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»Die Brüste des Mädchens« (Kurzgeschichte)

*********rden Mann
98 Beiträge
Themenersteller 
»Die Brüste des Mädchens« (Kurzgeschichte)
Ein weiterer Text aus der virtuellen Schublade.
Vorsicht, nicht erotisch diesmal, sondern ernst und traurig.


Es war ein warmer Sonntagnachmittag im späten Sommer. Marianne hatte vorgeschlagen, in den Stadtpark zu gehen, um ein wenig die Sonne zu genießen. Warum nicht, hatte Hermann, ohne große Begeisterung, gesagt. Sie hatten das Sonnenöl und leichte Sachen mitgenommen und waren gegangen.
Im Stadtpark waren viele Menschen. Eigentlich zu viele für Hermanns Geschmack. Viele junge Leute vor allem. Als sie die große Wiese betraten, sahen sie eine kleine Familie bei einem Baum, und wie es aussah, brachen sie auf.
Sie gingen zu dem Baum, lächelten, warteten, bis die Familie ihre Decken, ihre Getränke, ihre Kinder eingepackt hatte und verschwunden war, und ließen sich nieder, breiteten die abgenutzte, beige Strandmatte aus, die sie vor vielen Jahren auf Kreta gekauft hatten, und machten es sich bequem. Hermann lehnte sich an den Baum. Dort saß er bereits im Schatten, so war es ihm lieber; er mochte das grelle Sonnenlicht nicht, und eigentlich, wenn er ehrlich war, war es ihm sowieso viel zu heiß an diesem Tag.
Marianne zog ihr Hemd aus, ihren BH behielt sie an. Hermann strich über den Träger. »Den willst du anbehalten«, fragte er, ein wenig in einem Ton, als machte er nur einen Scherz. Marianne lachte fast gar nicht. »Och, komm«, murmelte sie nur, doch so leise, als hätte sie gar nichts gesagt. Und er auch nicht.
Sie lehnte sich an bei ihm, und Hermann legte eine Hand auf ihre Schulter, streichelte ein wenig ihre Haut. Er spürte einen Stich der Schuld, da seine Gefühle nicht die waren, die er vorgab. Er suchte nach seiner Zärtlichkeit, aber was er fand, war ein Schatten. Er blickte hinab auf Mariannes Körper, den Körper einer Frau an der Hälfte ihres Lebens, einen weichen Bauch, der ein Kind getragen, weiche Brüste, die es gesäugt hatten, und die Spuren, die all das und noch viel mehr hinterlassen hatten.
Er schämte sich. Hatte sie denn nicht mehr verdient als das? Sie, sie hatte so viel getragen. Die Arbeit, das Leben in der fremden Stadt, die Scheidung von ihrem ersten Mann. Das Kind. Und soviel gegeben, so viel. Hatte sie nicht Lohn verdient? Verdient, geliebt zu werden? Wer war er, dass er hier saß und traurig auf ihren Körper hinabsah, und auf ihr Gesicht, und in beidem noch die letzten, kleinen Reste einstiger Schönheit sah, im Verblassen begriffen, doch noch zu erkennen, und damit noch schmerzhafter, als wären sie bereits fort.
Und dann kam sie.
»Darf ich mich hier hinlegen?«
Hermann blickte auf und es durchfuhr ihn wie ein Schock. Eine Stimme in ihm schrie NEIN, und eine andere schrie, nicht weniger laut – JA!
Warum, warum jetzt? Warum hier? Warum die Qual?
Sie war atemberaubend. Gekleidet auf eine Weise, wie es die jungen Mädchen heutzutage – er zuckte innerlich zusammen, als er sich diese Worte denken hörte – tragen, so provokativ sexy, daß sie beinahe hätte nackt sein können. Ein bauchfreies Top, das fast schon obligatorische Bauchnabel-Piercing, eine extrem knappe Shorts darunter. Er brachte kein Wort hervor.
»Aber sicher«, antwortete Marianne ruhig. Ihm fiel der Kontrast der Stimmen auf – das junge Mädchen hatte ein helle, glockenklare Stimme, in der immerzu dieses fröhliche, alberne Kichern widerzuhallen schien, das Hermann manchmal in der U-Bahn hörte, und das an seinem Herzen zerrte.
Und dann wurde alles noch schlimmer. Nicht nur, daß das Mädchen ihr Oberteil auszog – auch noch diese Art, wie sie es tat. Oh mein Gott … das war perfekt. Das war vollkommen, das war alles – all das, was ein Mann sich wünscht, und doch in vielen Jahren gelernt hat, sich damit abzufinden, dass es nur für wenige zu haben ist, für die erfolgreichen, die schönen, die attraktiven – die jungen.
Tat sie das mit Absicht? Dass sie den einen Fuß auf die Zehenspitze stellte, als sie das Top abstreifte, mit dieser lässigen, wie beiläufigen Bewegung, und entblößte, wessen Anblick ihm nun endgültig den Schweiß auf die Stirn trieb?

