@***dy:
Die Linde-Studie (Lancet 1997, 350:834-43) wurde 8 Jahre später durch Shang/ Egger et al (Lancet 2005, 366:726-732) widerlegt. Interessant dabei sind zwei Punkte:
1) Obwohl beide Studien weitgehend dieselben Ausgangsdaten nutzten (Shang/ Egger bekamen Lindes Daten und ergänzten sie objektiv) kamen sie zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen - in der zweiten Studie war Homöopathie nicht besser als Placebo.
2) Auf die Gegensätzlichkeit der Ergebnisse angesprochen gestand Linde systematische Fehler bzw. voreingenommene Datenauswertung in seiner Studie ein:
Die jetzige Diskussion hat ihre Wurzeln nicht zuletzt in den Problemen des Ansatzes der von Kollegen und mir 1997 vorgelegten ‚positiven’ Metaanalyse. In dieser haben wir Studien zusammengeworfen (‚gepoolt’), die man eigentlich auf keinen Fall zusammenwerfen sollte: zu Komplexmitteln und individueller Mittelverschreibung, zu Muskelkater und Migräne, mit einer Dauer von wenigen Tagen bis zu Jahren und mit völlig unterschiedlichen Zeitkriterien. Wir haben die Studien dennoch gepoolt mit dem folgenden Argument: Wenn die häufig geäußerte Hypothese richtig ist, dass alle homöopathischen Interventionen lediglich Placeboeffekte haben, dann sollte – in methodisch sauberen Studien – kein Unterschied zwischen Verum und Placebo beobachtet werden, ganz gleich, ob es sich um Grippe oder Krebs, klassische Homöopathie oder Komplexmittel geht.
Unser Ergebnis von damals lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Warf man alle Studien zur Homöopathie zusammen ergab sich eine eindeutige Überlegenheit gegenüber Placebo. Allerdings waren die Effekte in methodisch besseren Studien deutlich geringer ausgeprägt, und homöopathisch ‚bessere’ Interventionen (z.B. klassische Homöopathie) zeigten im Schnitt keine besseren Effekte als z.B. Komplexmittel. Konsistente Evidenz für Effekte einzelner Interventionen in einzelnen Indikationen konnten wir nicht finden.
Es gibt auch keinen Nachweis, daß homöopathische Maßnahmen bei Tieren helfen. Nicht mehr und nicht weniger als beim Menschen. Es ist wissenschaftlich paradox, eine nicht erwiesene Behauptung mit einer anderen nicht erwiesenen Behauptung nachweisen zu wollen.
Daß alternative Therapien bei Kleinkindern wirken wird mit der gesteigerten Zuwendung und der Erwartungshaltung der Behandler erklärt. Studien, die eine alternative Behandlung ohne gesteigerte Zuwendung untersuchen fehlen ebenso wie entsprechende Studien bei Tieren.
Auch die Begründung, daß oft oft oft Antibiotika nicht helfen und schließlich die Homöopathie Heilung bringt beruht eher darauf, daß ca 60-70% der ambulanten Antibiotika ohne tatsächliche Indikation verschrieben werden. All die Tablettchen und Medikamente werfen den Körper und das Immunsystem aber durcheinander und oft kommt es zu einer Besserung, wenn man die Schulmedizin einfach mal wegläßt. Das trifft oft auch bei Blutdruckmedikamenten, Magen-Darm-Medikamenten etc zu - unabhängig ob man im Anschluß Homöopathika einsetzt oder nicht.
Die Homöopathie hat wie auch andere alternative Methoden ihre Domäne bzw. ihre besten Ergebnisse neben psychischen Zuständen (Nervosität, Unruhe, Schlaflosigkeit etc) bei Erkrankungen von Magen-Darm, Lunge und Haut - genau die Organsysteme bei denen der stärkste psychische Einfluß auf das Krankheitsbild nachgewiesen ist...
Bislang gibt es nach meinem Wissen keinen haltbaren Nachweis (über die subjektive Empirie hinaus), daß Homöopathie einem Placebo überlegen wäre. Dazu muß man aber sagen, daß für einen wissenschaftlichen Nachweis eine isolierte Wirkung des zu testenden Mittels geprüft werden muß. Es ist aber das Wesen der Homöopathie, daß man eben nicht einfach ne Tablette verschreibt "und Tschüß", sondern daß Patientenbeurteilung, Untersuchung, Mittelauswahl etc höchst individuell und persönlich erfolgen sollen - was allerdings wieder den Placeboeffekt begünstigt (den man ja in einer Studie ausschalten würde).
Ich glaube gern an das, was sich nachweisen oder besser noch erklären läßt. Akupunktur habe ich früher mal für Hokuspokus gehalten (nicht abgelehnt sondern unter der Rubrik "Wem's gefällt" eingeordnet). Seitdem aber tatsächlich die Nachweise der Wirksamkeit erbracht wurden nehme ich sie gerne an - auch wenn keiner erklären kann, wie's funktioniert. Bei der Homöopathie fehlen trotz intensiver Versuche diese Wirksamkeits- bzw. "Überlegenheits"nachweise aber.
Ich glaube, daß Homöopathie so wie viele andere alternativen Heilmethoden hilft - aber eben nicht aufgrund naturwissenschaftlicher Vorgänge sondern auf psychischer/ psychosomatischer Ebene. Das Immunsystem wird extrem durch die Psyche beeinflußt (Streß, Ruhe etc). Dieser Effekt existiert auch bei Tieren. Eine homöopathische Behandlung geht z.B. immer mit einer Streßminderung einher. Ich denke also, daß bei der Homöopathie der Placebo-Effekt auf hervorragende Weise genutzt wird - und deshalb hat sie bei mir Ihren Stellenwert durchaus. Dabei ist der Placebo-Effekt kein Psycho-Ding sondern hat meßbare körperlich-physiologische Auswirkungen.