Was man in dem Zusammenhang allerdings nicht vergessen sollte ist, den Anderen (insbesondere nahestehenden Menschen) das gleiche Maß an Fehlbarkeit zuzugestehen.
Ich gestehe dem anderen das gleiche Maß an Fehlbarkeit zu, ich fordere aber auch das gleiche Maß an Auseinandersetzungsbereitschaft ein. Dabei darf jemand gerne auch eine ganze Weile „noch nicht soweit“ sein. Wenn derjenige sich allerdings darin einrichtet, dann führt das nur in weitere zusätzliche Probleme für beide. Dann muss ich anerkennen, dass diesem Menschen die Pflege seiner Probleme wichtiger ist als in ein Miteinander zurückzufinden und das ist auch in Ordnung.
Ja man hat immer einen Anteil an der Beziehungsgestaltung. Nein, man ist nicht automatisch Ursache für die Erkrankung des anderen. Tatsache ist natürlich, wenn Erkrankung passiert, dass man füreinander heilsam sein kann, wirkungslos oder auch durchaus schädlich. Darauf darf man achten und entsprechend agieren.
Als ich mich getrennt habe war ein Aspekt, dass ich nach drei Jahren Abwärtsspirale, in denen keine Hilfe angenommen wurde, so zermürbt und am Ende meiner Kräfte war, dass ich ihm gegenüber nur noch zynisch und gemein war. Verzweiflung meinerseits erklärt aber entschuldigt das nicht. Er hat es sogar geschluckt und mir Recht gegeben, ist allerdings nicht einen Schritt in Richtung Heilung gegangen.
Ich habe es beendet, weil ich keinen Sinn darin sehe, mich an einen Menschen zu verausgaben, an dem alles verpufft und den daraus entstehenden Frust dann wieder an ihm auszulassen. Das ist keine Beziehung mehr. Das ist ein Teufelskreis. Ich hatte entschieden, diesen zu durchbrechen. Für ihn konnte ich nichts tun, für mich musste ich dringend was tun.
Ich finde wichtig sich zu reflektieren. Man muss sich aber nicht jeden Schuh anziehen. Seine Probleme entstanden aus einer Traumatisierung. Das ist bekannt. Die hat mit mir nicht ansatzweise was zu tun. Traumatisierungen kann man unterschiedlich bewältigten. Er hat sich gegen eine Auswahl an Unterstützung entschieden und sich für die Realitätsflucht in Suchtverhalten entschieden. Das macht er übrigens immer noch. Sechs Jahre jetzt.
Ich habe mich gegen Co-Abhängigkeit entschieden. Er hat das verstanden. Wir haben immer noch wertschätzenden Kontakt. Ich schätze zwar seinen Weg nicht, aber ihn.
Es kann Grenzen geben im Einräumen von Fehlbarkeit und die sind wichtig.
Menschen können psychisch erkranken. Das sind doch keine Ausnahmen. Auch damit muss man einen Umgang finden und darüber muss man auch sprechen dürfen, ohne, dass das als Abwertung verstanden wird oder Ausrede.
Natürlich werden Begriffe wie toxisch, narzisstisch etc falsch bis missbräuchlich verwendet. Deshalb kann ich aber doch nicht grundsätzlich in Frage stellen über solche Themen in Beziehungen zu sprechen.
Auch bevor diese Begriffe populär wurden, haben Menschen Schuldzuweisungen als Bewältigungsstrategie von Trennungsschmerz eingesetzt. Das ist doch kein neues Phänomen.
Auch das Phänomen keine Verantwortung für sich selbst übernehmen zu wollen und damit natürlich auch nicht die Verantwortung für den eigenen Anteil in einer Beziehung ist uralt.
Dennoch gibt es Menschen, die trotz Eigenverantwortung in Situationen landen, die mit Krankheit belastet wird. Dafür kann niemand was. Außer Krankheit als Ergebnis von Gewalt, dafür kann der Täter was.
Mit oder ohne Täter als Ursache von Erkrankung ist es aber nun einmal so, dass nur der Erkrankte selbst heilen kann. Niemand sonst kann ihn heil machen. Helfen ja, machen nicht.
Dieser Verantwortung, sich für Heilung zu entscheiden, entkommt ein Erkrankter nicht. Schlicht, weil ihm das niemand abnehmen kann.
Wenn sich jemand nicht dazu entscheiden kann, weil der Krankheitsnutzen überwiegt oder weil die Unfähigkeit zur Einsicht Teil der Erkrankung ist, muss er damit rechnen, dass er verlassen wird, weil das Umfeld sich schützen muss.
Bei einem gebrochenen Bein würde niemand diese Aspekte in Frage stellen.
Bei psychischen Erkrankungen wird das komischerweise ständig in Frage gestellt.
In meinem Fall hatte niemand Schuld, dass es zur Traumatisierung gekommen ist. Mein Partner nicht, ich nicht, niemand.
Er hat aber nicht verstanden, dass sich das nicht von selbst löst und nur er es lösen kann.
Er hat aber verstanden, dass ich nicht mich und ihn durchs Leben tragen kann. Tragen geht in dem Fall ja weit über Versorgung hinaus. Das umfasst ja eine Einseitigkeit in absolut allem.
Er konnte dieses Minimum an Verantwortung für sich selbst nicht übernehmen und Hilfe annehmen.
Das ist so. Das werfe ich ihm nicht vor, aber ich erkenne es an und habe für mich, nicht gegen ihn, eine Konsequenz gezogen.
Ähnliche Geschichten stehen auch hinter vielen anderen Trennungen.
Menschen, die geliebt haben, die sortieren nicht mal eben jemanden aus, weil er nicht mehr funktioniert oder nicht mehr ins Konzept passt. Die haben alle einen langen Prozess hinter sich.
Am Ende, wenn man seinen Prozess reflektiert, kann man sein Fazit dennoch auf wenige wesentliche Kernaspekte zusammen fassen. Und ja, ein nächster Prozess wird schneller durchlaufen. Davon kann man ausgehen. Nicht, weil man oberflächlicher oder verantwortungsloser geworden wäre. Ganz und gar nicht. Man weiß einfach, wann ein Pferd tot ist.
Mit dem toten Pferd ist auch nicht automatisch der Partner gemeint, eher die Partnerschaft inklusive dem eigenen Anteil.
Wenn jemand also im Forum in einem Satz ein k. o. Kriterium für sich auf den Punkt bringt, bedeutet das nicht ein lapidarer Umgang mit Partnerschaft. Dem können sehr wohl und sogar sehr wahrscheinlich entsprechende Erfahrungen zugrunde liegen.