Für mich selbst die Konsequenz gezogen habe, persönliche Verletzungen nicht als einen Angriff auf meine Wertigkeit zu sehen, sondern als eine Folge von Umständen,
Eine Folge von Umständen aber vielleicht auch von ritualisiertem Verhalten, dass einem hier und allerorten ständig als das EINZIG richtige vorgegaukelt wird:
Wenn Du jahrelang in einer Beziehung steckst und Dich irgendwann der Hafer sticht, Du Lust auf was neues hast oder auf ein Abenteuer, dann SAG es um Gottes willen nicht. Du könntest Deinen Partner verletzen. Wenn's sein muss geh fremd und dann hinterher geh natürlich beichten weil hier an dieser Stelle setzt dann (irgendwie zu spät aber naja) das unbedingte Bedürfnis nach Offenheit und Ehrlichkeit ein.
Ich muss das nicht verstehen, oder?
Man redet vorher nicht über seine Wünsche und Bedürfnisse, man befriedigt sie und DANN hinterher ist es auf einmal gaaanz wichtig, darüber zu sprechen was man so verwerfliches getan hat.
Ich aber sage: wer fremd geht weil er LUST empfindet, der hat in sehr vielen Fällen mein Verständnis. Ich selbst finde die Vorstellung MEIN GANZES LEBEN LANG nur Sex mit einem Partner zu haben sehr befremdlich. Daher sehe ich im Grunde zwei Möglichkeiten:
1. Man geht fremd, weil man seinen Partner so einschätzt, dass der mit so viel Offenheit ("Schatz, lass uns mal sprechen über die Lust auf Sex mit anderen...") auf keinen Fall umgehen kann. Für mich liegt hier das Hauptmotiv für das heimliche Fremdgehen: viele würden vielleicht gern offen über ihre Gelüste sprechen, wissen aber genau, sie brauchen das nur andeuten und schon bricht das hysterische, von Verlustangst und fehlendem Selbstvertrauen geprägte Chaos los: "Waaas willst Du? FREMDE Frauen v*geln?? Ich bin Dir wohl nicht mehr gut genug, was? Hast Du schon eine andere? Klar hast Du! Wie lange geht das denn schon mit Euch?? Ich pack meine Koffer!..."
Ist doch so, oder nicht? All diejenigen, die hier so auf das Fremdgehen schimpfen, die hier herumtrompeten "Dann wäre es sofort, SO-FORT aus und vorbei." die tragen durch ihre Reaktion dazu bei, hintergangen zu werden. Eine einfach Wahrheit. Diese Leute sollten sich mal fragen, was ihnen eigentlich so viel Angst macht.
Wer fremd geht, hat nur eine Möglichkeit, es wirklich gut zu machen (sofern man hier von "gut" sprechen kann): er tut es und hält die Klappe darüber. Und zwar für immer. Und er macht sein schlechtes Gewissen - das er zweifellos haben wird - gefälligst mit sich selbst aus. Alles andere ist eine elendige Weicheierei, die dann damit entschuldigt wird, dem Partner gegenüber ja plötzlich doch ein Bedürfnis nach Aufrichtigkeit zu haben. NO GO. Haltet die Klappe und genießt es. Und wenn Ihr es immer und immer wieder tut, dann fangt auch irgendwann mal an, Euch grundsätzliche Fragen zu stellen...
Was mich zur zweiten Möglichkeit führt:
2. Jemand, der auch innerhalb der Beziehung immer wieder Lust auf anderen Sex mit anderen Menschen verspürt, weiß so etwas ja irgendwann mal über sich (kleiner Rückbezug an dieser Stelle: nein, ich glaube nicht dass man mit 20 schon so viel über seine sexuellen Vorstellungen weiß wie mit 35 oder 45, sorry, dabei bleibe ich. Das Leben ist und bleibt zum Glück Entwicklung) und sollte dann vielleicht überlegen, grundsätzlich eine Beziehungsform zu wählen, die diese Lust und diese Bedürfnisse berücksichtigt. Sprich: natürlich ist es die idealere Vorstellung, VORHER mit seinem Partner offen sprechen zu können, jemanden zu finden, der ähnlich tickt oder der zumindest keine panischen Verlustängste bekommt sondern gönnen und gehen lassen kann. Sprich: eine von vornherein offene Beziehung ist natürlich die bessere Alternative, aber sie ist eben nicht mit jedem möglich. Sie ist mit den wenigsten möglich, um genau zu sein. Sie setzt ein sehr stabiles Ego, eine große Ehrlichkeit, eine Unumwundenheit und ein gutes Vertrauen in die Beziehung voraus.