Ich bin ihm nicht bös deswegen. Damals nicht und auch heute nicht. Ich hätte einfach aufmerksamer, fast wachsamer sein müssen. Ich hab nicht ernst genommen, was ich als absurd, er als fundamental empfand.
Er war sehr begeistert von mir (und ich von ihm!) die ersten drei Jahre. Kaum Kritik, bis auf etwas, das er immer mal leise andeutete: Bitte nimm doch drei Kilo ab, nur drei Kilo. - Drei Kilo? Was soll das fulminant ändern bei einer 34/36?
Unser Sex war unverändert toll. Die Zärtlichkeiten, der körperintensive Umgang im Alltag, all das unverändert schön.
Das Kuscheln änderte sich. Es war da, aber wurde leidenschaftslos, irgendwie geschwisterhaft, er zog sich da immer mehr zurück. Ich bezog es auf seine beruflichen Probleme. - Auch, wenn der Sex noch gut war, ich fühlte, er kann es feinfühliger, intimer, leidenschaftlicher, besonders. Ich war nicht mehr glücklich dabei, ich fühlte mich immer weniger gesehen.
13 Jahre nach unserer Trennung trafen wir uns wieder, nach seinem Anruf. Ich sah ein Foto meiner Nachfolgerin, seiner neuen Ex, ich sah mich, nur graziler.
Einige Tage später schlenderten wir über den Gemüsemarkt. An einem Stand war eine kleine Holztafel, mit Kreide stand dort "cherche femme" (Suche Aushilfe). Der Händler, in unserem Alter, war ein guter Typ. Intuitiv schlug ich ihm vor: Was wäre, ich werde seine femme (Wortspiel: Frau, Ehefrau) und deine Geliebte? - Lieber umgekehrt, sein Kommentar zwei Sekunden später.
Hat lange gedauert bis ich schnallte, es war der fehlende tigh gap. Dieser Begriff, diese Faszination darum, gab es in meinem Leben damals in den 80ern nur in der Brigitte und das war kein echtes Leben. Das Gefühl, ihm im Schritt nicht schlank genug zu sein, hatte ich gerne verdrängt. Ich war ganz normal schlank damals, machte etwas Sport.
So dünn wie nach 14 Tagen Rucksacktourismus mit 17 kg Gepäck und nur Baguette, Pfirsichen und Vittel als Ernährung, weil wir zwei Freundinnen uns mehr nicht leisten konnten, so abgemagert war ich nur als wir mit crash boom bang aufeinander trafen.
Er hätte es auch nicht ertragen, mich schwanger zu sehen. Ich wusste vieles damals noch nicht, ich habe einfach zu wenig nachgefragt.