Und schlagartig, mit einem Mal wurde Hermann klar, was es ist – was Männer meinen, wenn sie Titten sagen. Ihm wurde klar, er hatte das nie richtig begriffen. Frauen verstanden so etwas einfach nicht, für sie war das Wort einfach nur vulgär. Und er hatte es auch nicht begriffen oder begreifen wollen. Und nun sah er es – es gab einfach kein anderes Wort. Das dort, das waren Brüste, die wahrhaftig diese Bezeichnung verdient hatten, die man einfach nicht anders nennen konnte.
Sie waren perfekt. Es schwindelte ihm, als sein Geist nach Worten suchte, etwas zu beschreiben, was scheinbar ganz und gar widersprüchlich war. Als er diese hellen rötlichen Nippel sah, die auf eine so unverschämte Art und Weise fast daumengroß emporragten, gerade einen Fingerbreit oberhalb des Äquators, sich ihrer Zartheit und Verletzlichkeit bewußt, sich dem Leben frech entgegenstreckten, da mußte er einen Moment lang an einen Bohrer denken, stark genug, um in Granit einzudringen. Es war gerade diese Vereinigung, dieser scheinbare Widerspruch von samtiger, pfirsichzarter Weichheit und robuster, straffer Festigkeit, stolz und stark und mutig und frei, die den Geist eines Mannes sich im Kreise drehen läßt, in dem verzweifelten Versuch, diese Schönheit zu begreifen.
Er schloß kurz die Augen. Versuch nicht hinzuschauen, sagte die Stimme der Vernunft. Es hat doch keinen Sinn! Warum sich quälen! Schau einfach nicht hin, versuch es, es ist besser so!
Und er öffnete die Augen, und schaute hin.
Es war, wusste Hermann, mit nichts auf der Welt vergleichbar. Wie lange war es her? Zu lange. Und es war zu wenig gewesen. Damals. Er war zu spät gekommen. Und hatte sich bemüht, damit zu leben.
Wussten jene jungen Männer, die es im Leben dieses jungen Mädchens ohne den geringsten Zweifel schon zahlreich gegeben hatte, was sie hatten? Wussten sie zu würdigen, was für einen unvergleichlichen Schatz sie, im allerwörtlichsten Sinn, in ihren Händen hielten?
Die Brüste des Mädchens wippten ein wenig, wie um zu beweisen, was sie konnten, als sie sich vorbeugte, um ihre Matte auf dem Rasen auszulegen. Dann legte sie sich nieder, bedeckte die Augen mit der Hand, zog ein Bein ein wenig an und entspannte sich. Erleichterung durchströmte Hermann, als sie ihn nicht mehr direkt anschauen konnte. Er schaute sich um. Dort, wo er saß, konnte er das junge Mädchen betrachten, ohne daß es allzu sehr auffiel.
Gab es nicht vielleicht doch einen kleinen Makel an ihr, etwas, das es ihm leichter gemacht hätte? Doch er fand nichts. Da waren der flache Bauch, die straffen Schenkel, die von einem leichten Film Schweiß schimmernde, sonnengebräunte Haut … sie war zu weit entfernt, als dass er sie hätte riechen können, aber seine Phantasie fügte dem Bild unbarmherzig jenen Duft hinzu, der die Sehnsucht noch unerträglicher machte.
Er fürchtete sich davor, nun seinen Blick auf Marianne zu richten. Vor dem Moment, wo er verzweifelt versuchen würde, bei ihr zu finden, was sie seit langem nicht mehr hatte. Wo er sich schämen würde, für seine Oberflächlichkeit, seine primitiven Gefühle, all das allzu männliche in ihm.

Marianne war überrascht, als ihr Mann ihr an diesem Abend nach dem Abendessen zärtlich den Hof zu machen begann. Doch sie wies ihn nicht zurück.
Als sie dann miteinander schliefen, war er sehr erregt. Da schlossen sich Hermanns Hände um ihre Brüste – um sie einen Moment später wieder loszulassen, als hätten sie sich geirrt.
Und Marianne spürte, dass er nicht wirklich bei ihr war.


© Manuel Norden. - all rights reserved -

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*****978 Frau
399 Beiträge
wow, klasse erzählt!
******m15 Frau
3.035 Beiträge
wie schade/ traurig...das er solche gefühle nicht für marianne hat.......:-(
******s23 Frau
12.725 Beiträge
Sehr gelungene Geschichte - hebt sich wohltuend von der pornösen FSK Masse ab.

*top*
**********spass Mann
179 Beiträge
Das wahre Leben in Form von Kopfkino. Ich ziehe meinen Hut *hutab*
*******amme Paar
86 Beiträge
Mitreißende Story mit Optimierungspotenzial in der Umsetzung
Der Inhalt und der Aufbau der Geschichte haben mich schnell in ihren Bann gezogen. Mir gefällt das Spannungsfeld, das durch die Beziehung der beiden, aber auch die Rückschau in die Vergangenheit aufgebaut wurde. Die Seitenansicht auf das Mädchen schärft den Blick auf die unterschwelligen und unausgesprochenen Probleme, die so mancher langjährigen Beziehung innewohnen. Guter Plot, gutes Setup, hat mich voll überzeugt.

Wo ich noch Möglichkeiten der Optimierung sähe, sind die eine oder andere Wortwahl oder Formulierung, die ich zumindest als unglücklich empfinde

Zitat von *********rden:
Viele junge Leute vor allem. Als sie die große Wiese betraten, sahen sie eine kleine Familie bei einem Baum, und wie es aussah, brachen sie auf.

Zitat von *********rden:
den Körper einer Frau an der Hälfte ihres Lebens

Zitat von *********rden:
Als er diese hellen rötlichen Nippel sah, die auf eine so unverschämte Art und Weise fast daumengroß emporragten

Zitat von *********rden:
Das war vollkommen, das war alles – all das, was ein Mann sich wünscht, und doch in vielen Jahren gelernt hat, sich damit abzufinden

Zitat von *********rden:
Da schlossen sich Hermanns Hände um ihre Brüste – um sie einen Moment später wieder loszulassen, als hätten sie sich geirrt.

Das hebt die inhaltliche Qualität der Geschichte nicht auf. Handwerklich könnte sie aber noch ein klein wenig mehr Sorgfalt vertragen.

*top*
*****rPe Mann
1.498 Beiträge
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