Anna ließ ihren Blick durch den verrauchten Club wandern. Jedes Jahr an Weihnachten füllte er sich mit Über-die-Feiertage-fahre-ich-zu-Mutti-Auswärts-Studenten, mit Nachhausekommern und Nieweggewesenen. Sie gehörte zu der zweiten Kategorie und wohnte mit ihrer Mitbewohnerin noch immer in ihrer Studenten-WG, die inzwischen eine Vollzeit-berufstätig-und-trotzdem-chronisch-pleite-WG war.
«Hier dein Bier», ihre Mitbewohnerin schob sich neben sie. «Und? Hast du schon ein geeignetes Opfer gefunden?»
«Ein paar Kandidaten, aber ich habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen.»
«Dann suchen wir jetzt mal etwas intensiver. Sonst wird das heute nichts mehr!»
Kim griff Annas Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Kim war fast einen Kopf größer als ihre Freundin, hatte rotbraune Haare, die ihr in weichen Locken über die Schulter fielen und warme braune Augen. Anna war das Yin zu ihrem Yang. Klein, etwas mollig, mit großen Augen und regenbogenbunt gefärbten Haaren. Zusammen waren sie ein unschlagbares Team. Und das wussten sie auch.
Hand in Hand schlenderten sie auf die Mitte der Tanzfläche, dann begannen sie miteinander zu tanzen. Anna schmiegte ihren Rücken an die Brust ihrer Freundin, die sie von hinten umfasste. Es war eher ein vollbekleideter Softporno und gar nicht subtil in dem Zweck, den dieser Tanz verfolgte. Die Choreografie war gut erprobt. So zeigten die beiden sich oft. Und der gewünschte Effekt blieb nicht aus. Sie hatten schnell die Aufmerksamkeit einiger umstehenden jungen Männer. Während Kim ihre Hände auf Annas Hüfte legte und sie ihre Becken rhythmisch miteinander kreisen ließen, nahm Anna die Jungs genauer ins Auge. Ein großer, schlaksiger Typ mit braunen Haaren und stechenden grünen Augen fiel ihr auf. Und sie ihm auch. Er beobachtete sie und sie ihn. Ihre Blicke trafen sich und Anna spürte dieses Kribbeln im Bauch. Und eine Etage tiefer.
«Bist du einer Entscheidung näher?», flüsterte Kim ihr ins Ohr.
«Allerdings!»
Anna drehte sich zu ihr um, nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie. Nicht auf die Wir-sind-ein-Paar-Art, sondern auf die Pornoweise. Als sie sich von Kim löste, ergriff sie ihre Hand und ging schnurstracks auf den brünetten Schlaks zu.
«Hey!», Anna lächelte ihn an. Er schaute etwas erschreckt.
«Äh, Hallo.»
«Das ist Kim und ich bin Anna.»
«Ich bin Ben.»
«Hallo Ben. Hast du Lust woanders weiterzutrinken?»
Der Vorteil, wenn man als Frau einen Mann aufreißen wollte, war schlicht, dass man sich weniger Mühe machen musste. Und wenn man als Team auftrat, war es der Ausgang meistens von vornherein klar. Zehn Minuten brauchten sie aus dem stickigen Club hinaus in die klirrende Winterkälte. Taxis standen wartend davor und weitere 10 Minuten später standen sie vor der Holztür ihrer Altbauwohnung.
Anna hörte Tim keuchen, als sie den Schlüssel in das alte Schloss fummelte. Kim hatte ihre Hand schon in seiner Hose.
Sie taumelten in die Wohnung, herrlich benebelt vom Alkohol und ihrer Lust. Kleidungsstücke zogen eine Spur von der Tür zum großen Bett in Kims Zimmer, wie Brotkrumen auf Waldwegen im Märchen.
Schwungvoll zog Kim Bens Tshirt über seinen Kopf. Seine Hose war ihm schon zu den Knöcheln hinabgerutscht und mit einem sanften Schubser landete er auf dem weichen Bett. Sie standen beide am Fußende und schauten auf ihn hinunter, mit Gier in den Augen.
