Toleranz im BDSM
Liebe Gemeinde,wie ihr wisst, ist BDSM sehr vielfältig. Es gibt unzählige verschiedene Philosophien, Praktiken oder (Spiel-) Beziehungsmodelle und jede(r) hat eigene Vorlieben. Man kann zwar gewisse Dinge kategorisieren und Begriffe festlegen, um einfacher darüber sprechen zu können, aber letztlich hat jede(r) sein/ihr eigenes BDSM.
Ich habe aber das Gefühl, das gerade in der BDSM-Szene (welche ich jetzt sehr weit fasse, nämlich alle, die sich einigermaßen intensiv damit befassen) eine gewisse Intoleranz gegenüber anderen Auffassungen herrscht. Das fängt bei Begriffen an; wenn jemand einfach ein anderes Verständnis davon hat, was für ihn eine Sub oder eine Sklavin ist, wird ihm schnell jegliche Kompetenz abgesprochen. (Oft wird dann noch auf einschlägige BDSM-Lexika verwiesen, als wären die das Maß aller Dinge.) Aber auch bei anderen Dingen wie Praktiken, Weltbildern oder Sicherheitskonzepten höre ich immer wieder „das ist kein BDSM mehr“. MMn wird hier oft ein Urteil gefällt wird, ohne die dahinterstehenden Menschen wirklich zu kennen. Die eigene Ansicht wird als absolut angesehen und alles, was sich außerhalb eines gewissen Rahmens dieser Ansicht bewegt, wird nicht toleriert.
Natürlich gibt es Intoleranz überall, aber ich habe den Eindruck, dass BDSM ein Bereich ist, in dem sie besonders oft vorkommt (obwohl sie gerade hier eigentlich kaum vorkommen sollte). Vielleicht liegt es an dem Bedürfnis, das Bild von BDSM zu schützen und sich von tatsächlicher, nicht-einvernehmlicher Gewalt zu distanzieren. Oder auch an der Sorge um Anfänger(innen), denen gewisse Kriterien gegeben werden sollen, um nicht in die falschen Hände zu geraten. Beides sind in meinen Augen legitime Anliegen, übertragen sich aber oft auf Bereiche, in die sie nicht hingehören und führen dort zur Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und dazu, dass die Leute sich selbst auf ein Podest stellen.
Oft erscheint es mir auch so, dass einige Menschen ihren Selbstwert daraus beziehen, Recht zu behalten und das eigene BDSM als das einzig richtige Anzusehen. Bevor diese Menschen zugeben, dass ihr Gegenüber zumindest eine valide Ansicht hat, wird lieber versucht, denjenigen als inkompetent und schlechte(n) Dom/Sub abzustempeln. „Ich bin älter und habe mehr Erfahrung, also habe ich Recht“ ist z.B. ein „Argument“, das ich sinngemäß immer wieder höre.
Mich interessiert, ob ihr einen ähnlichen Eindruck habt oder ob ich mich hier täusche. Da ich jemand bin, dem Toleranz und Unvoreingenommenheit grundsätzlich sehr wichtig sind (nicht nur im BDSM), fallen mir solche Dinge möglicherweise auch überdeutlich auf. Welche Erfahrungen habt ihr in dieser Richtung gemacht? Habt ihr euch vielleicht auch selbst mal dabei ertappt, andere vorschnell verurteilt zu haben? Meine Frage bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf den Joyclub; hier ist das Niveau ja vergleichsweise hoch. 😉
Dank im Voraus für alle Antworten.