Küss mich
In loser Folge möchte ich hier ein paar meiner Kurzgeschichten vorstellen. Fangen wir mit etwas softem an. Küss mich
»Ich freue mich«, sagte ich zu meiner Freundin.
Wir saßen beieinander am Wasser, auf der kleinen Mauer, von der aus man einen weiten Blick
über den Fluß hat. Im Osten war die Autobrücke, und im Westen, über den Hochhäusern der Tra-
bantenstädte, würde bald die Sonne untergehen. Ich mochte diesen Ort. Wohl deshalb, weil er mich
daran erinnerte, daß es noch andere, fernere Orte gab, Orte, an denen das Wasser breiter ist, so breit,
daß das ferne Ufer nicht zu sehen ist, wo die Schiffe größer sind als jene auf dem Fluß... aber hier,
hier gab es sie. Und sie, sie war ein Kind der Stadt, sie war es immer gewesen.
Ich hob eine Hand und berührte ihre Wange, spielte mit einer Haarsträhne. Sie war so schön. Ich
betrachtete ihr Profil im Gegenlicht der tief stehenden Sonne und gab mich meiner Verliebtheit hin.
Ich war verliebt in ihre hübsche Nase. Sie war so wunderbar unvollkommen, eigentlich, streng ge-
nommen, ein klein wenig zu lang, und deshalb sogar noch viel hübscher. Und ihr Mund. Ich glaube,
ich hatte mich zuerst in ihren Mund verliebt. Als ich sie kennenlernte, wollte ich einfach nur diesen
Mund berühren. Diesen kleinen, sinnlichen Mund. Erfahren wie sich ihre Lippen anfühlen, wenn
ich sie mit den Fingern berühre, und mit meinen Lippen. Ich wußte von Anfang an, daß sie gern
küßt. Ich sah es an ihren Lippen. Eine Frau, die solche Lippen hat, mußte das Küssen einfach lie-
ben. Es konnte gar nicht anders sein!
Ich drehte mich zu ihr um und schwang ein Bein über die Mauer, so daß ich rittlings darauf saß,
und umarmte meine Geliebte, streichelte ihren Rücken und ihren Bauch. Sie lehnte sich ein wenig
an mich und summte leise vor sich hin. Ich liebkoste ein wenig ihr Ohr. »Du!«
»Ja?«
»Du... ich sag so gern du zu dir.« Ich küßte sie lieb auf die Wange. Auf ihre Schläfe. Ihren Haar-
ansatz. Ihre Augen. Sie mochte es, und ich konnte es fühlen. Wohlbehagen regte sich in mir. Leich-
tigkeit regte sich in meinem Bauch, verspielt und fröhlich. Ich fuhr fort, ihr Gesicht zu liebkosen.
Noch streichelten meine Hände ihren Bauch und ihre Hüfte. Ich wußte, daß meine Hände zu Ihren
Brüsten wandern konnten, mein Mund zu dem ihren; ich spürte, daß sie es zulassen mochte, sie ließ
es mich ohne Worte spüren, mit der Art, wie sie sich an mich lehnte, sich in meinen Armen beweg-
te, sich mir mit ihrem Körper anvertraute. Die Gewißheit gab mir eine köstliche innere Ruhe. Au-
ßerdem bekam ich Lust. Und einen Steifen.
»Dankeschön«, sagte ich leise.
»Wofür denn?«
»Einfach so«, entgegnete ich und fuhr mit meinen kleinen Küssen fort. Dann sagte ich: »Oh,
kannst du mal ein Stück rücken...«
»Was ist denn?«
»So ist es besser.« Ich schaute sie an und lächelte. »Ich hab' grad einen Steifen bekommen.«
Sie kicherte leise. »So...« Sie beugte sich zu mir vor. Unsere Nasen berührten sich, ihre Augen
funkelten mich an.
»Ja...«
»Hmm-hm...«
»Hmm... weißt du was?« fragte ich.
»Was denn«, gab sie zurück. Ihre Lippen waren den meinen sehr nahe. Ich wich ein wenig aus
und strich mit meinen Lippen über ihre Wange. Sie duftete so gut. Ich atmete tief ein und wärmte
mich an ihrem Duft.
»Es gibt da was auf das ich mich freue«, sagte ich.
»Was denn?« fragte sie neugierig nahe an meinem Ohr. Ihre Lippen berührten meinen Hals, kit-
zelten ganz leicht.
»Auf unseren nächsten Kuß«, gab ich zur Antwort.