Kim öffnete den Reißverschluss ihres schwarzen Kleides und ließ es langsam an ihrem Körper hinuntergleiten. Darunter trug sie nur ein knappes Bralette aus schwarzer Spitze und einen schwarzen String. Sie kniete sich auf das Bett und schmerzhaft langsam kroch sie zu ihm, dabei strich sie zart mit denn Haaren und ihrer Zungenspitze über seine hungrige Haut. Nur was von seiner Boxershorts verdeckt war, sparte sie aus, was mit einem angespannten Seufzen von ihm kommentiert wurde. Sie küsste seinen Hals, wanderte mit den Lippen zu seinem Ohrläppchen, strich dabei mit den Fingern über seinen Oberkörper.
«Macht ihr sowas öfter?», keuchte Ben.
«Nicht oft genug», flüsterte sie in sein Ohr. «Hast du Lust auf ein Spiel?»
Seine Antwort war nur ein verwirrter Blick, dann spürte er etwas an seinem Handgelenk. Er wollte seinen Kopf drehen, doch Kim hielt sein Ohrläppchen zwischen den Zähnen fest.
«Entspann dich», flüsterte sie.
Sein Arm wurde sanft hochgezogen und er spürte etwas weiches, dass sich fest um sein Handgelenk zog. Er wollte protestieren, doch dann spürte er Kims Finger am Bund seiner Shorts. Endlich. Er drückte sich ihr entgegen.
«Nicht so ungeduldig», hauchte sie ihm ins Ohr. «Jetzt wird es erst richtig gut.»
Seine zweite Hand wurde über seinen Kopf gezogen und festgebunden. Das letzte was Ben sah, war ein dunkles Tuch, das Anna von irgendwoher gezaubert hatte. Sie setzte sich rittlings auf seinen Bauch, küsste ihn sanft auf die Nasenspitze, legte es ihm über die Augen und verknotete es locker in seinem Nacken. Er spürte wie sie aufstand und auch Kim schien aufgestanden zu sein. Er lag allein auf dem Bett. Was jetzt?
Leise Musik begann zu spielen.
Die junge Madonna sang über blindes Verlangen und das er sich einfach hingeben sollte. Das tat er auch. Er lies einfach los und gab sich hin. Er hörte sie atmen. Spürte, wie sie wieder zurück aufs Bett kamen. Eine Hand auf seinem Bauch. Etwas warmes, öliges tropfte auf seine Brust und wurde sanft auf seinem Oberkörper verrieben.
Ein Paar Lippen wanderten über seinen Bizeps hin zu seiner Schulter. Eine Hand schob sich in seine Hose, die schon zum Platzen gespannt war. Er wandt sich, stöhnte tief und kehlig. Die beiden fremden, warmen Körper bewegten sich auf und um ihn. Das Öl auf seinem Körper duftete betörend und er verlor jede Orientierung.
Schließlich spürte er wie sich eine Hand um IHN schloss. Sanfter, öliger Druck, eine Zungenspitze und zu viele Eindrücke, um sie noch zu trennen. War es ein Mund der sich auf ihm bewegte? Eine eingeölte Hand? Er wusste es nicht mehr. Er war nur noch Gefühl, ein offener Nerv.
Gier.
Lust.
Hunger.
Als das erste Mal ein Universum in seinem Kopf explodierte, glaubte er kurz, sein Herz würde nie wieder beginnen zu schlagen. Keuchend holte er Luft.
Sanft wurde die Augenbinde gelöst. Dann das linke Handgelenk, danach das Rechte.
Ein warmer Kuss, den er erwiderte.
«Ich hoffe, du bist noch nicht vollkommen ausgepowert!», wieder ein heiseres Keuchen an seinem Ohr.
«Wenn ihr so weiter macht, wird das eine lange Nacht!»