Ich kann nur von mir schreiben, denn was ich hier im JC so mitkriege, was als Affäre, Freundschaft+ oder offene Beziehung deklariert wird, entspricht meist nicht meiner Empfindung.
Eine Affäre hat für mich immer etwas mit Untreue zu tun. Wenn zwei Menschen Single sind und mehr oder weniger regelmäßig miteinander vögeln, ist das für mich keine Affäre. Sondern einfach nur mehr oder weniger unverbindliches Miteinander-Vögeln. Vielleicht bahnt sich eine Beziehung an, vielleicht hat man auch einfach nur Spaß miteinander.
Es muss bei einer Affäre auch nicht zwingend primär um Sex gehen.
Meine Mutter hatte mehrere Affären während ihrer Ehe und da ging es keinesfalls nur um Sex. Es war aber immer heimlich (zumindest anfangs) und es war immer klar, dass das nicht in Ordnung war. Es gab immer mindestens Einen, nämlich meinen Vater, der das massiv scheiße fand. Häufig genug gab es da auch noch eine Frau auf der anderen Seite, die entweder gar nichts wusste oder es ebenso scheiße fand.
Das ist für mich eine Affäre. Untreue, Unehrlichkeit und scheiße für mindestens einen Part.
Ich selbst habe seit inzwischen 21 Jahren eine Freundschaft+.
Wir lieben uns sehr. Als Freunde sind wir uneingeschränkt füreinander da. Zwischen uns besteht eine Leidenschaft, eine Anziehungskraft, die ihresgleichen sucht. Und manchmal leben wir das aus, wenn es niemanden verletzt, wenn wir beide kein schlechtes Gewissen dabei haben müssen. Weder er noch ich würden dafür eine Liebesbeziehung des Anderen gefährden wollen. Weil wir uns gegenseitig nicht weh tun.
Als ich vor fast 7 Jahren meinen Mann getroffen habe, hat er sich für mich gefreut wie kein Anderer. Als ich sagte, dass ich diesen Mann heiraten möchte, war seine spontane Reaktion "dann will ich Trauzeuge sein".
Mein Mann wusste von Anfang an, dass es diese Freundschaft+ gibt und dass ich diesen Menschen immer lieben werde. Die beiden haben sich kennen gelernt, mein Mann hat verstanden, wie diese andere Beziehung funktioniert und dass sie unsere nicht gefährden kann.
Inzwischen ist es für alle Beteiligten okay. Ich kann meinen Freund alleine treffen und was auch immer dann zwischen uns passiert, tut niemandem weh. Sollte mein Freund eine Frau kennen lernen, die ihm wichtig ist und die das nicht akzeptiert, bleibt er mein bester Freund und wir schlafen eben nicht mehr miteinander. Die Freundschaft steht über allem dabei, Sex ist nur ein schöner Nebeneffekt, auf den wir aber verzichten können, wenn es die Umstände verlangen. Nicht gerne, aber wenn es muss, dann geht das auch. Weil die Freundschaft wichtiger ist.
Eine offene Beziehung führen wir deshalb aber nicht. Auch wenn mein Mann seine Bedürfnisse (insbesondere in Bezug auf Bondage) auch mit anderen Frauen auslebt. Wenn ich z. B. zu meinem besten Freund fahre über ein Wochenende, trifft der Meine sich eventuell mit einer anderen Frau. Die er in Seile legt, vielleicht auch anfasst, vielleicht auch mehr, wenn es sich ergeben sollte. Das kam bisher nicht vor, aber es wäre für mich absolut in Ordnung.
Offene Beziehung bedeutet aber für mich, dass beide unabhängig voneinander Spaß mit Anderen haben können, unabhängig davon, wer dieser Andere ist.
Im Grunde haben wir eine offene Beziehung, was meine Freundschaft+ und seine Neigung zum Bondage angeht. Damit ist es aber eben nicht komplett offen. Ich habe kein Bedürfnis nach weiteren sexuellen Eskapaden, er auch nicht.
Ich habe bei einer offenen Beziehung immer im Kopf, jeder kann halt machen, wonach ihm ist, mit wem auch immer. Das trifft es für uns definitiv nicht.
Polyamorie ist wieder ein anderes Thema. Ich bin wohl zu einem gewissen Teil poly, weil ich den Meinen
und meinen besten Freund liebe. Es ist aber eben keine Dreiecksbeziehung. Die beiden respektieren und mögen sich, aber richtige Freunde sind sie nicht. Ich bin die Gemeinsamkeit, die beide verbindet, viel mehr aber nicht.
Es macht mich sehr glücklich, dass ich einen Mann gefunden habe, der akzeptieren kann, dass ich diese langjährige Freundschaft und Liebe (das ist für mich das eigentliche Plus dabei) nicht aufgeben will und kann.
Was ich schade finde, ist dass der Terminus Freundschaft+ so oft gar nichts mit Freundschaft zu tun hat. Meistens, gerade hier im JC, ist es einfach nur ein Synonym für "lass uns vögeln und ab und zu was zusammen machen". Unverbindlicher Sex eben.
Was ich da seit über 20 Jahren habe, ist aber viel viel mehr. Es ist tiefste, innigste Freundschaft und dann kommt erst die Lust und die Leidenschaft. Wir beide würden und haben auf letzteres schon mehrfach verzichtet, weil eben die Freundschaft wichtiger war. Und weil wir die jeweilige Beziehung des Anderen immer geachtet haben. Man will doch einem lieben Freund nicht die Beziehung kaputt machen, das ist der Sex nicht wert. Gleichzeitig ist da aber das Wissen, es wird irgendwann wieder passieren und es wird wie immer großartig sein.
Das ist für mich Freundschaft+.
Sperling