„Toxische Beziehungen?
Was ist das denn jenseits einer Schuldzuweisung?
Was soll das eigentlich sein?
Und wer diagnostiziert das?
Einer von beiden? Beide?
Toxisch für wen?
Sorry, aber das ist mir deutlich zu schlicht gestrickt. Da werden Diagnosen durchs Forum geschleudert, Narzissmus erkannt, Vernachlässigung beklagt, Kommunikationsabbruch angekreidet. Und strack immer schön aus genau einer Sicht. Oder noch besser; von Wildfremden, die keinen der Beteiligten kennen.
Eine ganze Generation?
Was kennt Ihr für Leute?
Ich kenne Menschen, die jammern jahrelang über ihr Unglück. Und machen immer weiter und weiter, ohne irgendwas zu ändern. Und Leute, die erleben schlimme Dinge, verzweifeln, trauern, fallen in tiefe Löcher. Und dann machen sie was draus. Sie ändern etwas.
Das hat nichts mit dem Alter oder der Generation zu tun. Meine eine Großmutter war eine selbstgerechte, passiv aggressive Pissnelke und hat 90 Jahre lang ihre Umwelt genervt.
Meine andere Großmutter hat aus einer beschissenen Ehe mit einem prügelnden Ehemann eine eigene Existenz für sich und ihre drei Söhne aufgebaut und ihr Leben geliebt.
Meine Nachbarin ist zehn Jahre jünger als ich, kam mit ihren beiden Töchtern aus einem Kriegsgebiet hierher und baut sich ein Leben auf. Sie macht eine Therapie und arbeitet. Und trauert um ihren Mann. Und manchmal denkt sie laut darüber nach, wie das wohl wäre, sich nochmal zu verlieben.
Die macht geile Cocktails aus ihren Zitronen. Das beeindruckt mich deutlich mehr als das Gejammer, wie gemein doch der oder die Exen Nummer xyz waren.
Beides widerspricht sich nicht. Ja, man muss kämpfen im Leben, Limonade machen. Manchmal bekommt man die nötige Energie dazu erst, wenn man VERSTANDEN hat. Man muss Muster erst kennen, die eigenen, ggf destruktiven, bevor man sie mit ganz viel Kraft und Wille ändern kann. Gerade wenn sie Generationen alt sind, kleben sie wie Pech und Schwefel.
Hier kommen viele Themen zusammen:
• Kriegskinder und -Enkel. Kaum Therapie vorhanden, das Ergebnis sind unzählige schweigende mittlerweile alte Leute, die teilweise traumatisiert Familien gegründet haben
• wenig Therapieangebote und Stigmatisierung von psychisch Kranken...auch wenn es wesentlich besser geworden ist, sogar heute machen psychische Krankheiten Vielen große Angst und es gibt kaum Bereitschaft, darüber zu reden. Kann ich verstehen, sie sind beängstigend.
• Familien-Rollen. Wir wachsen in einer Familie auf, die uns per definitionem NORMAL erscheint. Egal ob Papa säuft oder Mama gedanklich nie präsent war. Und erschaffen uns unsere Rolle. Der Kümmerer, der Clown, die Ersatzmama, die Weggetretene, der Depressive. Solche Rollen nehmen wir mit, egal in welche Beziehung wir gehen..es sei denn, wir rücken ihr mit Therapie zuleibe.
• manche von uns hat das Elternhaus zu Meistern gemacht im Erspüren, was das Gegenüber will, gerade die Empathischen. Dann läuft man durchs Leben und macht es Jedem recht, hat viele, tolle Beziehungen, aber verliert sich irgendwann selbst.
• Achtsamkeit. Häufig nie gelernt im Elternhaus. Wo sind meine Grenzen? Kenn ich die überhaupt? Und halte ich sie ein? Darf ich Anderen überhaupt Wünsche verwehren? Werd ich dann noch geliebt?
Der Alltag wie oben skizziert kann unfassbar anstrengend und ungesund sein. Bekannt aus eigener Erfahrung.
Der Weg daraus: Reden, streiten, diskutieren. Therapie. Bindungskurs vor Geburt des Sohnes, um die Spirale wirklich tot zu kriegen. Und schließlich Psychologie Studium, um endlich zu verstehen, was damals ablief. Mich hat es frei gemacht.
Nur mein Leben, muss nicht euers sein. Buchtipps on request
P.S. das Ganze.hat NullkommaNix mit Schuld zu tun. Frei ist man, wenn man vergeben hat. Gründe hat Jeder gehabt. Groll macht krank. Vergeben macht frei..