Sie schaute mich wieder an, von ganz nah. »Meinst du, damit müssen wir noch lange warten?«
»Nein gar nicht«, sagte ich und hob eine Hand zu ihrem Gesicht. Meine andere hielt sie in der
Taille, wanderte immer wieder sachte auf und ab, über ihren Bauch, bis nahe zu ihren Brüsten. »Das
24/59ist ja das schöne.« Mit der Fingerkuppe strich ich über ihre Lippen, die sich leicht öffneten. Ihre
Zungenspitze erschien, tastete nach meinem Finger. »Wir werden uns küssen. Gleich... jetzt
gleich.«
Ich zog sie noch enger an mich und schmiegte meine Wange an die ihre. »Ich küsse dich so gern,
so gern«, sagte ich ihr ins Ohr. »Ich liebe deinen Mund. Ich liebe deine Lippen. Deine Zunge. Du
küßt so toll. Und du schmeckst so gut. So lecker.«
Sie kicherte und räkelte sich in meinen Armen. »Du aber auch. Wollen wir?«
Ich schaute sie an. »Ja«, sagte ich und strich mit meiner Nase an ihrer entlang. »ja...«
Ich drehte den Kopf zur Seite und wölbte meine Lippen. Wieder kicherte sie und wich ein wenig
zurück. »Sofort, meinst du?«
»Ja...«
»Hmm. Du möchtest mich jetzt also gern küssen.«
»Ja. Ja. Ja!« Ich näherte mich ihrem Mund, aber sie schubste mich verspielt mit der Nase zurück.
»Du meinst also...« fuhr sie gedehnt fort, »du meinst, du möchtest gern, hm, deinen Mund« – sie
legte einen Finger auf meine Lippen – »auf meinen legen.. und dann...«
»Küssen!«
»So, so richtig, mit offenem Mund und so?«
»Ja.« Ich schaute mit unverhohlener Sehnsucht auf ihren Mund. Ihre Lippen bewegten sich
leicht, formten ein kleines Lächeln, öffneten sich ein klein wenig. Mit der Spitze ihrer kleinen rosa
Zunge leckte sie sich, ganz langsam, ihre Lippen. Zuerst die Oberlippe. Wie schön ihre Zunge war.
So schön wie Ihre Lippen. Und ihre Brüste, und überhaupt alles an ihr. Die Unterseite ihrer Zunge
war rosa, ein wenig dunkler als die Ränder, und sah zerfurcht aus, aber fühlte sich doch ganz glatt
an, wenn ich meine Zunge unter sie schob. Unten, in der Mitte, war das feine Bändchen, das in der
Tiefe ihres Mundes verschwand, dort, wo auf beiden Seiten so schöne, tiefe und warme Höhlen
sind. Und die Spitze wanderte nun, ganz sachte, über die obere Lippe, bewegte sich etwas vor und
zurück, Stück für Stück, und malte dort eine glänzende Spur, und ich schaute ihr dabei zu.
Nun leckte sie ihre Unterlippe, wobei sie ihre Zunge entspannte und breit machte. Ich blickte auf
die Oberseite ihrer Zunge, die sich ganz rauh anfühlt, da wo die Geschmacksknospen sind. Mit de-
nen wir uns schmecken können. Ihre Lippen glänzten, ganz feucht, schamlos und sehr, sehr appetit-
lich.
»Und dann?« raunte sie. »Möchtest du mehr? Möchtest du mir deine Zunge in den Mund ste-
cken?«
»Au ja«, sagte ich. »Das gehört dazu. Ich möchte meine Zunge in deinem Mund. Und deine in
meinem. Und deinen Busen in meinen Händen. Das gehört auch dazu.«
»Du meinst, so?« Sie nahm meine Hand und führte sie empor, zu ihrer rechten Brust. Ich wölbte
meine Hand, umschloß die Brust, drückte sie ein wenig.
»Ich glaube, doch lieber so«, sagte ich und schob meine Hand unter ihren Pulli. Erfreulicherwei-
se hatte sie nichts darunter. Ihr warmer Bauch zuckte ein wenig, als ich ihn mit meiner kühlen Hand
berührte, und ich ließ meine Hand aufwärts wandern. Jetzt hielt ich ihre bloße Brust in meiner
Hand. Wieder näherte ich mich ihrem Gesicht, und unsere Lippen waren sich nun ganz nahe, be-
rührten sich fast. »Magst du?«
Sie sagte nichts mehr. Der Kuß hatte begonnen.
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