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Marchande d'amours

Marchande d'amours
Ania, Roksina und ihre Freudinnen handeln mit ihren Körpern als bloße Ware, die sie eigentlich von der Natur als Geschenk erhalten haben, ohne ihren tatsächlichen Wert bemessen zu können. Ein Blick in den Spiegel und der Vergleich (und die Übereinstimmung) mit den überall allgegenwärtigen Bildern der inszenierten Schönheit hat sie alle zu dieser Einschätzung verführt, sich teuer verkaufen zu können.

Ania ist stets in frisch gewaschene, glatt fallende Stoffe gehüllt. Stolz ist sie auf ihren Körper mit der elfenbeinweißen Haut ohne Fettdellen, sauber, gepflegt ist sie, kräftige dunkle Haare, im Kontrast helle Augen hat sie - und auch ihr Zimmer im zweiten Stock des Etablissements hat sie behaglich hergerichtet: Süßlich parfümierte bordeauxrote Stores, gedeckte Farben hinter dem immer abgedunkelten Fenster, aus dem CD-Player Gesäusel von Clubmusik, Gummibärchen auf dem Beistelltischchen - die Rolle mit dem Küchenkrepp, die Kondome, das Fläschchen mit dem Gleitmittel unter dem Überwurf des Betts, der seidig glänzt, versteckt - Ania ist sich der Wirkung dieses Ambientes bewusst: Girlfriendsex ist ihr Markenzeichen und die Kunden sollen sich entsprechend fühlen, bei ihr, wo die Abgeschiedenheit aus dem normalen Leben betont wird, in einer Oase des Alltags.

Jeden Donnerstag kommt die Putzfrau zu ihr. Offensichtlich mit Migrationshintergrund aus ... keine Ahnung.
Jedenfalls ist sie aus Mangel an Deutschkenntnissen ein stummes Geschöpf, wirkt unbeholfen, ist barfuß in Badeschlappen, einer Billigjeans aus Ostproduktion, einer schwarzen Fake-Addidas-Trainingsjacke mit roten Streifen, fettigen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren, mit gelben Kreolen immerhin, aber abblätterndem roten Nagellack - in Anias Augen recht eigentlich eine Rufschädigung, aber die Leitung stellt sie kostenlos zur Verfügung, also was tun?
Zu allem Überfluss kommt auch noch "Tom" ihr Stammfreier, als die - in den Worten Anias - Putze da ist und sie unverwandt betrachtet. Es ist nicht zu leugnen, dass ihm der muskulöse Rücken der Frau, deren Jacke beim Bücken zum Aufwischen hochgerutscht ist, dass ihr unsteter schüchterner Blick, das verlegene Lächeln der fleischigen Lippen, gefallen.

Ania sieht sein Zögern, seine Hemmung. Gesetzt bleibt er beim Bett stehen, als die Reinigungskraft verschwunden ist, scheel weicht er dem Blick Anias aus, steckt seine Hände in die Hosentaschen, wirkt merkwürdig besorgt mit plötzlich fahlem Gesicht und wasserblauen Augen.
Von Ania will er verstockt wissen, als er endlich auf ihre Frage den Mund aufkriegt, ob sie ihm nicht die Putzfrau vermitteln könne? Gegen ordentliches Honorar selbstverständlich, sie kenne ihn doch ...
Darauf wirft Ania ihren Kopf Hohn lachend zurück und schmeißt den Typen raus, nicht ohne ihm noch einige Flüche hinterher zu schreien.
Dieser Tumult lockt natürlich Kolleginnen an in diesem überschaubaren, ordentlichen Haus.
So was! Jetzt machen einem schon Putzen das Geschäft kaputt! Personen, vor denen sich jeder normale Mensch ekelt! Weiber, die nur eine Beschäftigung haben, weil die Leitung zu viel Mitleid hat! Und dann dieser Typ! Wer soll eine solche Geilheit verstehen?! So eine dreckige Verdorbenheit kapieren!?

Nur Sylvie geht stumm zurück in ihr Zimmer. Sie hat Sinn für die Verlogenheit dieser gespielten und aufgesetzten Empörung. Ahnt sie doch, dass es gerade Schönheit ist, die für manche abstoßend ist. Und dass es das Ein- und Abtauchen, die Sehnsucht für das Häßliche ist, die eine Übereinstimmung zur eigenen Geilheit darstellt. Dass es eine höhere Ebene der Befriedigung bedeutet, sich auf Unansehnliches einzulassen - hundertmal mehr, als es ein schöner Körper, eine schöne Seele, ein schöner Geist jemals verkörpern können, denn bei einem solchen Ideal bleibt immer die absolut quälende Rücksichtnahme, die einem Liebe aufzwingt ...
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