Das Alter ist nur eine Umschreibung
Ich würde es nicht am Alter festmachen, was Ihr beschreibt. Es ist wohl eher eine zunehmende Gelassenheit im Umgang mit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen, auch und gerade den erotischen.
Inzwischen haben die eigenen Erfahrungen und das Vertrauen in die eigenen Empfindungen die Abhängigkeit von Meinungen und Ratschlägen anderer abgelöst. Die Tatsache, dass man keine anderen Leute braucht um zu entscheiden, was einem gut tut und was nicht macht den Kopf von Zwängen und Konventionen frei und eröffnet die Möglichekit Neues auszuprobieren, weil man auch sicher sein kann, dass eine schlechte Erfahrung, so man sie denn machen musste, einen nicht aus dem seelischen Gleichgewicht werfen wird.
Das Vertrauen in die eigenen Bewertungen macht einen dann wohl auch auf eine angenehme Art schamloser, was hat man denn schon zu verlieren, ausser Hemmungen und Schranken, die man nie selbst ausgesucht und für sich als verbindlich angesehen hat, sondern die man als gesellschaftlichen, familiären oder psychischen Zwang kennen gelernt hat, moralisch oder religiös unterlegt.
Der unbefangenere Umgang mit eigenen sexuellen Phantasien und Wünschen lässt auch das lustvolle Erleben wachsen, nicht masslos, nicht unverantwortlich, aber eben befreiter.
Es zählt, wie es sich anfühlt, nicht, ob es von anderen erlaubt und als normal geduldet und beurteilt wird, solange man die Grenzen der Einvernehmlichkeit einhält.
Dieser emanzipatorische Prozess dauert eine Weile und zeitliche Dauer messen wir gerne in Jahren, auch in Lebensjahren. Wer sich 20 Jahre lang mit seiner Sexualität beschäftigt hat wird eine bessere Chance haben seine sexuellen und erotischen Bedürfnisse ausleben zu können, als jemand, der die gleichen Themen tabuisiert.
Mit zunehmendem Lebensalter definiert man seine Stellung in der Gemeinschaft oder Gesellschaft auch anders, als in einer Zeit, in der man den Schritt von der Ausbildung ins Arbeitsleben, vom Miteinandergehen zur Partnerschaft vollzieht. Nicht jede(r) ist in jungen Jahren ein experimentierfreudiger Mensch, Neues wird manchmal erst spät zugelassen und nicht mehr als gefährlich eingestuft.
Ein freier Geist wird sich nicht darauf beschränken sich nur um Beruf und Familie zu kümmern. Spätestens wenn die Kinder gross sind und die Lebensaufgabe erfüllt ist, wird man sich neue Bereiche suchen in denen man sich verwirklichen kann. Und Sexualität ist eben einer der Bereiche, die direkt und intensiv viel Lust bereiten (können).
Ob man im Alter noch die ausreichende erotische oder/und sexuelle Potenz hat um das genussvoll auszuleben, was man als Wunsch und Begierde spürt, steht auf einem anderen Blatt und hängt auch von gesundheitlichen Faktoren ab.
Aber ich schliesse mich der Bewertung vieler hier an: bis jetzt ist es jedes Jahr noch erfüllter geworden und ich würde es nicht als Rückschritt bezeichnen, wenn es auf diesem Level bliebe.
Schaun wir mal, was das Leben noch so alles bringt
Gerhard