Wie geht ihr mit Verzicht um?
Hallo zusammen Ich bin in einer für mich sehr neuen Situation, mit der ich nicht umzugehen weiß, weil mir das nie vorher passiert ist.
Konkret habe ich das Problem, welches in vielen Beziehungen existiert: Ich will Sex, aber mein Freund nicht. Diese Situation kenne ich nicht, denn ich war es gewohnt, dass mein Freund mindestens so viel Sex wollte wie ich und es gab Zeiten (nicht die Honeymoonphase, sondern Jahre später und diese Zeiten sind auch noch nicht so lange her), da hatten wir beinahe täglich Sex, manchmal auch mehr als einmal.
Seit ich im Oktober 2018 aus gesundheitlichen Gründen die hormonelle Verhütung abbrechen musste und von da an Kondome angesagt waren, ging es mit der Libido meines Freundes stetig bergab. Mittlerweile haben wir, wenn es hoch kommt, einmal Sex im Monat und es sind ausschließlich für mich völlig unbefriedigende Fünf-Minuten-Quickies, die ihm als Druckaubbau dienen und mich nicht kommen lassen. Früher war es ihm auch wichtig, dass ich komme, heute ist es ihm egal und er gibt sich diesbezüglich auch keine Mühe mehr.
Wir führen eine offene Beziehung und ja, ich könnte mir den reinen Sex auch woanders holen, aber es geht mir nicht allein um die Rein-Raus-Nummer, sondern um Intimität und Nähe mit meinem Freund (und nicht um Sex mit irgendwem). Das, was mir in meiner Beziehung seit fast einem Jahr fehlt, kann mir also kein anderer einfach so ersetzen.
Nicht nur der Sex wurde weniger, auch das, was uns im BDSM verbunden hat. Mittlerweile habe ich den Verdacht, dass er das aber nur mir zuliebe mitgemacht hat, denn in all der Zeit, in denen wir Sessions hatten, kam nie etwas initiativ von ihm, alle Impulse kamen ausschließlich von mir. Ich initiierte Sessions, ich kümmerte mich um den Kauf von Spielzeug, er reagierte nur, wenn ich ihn um etwas bat. Wenn ich ihn darauf anspreche, ob er überhaupt Interesse daran hat, bejaht er immer, aber ich spüre keine Begeisterung dafür. Ich will nicht, dass er etwas tut, das ihm nicht gefällt und habe das Gefühl, er macht es mit, damit ich es mit keinem anderen mache.
Um Diskussionen gleich von vornherein von Themen wie Trennung etc. wegzulenken: Ja, ich habe mit ihm darüber gesprochen. Ich tue es seit Monaten. Er sagt, es liegt am Stress. Also gebe ich mir Mühe, ihn so gut es geht zu entlasten, es ihm schön zu machen, Zeiträume zu schaffen, in denen er sich entspannen kann. Es änderte nichts. Vor ein paar Tagen waren wir im Urlaub und teilten die Vorfreude auf gemeinsamen Sex während eines Tapetenwechsels, aber passiert ist mal wieder nichts außer einem einmaligen Quickie, der wieder nur ein paar Minuten dauerte und nach dem er mich einfach liegen ließ, ohne Orgasmus. Keine ausgetauschten Zärtlichkeiten, nur rein, raus, Druckabbau.
Wenn ich mit ihm rede, ändert sich nichts. Außer, dass er sich unter Druck gesetzt fühlt und mir vorwirft, ständig nur zu meckern. Also habe ich aufgehört, darüber zu reden.
Ich bin sehr niedergeschlagen, oft sehr traurig, weil ich neben einem Mann liege, den ich liebe, der mich aber nicht anfassen will. Ich komme mir ungeliebt, ungewollt und abstoßend vor, so sehr, dass ich mich selbst anderen Männern nicht mehr zumuten will. Es ist ein körperlicher, aber auch emotionaler Entzug und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich kenne eine solche Situation nicht, es ist das erste Mal, dass mir so etwas passiert und ich um Aufmerksamkeit betteln muss.
Ich will bei ihm sein, doch er scheucht mich ständig weg und will seine Ruhe. Sagt, ich soll mir ein Hobby suchen. Ich habe ihm gesagt, dass mir seine Ablehnung wehtut, aber ich weiß nicht, ob er das wirklich ernst nimmt. Jedes Mal, wenn ich versuche, ein ernstes Gespräch über meine Gefühle zu führen, stoße ich auf weitere Ablehnung, auf Vorwürfe. Ich will ihn nicht unter Druck setzen und habe nun aufgehört, darüber zu sprechen.
Mir geht es konkret darum, was andere machen, um mit dem Verzicht von körperlicher und emotionaler Intimität umzugehen. Was kann man tun, wenn man auf Sex und Nähe für unbestimmte Zeit verzichten muss, dieses Loch aber nicht mit irgendeinem Typen stopfen kann? Wie gehen andere mit Durststrecken um, was tun sie, um sich abzulenken und mit sich selbst fertigzuwerden? Was hilft ihnen, konstruktiv an der Situation zu arbeiten und sich selbst nicht als abstoßend und wertlos zu empfinden, was tut man gegen Minderwertigkeitskomplexe, Schuldgefühle und gegen Ablehnung?
Wie kann man lernen, zu verzichten?
Sollte man das überhaupt lernen?
Ich spüre mittlerweile, dass meine niedergeschlagenen Phasen öfter auftreten und länger anhalten. Manchmal ist mir danach, einfach nur zu weinen. Ich spüre, dass es mir nichts gibt, mit anderen Männern zu schlafen, weil es mir um die Verbundenheit durch Liebe geht, um das geliebt werden und darum, das körperlich und emotional zu spüren. Sex mit anderen kann schön sein, hinterlässt aber mittlerweile einen schalen Geschmack, weil ich es lieber mit meinem Freund teilen will. Er ist ein für mich großartiger Mensch, mit dem ich mein Leben verbringen will und ich liebe ihn sehr.
Nur macht mir der Verzicht allmählich ehrlich zu schaffen.
Wie habt ihr solche Phasen für euch selbst gelöst? Wie habt ihr es geschafft, durchzuhalten?
Liebe Grüße,
Kailyn