In meiner siebenjährigen Ehe merkte ich die ersten beiden Jahre noch nicht einmal, dass mir die Sexualität fehlte. Durch einen externen Auslöser, ein einziger Kuss, der mich lockte, öffnete sich meine Tür zum unterdrückten Begehren. Fünf weitere Jahre und eine Affäre mit körperlich wirklich hervorragender Kompatibilität später, beendete ich die Beziehung.
Ab dem Moment als es mir auffiel, sprachen wir viel über die fehlende Sexualität. Das ist meine Stärke.
Was waren die Ursachen bei uns?
Offensichtlich war: Er hatte körperliche Einschränkungen, die das Küssen unmöglich machten und demzufolge war der Sex auch sehr, sehr selten.
Weniger bewusst war: Mein Kinderwunsch wurde mit den Jahren nicht geringer, er fühlte sich nicht dafür bereit und vermied u. A. Auch deswegen den Sex.
Er fühlte sich nicht dafür bereit. Wir beide hatten Schiss, den anderen zu verletzen, wir wollten den anderen nicht kränken und taten es doch. Wir waren nicht ehrlich genug zu uns selbst. Demzufolge nicht zueinander. Ich hatte moralisch mit meinem schlechten Gewissen des Fremdknutschens und Fremdschlafens zu tun. Ist ja scheiße, den anderen zu belügen. ACHTUNG, Cliffhänger: und sich selbst. Das ist das Beschissenste daran.
Warum bin ich so lang geblieben? Warum er?
Weil ich den Menschen geliebt habe. Weil ich wollte, dass die Beziehung funktioniert. Ist immerhin eine Ehe. Mir sind Komittments wichtig. Ich wollte nicht scheitern. Ich wollte nicht eingestehen, dass wir so lange eine falsche Entscheidung getragen haben.
Wir haben geredet, unsere Bedürfnisse ausgedrückt und verstanden den anderen, fanden aber keine Lösung miteinander. Heute weiß ich, er war zu sehr mit seiner Erkrankung beschäftigt und konnte sich nicht auf uns einlassen, obwohl er mich liebte und ich war zu sehr darauf aus, uns beide glücklich sehen zu wollen und liebte die Geborgenheit und Vertrautheit, die mir eben nunmal wichtig ist.
Warum hab ich mich schlussendlich doch getrennt?
Weil ich lange lange unglücklich war. Ich kann Leiden aushalten. Das ist für mich wichtig. Füreinander einstehen. Aber mit der Zeit wurde es immer offensichtlicher, dass wir uns im Kreis drehen und beide unglücklich sind. Ich hatte nicht die Stärke, die innere Erlaubnis, für mich einzustehen. Ist ja nur Sex? Wer verlässt schon seinen schwerkranken Partner? Ja, ich bin jung, aber ich habe eine Entscheidung getroffen und stehe dahinter. Solche inneren Glaubenssätze waren zentral.
Mein Freundeskreis wusste um die Themen. Sie unterstützten und bewunderten mich für meine Stärke, in unserer Beziehung zu bleiben.
Der Auslöser zur Trennung war ein Gespräch mit eben jener Affäre, der mir sagte, dass er ja nicht mit mir zusammen sein könnte und es ihn glücklich machen würde. Auf einem anderen Blatt Papier steht, dass ich zu dem Zeitpunkt wusste, dass er es nicht so meinte. Aber ich fragte mich: werde ich jemals wieder glücklich sein? Was brauche ich, um glücklich zu sein? Und die Antwort war: ich werde gar keine Chance haben, das herauszufinden, wenn ich in dieser Beziehung bleibe.
Was ist danach passiert?
Wir haben uns schnell getrennt. Die Gründe waren klar und verstehbar (auch, wenn ich ihm gegenüber nie ehrlich war, wie ich meine Sexualität doch etwas wenigstens am Leben hielt.). Wir waren beide glücklicher. Natürlich haben wir die Trennung verarbeiten müssen und das war schmerzhaft. Aber wir sind heute beide glücklicher. Und ich weiß, in Zukunft werde ich darauf Wert legen, dass alle drei Pfeiler einer Beziehung erfüllt sind.
Übrigens bin ich seit dem auf Joy angemeldet und habe tolle Menschen kennenlernen dürfen, meine eigene Sexualität besser erforscht und habe noch viele Erfahrungen vor mir. Das bestärkt mich darin, dass die Entscheidung richtig war. Ich mache mir keinen Vorwurf mehr, dass ich so lang in der Ehe blieb, die für uns beide nicht glücklich endete. Es war die Zeit. Wir brauchten diese Zeit, um uns selbst zu verstehen und zu erkennen. Wir liebten uns und auf eine andere Art tun wir dies noch heute. Großartiges Gefühl, diese Liebe transformieren zu können und mehr zu sich selbst zu stehen.