Hm, schwierig, sehr schwierig... wie will man das fair beurteilen? Wir alle haben schließlich nur die eine Kindheit..
Ich hatte eine tolle Kindheit, aber ich hatte damals auch Freundinnen, die es nicht so leicht hatten. Trotzdem bin ich in einer ziemlichen „Blase“ aufgewachsen und war lange davon überzeugt, dass alle Eltern ihre Kinder lieben. Bis ich – viel später – Frauen und Männer in meinem Alter kennenlernte, die Horror-Kindheiten hatten, die Misshandlungen erlebt haben, Helikoptereltern hatten (ja, die gabs früher auch schon) oder total vernachlässigt wurden.
Ich würde auch nicht sagen, dass es heute pauschal zivilisierter zugeht. Meine Schwester war an verschiedenen Schulen in sozialen Brennpunkten und was da abgeht, ist alles andere als zivilisiert(er). Auch heute gibt es Kinder, die komplett sich selbst überlassen werden, die wie Dreck behandelt werden, die im Winter nicht gescheit angezogen werden, die ungekämmt und dreckig zur Schule kommen, die nichts zu essen bekommen, keinen Schulranzen (sondern stattdessen eine kaputte ALDI-Plastiktüte) haben – und von Mama und Papa heißt es nur „Dafür ist die Schule/der Staat verantwortlich“.
Aber das gab es früher auch.
Dann gibt’s schon ganz kleine Kinder, die ständig mit dem Smartphone abgespeist werden, damit Mama und Papa ihre Ruhe haben... Kinder, die nie etwas vorgelesen bekommen, die nie basteln oder malen. Aber die gab es früher auch schon. Die wurden dann eben vor dem Fernseher geparkt.
Und genauso gibt es auch heute Kinder, die behütet aufwachsen, für die Social Media und Smartphone zwar zum Alltag dazugehören (was sie ja nunmal auch tun), aber die einen normalen, gemäßigten Umgang damit lernen und trotzdem draußen spielen und sich da auch mal die Knie aufschlagen.
Als ich so ca. 9 oder 10 Jahre alt war, bekam ich einen Gameboy und durfte damit eine halbe Stunde pro Tag spielen. Das war für manche kinderlosen Freunde meiner Eltern auch der Wahnsinn („Also früher hätte es das nicht gegeben!!!“) - für uns war es aber schon eher normal, mit solchen Spielkonsolen aufzuwachsen (und ich war weiß Gott nie jemand, der viel gezockt hat).
Meine Oma z. B., mittlerweile fast 89, schwärmt auch immer von ihrer Kindheit. Natürlich war ihr Vater ein „Nazi“, der im Krieg gekämpft hat und gefallen ist. Sie ist damit aufgewachsen, „trotzdem“ aber sehr glücklich, verhätschelt und geliebt. Vor allem von ihrem Vater schwärmt sie bis heute und geschlagen wurde sie nie, im Gegenteil ist ihr wohl ziemlich viel durchgelassen worden.
Meine andere Oma hingegen (fast 10 Jahre früher geboren und leider schon verstorben) hatte keine unbeschwerte Kindheit, musste früh bei harter Arbeit mit anpacken und wurde am Kriegsende verschleppt und misshandelt.
Ich glaube also, dass es damals wie heute schöne Kindheiten und weniger schöne Kindheiten gab und gibt. Nicht der Jahrgang entscheidet darüber, sondern unter welchen Umständen man groß wird, in welcher Familie und mit welchem Umfeld.