nie wusste, ob er ihn benutzen würde. Mir selbst legt er zu Beginn immer Handmanschetten und manchmal ein breites Halsband mit mehreren Ringen an, weil wir viel mit Seilen und Fixierung spielen. Dieses äußerliche "Zurechtmachen" auf beiden Seiten entführt in eine völlig andere Welt und Wahrnehmung, finde ich.
Ich nehme ihn zwar nach wie vor nicht so wahr, dass ich in ihm einen "Herrn" sehen könnte, aber mir fällt es zunehmend leichter, mich auf ihn und seine Führung einzulassen. Dom und Sub werden wir wahrscheinlich nie, da er mich auch nicht als Sub wahrnehmen kann, aber wir sind dabei, temporär ein Machtgefälle zu entwickeln, das uns bei unseren Sessions hilft. Wichtig ist aber auch, dass man sich einlassen kann. Ich zum Beispiel hatte anfangs immer wieder die Marotte, zu allem Nein zu sagen, mich zu verweigern und da hat er überhaupt keinen Nerv für diesen Blödsinn. Mit dieser inneren Blockade steht man sich auch selbst im Weg, denn man will ja etwas Bestimmtes und das kriegt man nur, wenn man bereit ist, auch mal mitzumachen und sich zu überwinden, die Führung auch anzunehmen.
Ich finde, der Anfang ist immer das Schwerste. Das Einlassen zu Beginn fällt mir bei ihm sehr schwer (bei meinem ehemaligen Dom war das überhaupt nicht so, aber ihm gegenüber war ich von Anfang an sehr devot) und ich muss mich selbst überwinden und schubsen. Nach einer Weile wird es aber einfacher. Wir haben festgestellt, dass uns der Übergang beiden am leichtesten fällt, wenn wir uns stark auf SM konzentrieren und er mir wehtut, mich auspeitscht. Ich werde dann ganz ruhig und bin irgendwann in einem Zustand, wo ich ihm problemlos folgen kann.
Auch hat er angefangen, mir täglich Aufgaben zu geben. Nichts Sexuelles, sondern alltägliche Dinge. Ich merke immer mehr, wie er die Zügel in die Hand nimmt und aktiv bestimmt und es fällt mir mit zunehmender Zeit leichter, mich darauf einzulassen.
Vielleicht könnte euch etwas Ähnliches helfen. Ihr kennt euch im Alltag und Alltag ist oft wenig sexy und aufregend. Daraus auszubrechen und einen neuen Charakter von sich zu schaffen, dabei können Rituale helfen, andere Kleidung, aber auch Rollenspiele. Und für mich ist es zusätzlich wichtig, dass ich eine gewisse Führung und Durchsetzungsfähigkeit auch im Alltag immer wieder mal spüre, aber das kam bei uns erst nach über einem Jahr.